Logbuch Promotion: Der Weg zum Doktortitel im Blog Medienwissenschaftlerin Susann Kohout über ihr Projekt zum transparenten wissenschaftlichen Arbeiten
Auf ihrem Blog begleitet die Doktorandin Susann Kohout vom Institut für Sozialwissenschaften ihre Promotion öffentlich im Netz. Kurze Einträge über Recherchen, Forschung, Erkenntnisse und auch Probleme zeigen einen Ausschnitt ihrer alltäglichen Arbeit an der Dissertation. Doch hinter der Idee steckt weitaus mehr als nur ein paar Blogeinträge: Die Medienwissenschaftlerin sieht in der Nutzung von Social Media ein gewaltiges Potenzial für moderneres Arbeiten, das in der Wissenschaft noch weitestgehend ungenutzt ist.
Mit Social Media sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich vernetzen. Sie sollen ihre Ergebnisse aus dem Labor heraustragen und damit auf direktem Weg in die Öffentlichkeit treten. Auf Viele wirken diese Forderungen wie Binsenweisheiten. Doch wen soll man erreichen und was ist konkret der Mehrwert, Wissenschaft allgemeinverständlich aufzuarbeiten? Es kostet vor allem Zeit: eine besonders in der Wissenschaft kostbare Ressource. Susann Kohout sieht das anders: „Die Verwendung von Social Media muss in die Alltagspraxis fließend integriert werden und sich daraus eine neue Art des Arbeitens entwickeln: näher dran, enger vernetzt, gesellschaftsbezogener.“ Social Media ermögliche Feedback. Nicht nur dahingehend, wie interessant ein Forschungsthema sei oder wie qualitativ hochwertig es ausgearbeitet werde. Vernetzung diene auch als Vergewisserung: Was machen die anderen, wie tun sie es und wie geht es ihnen damit?
Fachcommunity und Laien erreichen
Um dieses Potenzial zu nutzen, führt Susann Kohout seit März dieses Jahres einen Blog, auf welchem sie sich mit fremden und eigenen Gedanken und Ideen zur Dissertation auseinandersetzt, Rechercheprozesse und Thesenentwicklung beschreibt. Auf PhDLog.de – was namentlich an den Webblog als Logbuch anlehnt – möchte sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Laien erreichen und das Thema innerhalb der Fachcommunity diskutieren. Ebenso erhofft sie sich eine größere Reichweite ihrer Arbeit: Weltweit finden Aufsätze in Fachzeitschriften angeblich weniger als sechs Lesende. Sechs Lesende für hunderte Stunden Arbeit. Sechs Personen, die potenziell weiter mit den Ergebnissen arbeiten und ihnen Bedeutung verleihen könnten.
Social Change durch Social Media
„Es geht nicht konkret darum, dass möglichst viele Menschen meine Texte lesen oder die Aktivität verfolgen. Dafür ist ein Blog einfach zu altbacken, zu langatmig. Mein Fokus ist es, Arbeit festzuhalten, festzustellen, dass man mit Ideen, Problemen und Ansichten nicht allein in seinem Büro sitzt.“ Es gehe ihr nicht nur um fachliche Unterstützung, sondern ebenso um moralische. Soziale Bewegungen aus der Vergangenheit, Protestbewegungen wie der arabische Frühling oder netzfeministische Bewegungen wie Bodypositive oder Metoo, zeigen, was damit gemeint sei: Social Change durch Social Media. In der Wissenschaft sei das noch nicht angekommen. „Eine Notwendigkeit besteht dennoch.“
Wer sich entzieht, bleibt unsichtbar
„Die Wissenschaft benötigt dringend einen größeren Innovationsgeist und mehr Vorstellungskraft einer digitalen Zukunft. Soziale Netzwerke, von Blogs und Twitter über Instagram und Snapchat – welche es auch immer sind, die eine bestimmte Zeit dominieren – sind zukunftsweisend für privates und berufliches Leben, welches untrennbar real und virtuell stattfinden wird. Vielleicht liegt es daran, dass selbst der junge Nachwuchs in der Wissenschaft noch nicht jung genug ist, um mit Social Media in der Wiege aufzuwachsen.“ Aber für Susann Kohout steht es außer Frage, dass es alltägliche Praxis sein wird, Arbeit virtuell zu begleiten, genau wie Privates. Und wer sich entziehe, bleibe unsichtbar. Besonders für exzellente Forschung sei das bedauerlich, findet sie.