21. Juli 2021 | Magazin:

Kühl und clever Ausgründung der TU Braunschweig ermöglicht Energie- und CO2-Einsparungen in Kühlräumen

Dicke Eisschichten im Gefrierfach sind ein Ärgernis, das die meisten Menschen kennen. Doch nicht nur dort rauben sie Platz, kosten Energie und stoßen zusätzliches CO aus – auch in Kühlräumen, an Flugzeugen, Drohnen, Windkraftanlagen und in vielen anderen Bereichen verursachen Vereisungen Probleme. Dieser Herausforderung haben sich Stephan Bansmer, Juan Velandia und David Burzynski als Mitarbeiter im Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig angenommen. Jetzt machen sie sich mit ihrer Idee selbstständig und entwickeln intelligente Systemlösungen, die die Eisbildung verhindern und das Abtauen automatisiert steuern. Im Interview berichten sie mehr über ihr Projekt und ihre Ausgründung aus der Universität.

Das Gründerteam von Coldsense Technologies (v.l.n.r.): Stephan Bansmer, Juan Velandia und David Burzynski. Bildnachweis: Roman Brodel/Fotostudio Roman Brodel

Wie entstand die Idee zu Ihrem Projekt?

David Burzynski: Die erste Idee kam uns während eines Mittagessens, da wir ein ständiges Vereisungsproblem an einer Tiefkühlanlage der TU hatten. Nach zahlreichen Gesprächen mit Expert*inneen aus dem Bereich Kältetechnik über den aktuellen Stand der Technik haben wir verschiedene Systemlösungen entworfen, um die Anlage sicherer und effizienter zu machen. Relativ schnell stellten wir fest, dass dahinter großes Potenzial steckt!

Worin liegt der genaue Nutzen Ihrer Technologie?

Stephan Bansmer: Kühlräume, Kühlschränke und Gefrierfächer besitzen Wärmetauscher, die zum Eisaufbau neigen, da sie unter dem Gefrierpunkt arbeiten. Diese Eisbildung vermindert die Kühlleistung, wodurch wiederum der Stromverbrauch steigt. Deswegen ist es wichtig, Wärmetauscher regelmäßig abzutauen. Der Beginn und die Länge solcher Abtauzyklen sind in herkömmlichen Anlagen zeitgesteuert und passen sich nicht an die anspruchsvollen logistischen Abläufe der Industrie an. Damit sind diese Anlagen ineffizient. Wir entwickeln hingegen maßgeschneiderte und intelligente Systemlösungen, die die Eisbildung verhindern und das Abtauen automatisiert und nach Bedarf steuern. Dadurch bleibt die Kühlkette von Lebensmitteln intakt. Das Energie- und CO2-Einsparpotenzial ist groß.

In welchen Bereichen ist der Einsatz Ihrer Technik denkbar?

Stephan Bansmer: Unsere Technologie ist in vielen Bereichen einsetzbar, wie zum Beispiel in der Aufbereitung technischer Gase, in Flugzeugen, Drohnen, Windkraftanlagen oder Schienenfahrzeugen. Also im Prinzip überall dort, wo Vereisung ein Thema ist. Zurzeit konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Optimierung von Kühlanlagen, beispielsweise in der Lebensmittel-, Pharma- und Chemieindustrie sowie der Flughafenlogistik. Also dort, wo Produkte gekühlt werden müssen.

Seit wann arbeiten Sie schon an dem Projekt und wie geht es weiter?

David Burzynski: An unserem Startup arbeiten wir bereits seit Anfang 2019. Die ersten Geschäftsideen haben Juan Velandia und ich nach Diskussionen über unsere und aktuelle Forschungsergebnisse entworfen. Parallel dazu wollte Stephan Bansmer nach einem Forschungsaufenthalt in Cambridge, Großbritannien, aktiver in der Gründungszene werden. Schließlich haben wir uns gemeinsam dazu entschieden, Coldsense ins Leben zu rufen. Seit dem 01. Januar 2021 läuft nun das EXIST-Gründerstipendium, dort sind wir vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie dere EU finanziell gefördert.

Juan Velandia: Als nächstes werden wir unsere Systemlösungen in vielen verschiedenen Anwendungen im Bereich der Lebensmittelindustrie anbieten und neue Technologien mit den gewonnenen Daten entwickeln. Nächstes Jahr arbeiten wir außerdem zusammen mit dem Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig und der Professur für laserbasierte Methoden der großflächigen Oberflächenstrukturierung der TU Dresden sowie der Landwind Gruppe im Forschungsprojekt ‚MicroIce‘ an der Entwicklung von Antihaft-Beschichtungen. Ähnlich wie bei einem Ei auf einer Teflon-Pfanne soll dadurch weniger Eis auf Rotorblättern von Windkraftanlagen haften. Diese Technologie und weitere Innovationen aus der Spitzenforschung wollen wir auch in den anderen Branchen integrieren, um die Lebensdauer der Anlagen zu erhöhen.

Wer hat Sie seitens der TU begleitet?

Juan Velandia: Seitens der TU begleitet uns unser Mentor Prof. Dr.-Ing. Rolf Radespiel vom Institut für Strömungsmechanik zu den fachlichen und überfachlichen Fragestellungen. Außerdem erhalten wir eine kontinuierliche und sehr kompetente Unterstützung von Frau Dr. Manuela-Christina Hahn von der Technologietransferstelle seit der Antragstellung. Wir sind beiden sehr dankbar.

Vielen Dank für das Interview.