Korrekturen im Minutentakt am Bildschirm Nachgefragt bei Professor Volker Staab
Entwurfsbetreuung digital, Korrekturen ohne Tischkritik, Skizzen an den Wänden und gemeinsames Sich-über-Pläne-und-Modelle-beugen? Auch die Architektur-Lehre hat sich durch die Corona-Pandemie verändert. Wir haben mit Professor Volker Staab, Leiter des Instituts für Entwerfen und Raumkomposition (IAD), über die besonderen Herausforderungen, aber auch die Chancen gesprochen, die das Online-Semester mit sich bringt.
Herr Professor Staab, Studium und Lehre der Architektur konnte man sich bislang kaum ohne Präsenz vorstellen. Was sind die größten Herausforderungen?
Für die Studierenden ist sicherlich das größte Problem, dass die Zeichensäle nicht geöffnet sind. Manche haben zu Hause nicht unbedingt die besten Voraussetzungen – sowohl technisch als auch platzmäßig – um Architekturmodelle und Pläne zu gestalten. Das ist nichts, was man am Laptop ganz isoliert macht. Das Modellbauen zu Hause auf dem Schreibtisch ist nicht immer gut zu organisieren. Deshalb müssen wir schauen, wie wir das langsam wieder ins Laufen bringen und inwieweit mit Reduzierungen Zeichensäle wieder geöffnet werden könnten.
Zusätzlich zur Schließung kommt natürlich die eingeschränkte Kommunikation mit uns Lehrenden hinzu. Diese ist etwas aufwendiger geworden.
Und aus der Sicht der Lehrenden?
Aus meiner Perspektive als Lehrender muss ich sagen, dass es besser funktioniert als ich es erwartet habe. Wenn wir diskursive Formate haben, Besprechungen über Projekte oder Projektstände, kann man dies zu fünft oder auch zu zehnt in einer Webex-Gruppe noch ganz gut umsetzen.
Problematisch ist, wenn man die Leute in einem Seminar oder einer Vorlesung nicht sieht. Da würde man sich wünschen, man könnte in die Gesichter schauen. Die Interaktion fehlt. In Video-Meetings haben wir eher eine Eins-zu-Eins-Kommunikation: derjenige, dessen Mikrofon gerade freigeschaltet ist, redet, die Reaktionen der anderen kann man in dem Moment nicht so gut wahrnehmen. Dadurch fehlt die bei uns so wichtige Gruppendynamik. Das ist etwas, das ich sehr vermisse.
Wie verlaufen die Korrekturen der Studierenden-Entwürfe?
Normalerweise haben wir Zwischenpräsentationen, bei denen Entwürfe und Pläne an der Wand hängen, und alle sehen sich die Zwischenergebnisse auf dem Tisch zusammen an. Man kann dabei zwischen ersten Modellen, Entwürfen und Plänen, hin- und herspringen. Am Bildschirm dagegen sieht man immer nur eine Folie. Man muss also immer noch einmal „zurückspulen“, wenn man einen weiteren Blick darauf werfen möchte. Oder die Studierenden müssen ihre Bildschirme erneut freigeben. Das verkompliziert solche Diskussionen. Insofern vermissen wir die Präsenzlehre alle sehr.
Im dritten Semester betreuen wir sehr viele Studierende. Wir haben dreimal im Semester Termine, bei denen ich mir die Präsentationen von 60 Studierenden von morgens um 8 Uhr bis abends um 20 ansehe. Das ist schon live anstrengend, aber im Netz natürlich noch viel mehr, weil man sich dabei sehr konzentrieren muss. Doch nach wie vor finden wir es sehr wichtig, dass jeder Studierende persönlich seine Korrektur erhält.
Die Professorinnen und Professoren des Departments Architektur hatten eine Stellungnahme an die Studierenden veröffentlicht, im Modellbau die eingeschränkten Möglichkeiten originell zu nutzen. Wurden Sie bereits von kreativen Modellen überrascht?
Das wird sich erst am Ende des Semesters herausstellen. In dem Wissen, dass die Möglichkeiten der Studierenden zum Modellbau aktuell sehr unterschiedlich sind, haben wir entschieden, dass sie beispielsweise ein 3D-Modell digital bauen können oder aus Pappe oder einem anderen Material, das zu Hause zu Verfügung steht und mit dem man arbeiten kann. Die Studierenden wetteifern ja oft darum, wer das schönste Modell baut, mit Effekten und Holzrahmen außen herum. Das sind zum Teil halbe Möbelstücke. In diesem Semester wird es sicherlich anders sein.
Eine schlechtere Benotung wird es jedenfalls nicht geben. Dagegen freuen wir uns auf gute Ideen und besondere Konzepte. Vielleicht ist es eine Anregung zur Kreativität, die Modelle mal anders zu machen, das wäre auch ganz schön!
Sie haben gesagt, alles hat zwei Seiten. Gibt es Erfahrungen aus dem Online-Semester, die man in die Präsenzlehre mitnehmen sollte?
Ich könnte mir vorstellen, dass man künftig spontanere digitale Treffen einstreuen könnte. Es wäre eine Möglichkeit, zwischendurch eine Besprechung mit einer Gruppe Studierender anzubieten. Dadurch könnten wir noch flexibler werden. Doch grundsätzlich bevorzuge ich die Präsenz.
Wenn es mit diesem Online-Semester getan ist, kommen wir gut durch. Ich glaube nicht, dass wir gravierende Verluste in der Lehre erleiden. Das größte Problem ist, dass wir noch nicht wissen, wie es im kommenden Semester weitergeht. Für die Studierenden wäre es gut, wenn sie ihre Arbeitsplätze wieder zur Verfügung hätten. Das ist für manche ein großes Problem.
Wären auch Korrekturen weiterhin digital wünschenswert, mit der Möglichkeit der Studierenden, die Hinweise zu ihren Präsentationen aufzuzeichnen, um sie später besser umsetzen zu können?
Natürlich könnte man darüber nachdenken, ob dies sinnvoll ist. Aber bei uns geht es bei den Korrekturen auch vor allem um die Diskussion und dass man in der Diskussion Argumente austauscht. Letztendlich muss man lernen, möglichst viel aus der Diskussion mitzunehmen, um später den eigenen Entwurf bearbeiten zu können. Es geht in der Architektur nicht darum, den Studierenden genau mitzuteilen, wie sie ihre Projekte gestalten sollen, ihnen zu sagen, was falsch und was richtig ist.