10. November 2022 | Magazin:

Kompakt, hocheffizient und langlebig TU Braunschweig erforscht die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Leistungselektronik

Der Boom von Elektrofahrzeugen, Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen stellt neue Anforderungen an die Leistungselektronik. Genau hier setzt das Verbundprojekt NetFlexum an. Das Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) der Technischen Universität Braunschweig forscht mit einem weiteren TU-Institut und externen Partnern auf dem Gebiet der Leistungselektronik nach Lösungen, um die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Lebensdauer der Bauelemente und deren Aufbau- und Verbindungstechnik weiter zu erhöhen.

Zum Forschungsteam Leistungselektronik am IMAB gehören (von links) die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Fricke und Cengiz Uzlu, Professorin Dr.-Ing. Regine Mallwitz sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter Philipp Hauenschild und Matthias Klintz. Bildnachweis: IMAB/TU Braunschweig

Mit hocheffizienten und -kompakten leistungselektronischen Wandlern lassen sich erneuerbare Energiequellen, wie Photovoltaik oder Windkraft, überhaupt erst nutzen. Kleine, leichte Wandler sind unverzichtbar, wenn es um die Boardversorgung und den Antrieb von Elektrofahrzeugen geht. „Leistungselektronische Wandler unterliegen sehr unterschiedlichen Anforderungen“, sagt Regine Mallwitz, Professorin für Leistungselektronik am IMAB.

Die Wissenschaftler*innen des Instituts untersuchen daher nicht nur die geeignetsten Schaltungen, Topologien genannt, und ihre Steuermöglichkeiten. Im Fokus stehen auch die richtige Berechnung und Dimensionierung der Bauelemente und die Auswahl einer geeigneten Aufbau- und Verbindungstechnik. Funktionalität, ein hoher Wirkungsgrad, kleines Bauvolumen und geringes Gewicht – das sind die Anforderungen, die Leistungselektronik je nach Anwendung erfüllen muss. Im Verbundprojekt NetFlexum werden nun gezielt auch die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Lebensdauer erforscht.

Netzdienliche Prosumersysteme

Insbesondere richtet sich das Forschungsinteresse auf eine zuverlässige Momentanreserve-Bereitstellung, indem neuartige Regelstrategien netzdienliche Prosumersysteme zum Einsatz kommen. Das Wort Prosumer vereint die Worte „producer“ (englisch für Hersteller) und „consumer“ (englisch für Verbraucher).

Ein Beispiel: Verbraucher*innen können gleichzeitig Strom beziehen und über die Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach auch produzieren und ins Netz einspeisen. Bei fortschrittlichen netzdienlichen Heimspeicher-Systemen geht es beispielsweise darum, den mit einer Photovoltaikanlage erzeugten Strom besser in das Stromnetz zu integrieren. Im Projekt NetFlexum ist das der Forschungsschwerpunkt des elenia Instituts für Hochspannungstechnik und Energiesysteme der TU Braunschweig unter Leitung von Professor Bernd Engel.

Leistungsspitzen und Lebensdauer

Grundmodule der multifunktionalen Leistungselektronik absolvieren elektrische Tests im Labor des IMAB. Bildnachweis: IMAB/TU Braunschweig

Das Forschungsteam des IMAB untersucht innovative Betriebsanwendungen einzelner leistungselektronischer Schaltungen mit Blick auf ihre Zuverlässigkeit und Lebensdauer für neue Topologien. Bei der Leistungselektronik stehen isolierende, nicht galvanisch trennende Systeme im Vordergrund. „Im Fall des Momentanreserve-Abrufs muss die Leistungselektronik kurzzeitig überlastet werden können“, sagt Professorin Mallwitz. „Für die Leistungshalbleiter muss daher nachgewiesen werden, dass kurzzeitige Leistungsspitzen die Lebensdauer nicht negativ beeinflussen.“

Auch für die bereits gealterten 2nd-Life-Speicher – hierbei handelt es sich um die Weiterverwendung ausrangierter Fahrzeugbatterien in stationären Stromspeichern – sind solche Leistungsspitzen eine potenzielle Belastung. Das Forschungsteam der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Partner im Verbundprojekt NetFlexum, wird hierfür eine Restlebensdauerbetrachtung für Batterien vornehmen.

Ein Gleichstrom (DC)-Schutzkonzept zu entwickeln und dieses in einem DC-Demonstrationsnetz bei direkter und indirekter Anbindung des Batteriesystems zu testen, diese Aufgaben übernimmt ein Forschungsteam des elenia unter Leitung von Professor Michael Kurrat. „Nur wenn das Gesamtsystem betrachtet wird, ist eine wirtschaftliche Optimierung ohne Zuverlässigkeits- und Sicherheitsverluste möglich“, sagt Professorin Mallwitz.

Simulation von Alterungsprozessen

Wenn es um Lebensdauer geht, spielt der Verschleiß eine wichtige Rolle. Schnellalterungstests für die Hardware sind daher auch Teil des Forschungsprojekts. Das IMAB verfügt nicht nur über eine mit Hightech-Fertigungsanlagen ausgerüstete Werkstatt, sondern auch über hochmoderne Prüfstände für die Vermessung von Leistungselektronik und elektrischen Maschinen sowie über umfangreiche Labor- und Experimentiereinrichtungen.

Neuling im frisch sanierten Labor des IMAB ist eine kompakte Klimakammer, in der die Schaltungen extremer Kälte, Wärme und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt werden können. Die Klimaprüfungen dienen den Wissenschaftler*innen zur Simulation von Alterungsprozessen, aber auch dem Nachweis, dass ein Bauelement bei einem bestimmten Klima funktionsfähig ist.

Projektdaten

Das Verbundprojekt NetFlexum hat eine Laufzeit von drei Jahren (September 2022 bis August 2025). Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit insgesamt über 2,5 Millionen Euro gefördert und vom Projektträger Jülich betreut. Projektpartner sind die TU Braunschweig, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt sowie zwei Industriepartner, die SMA Solar Technology AG und die TEMES Engineering GmbH.

Leistungselektronik am IMAB

Neben der Entwicklung geeigneter Umrichter für innovative elektrische Maschinen forschen die Wissenschaftler*innen des IMAB an Themen wie induktive Energieübertragung, Aufbau von Ladetechnik für Elektrofahrzeuge sowie für stationäre Speicher, leistungsstarke DC-DC-Wandler und Netzwechselrichter für Photovoltaikanlagen. Um diese Systeme möglichst kompakt und energieeffizient zu gestalten, wird am IMAB der Einsatz der Wide-Band-Gap-Halbleitermaterialien Siliziumkarbid und Galliumnitrid untersucht, mit denen Verluste verkleinert und Schaltfrequenzen vergrößert werden können. Der Einfluss der Schaltfrequenzerhöhung auf das Volumen und das Gewicht der passiven Bauelemente ist ein weiterer Schwerpunkt. Dabei wird stets Wert auf den Aufbau von Prototypen gelegt.