26. Mai 2021 | Magazin:

Intelligente Implantate Ziel des neuen SFB/TRR: Kontinuierliches Monitoring der Implantatfunktion und Früherkennung von Komplikationen

Die Technische Universität Braunschweig ist an zwei Projekten am neuen Sonderforschungsbereich/Transregio „Sicherheitsintegrierte und infektionsreaktive Implantate (SIIRI)“ beteiligt. Gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der Leibniz Universität Hannover und weiteren Partnern forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an medizinischen Implantaten, die für Patientinnen und Patienten mehr Sicherheit bedeuten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Verbundforschung ab 1. Juli 2021 zunächst vier Jahre lang mit zwölf Millionen Euro.

Infektionsresistente Implantate mit Wirkstofffreisetzungssystemen, die eine bakterielle Besiedlung des Implantats detektieren und als Reaktion darauf autonom einen Wirkstoff freisetzen. Bildnachweis: Henning Menzel/TU Braunschweig

Der neue von der DFG geförderte SFB/TRR überträgt Konzepte zur Überwachung von Belastungen und Schäden aus der Fertigungs- und Werkstofftechnik auf medizinische Implantate, wie sie zum Beispiel auch in der Luftfahrt zum Einsatz kommen. Langfristig sollen damit die Implantat- und die Patientensicherheit erhöht werden. Dafür entwickeln Forscherinnen und Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen Systeme, mit denen sich ermitteln lässt, ob und wie die Funktionalität eines Implantats beeinträchtigt ist. Diese Systeme können auf verschiedenste Komplikationen wie Verschleiß oder Infektionen reagieren. Entwickelt wird diese Technologie für Implantate in der Zahnmedizin und Orthopädie sowie für Hörimplantate.

Komplikationen durch Korrosion, Abrieb oder bakterielle Biofilme

Prof. Dr. Henning Menzel (Foto: privat)

Nach Einheilung von Implantaten können schwerwiegende Probleme auftreten, die zu einem Verlust der Implantatfunktion und belastenden, manchmal sogar lebensbedrohlichen Operationen führen. Die Komplikationen können auf Korrosion und Abrieb des Materials, aber auch auf dem Versagen von Elektroden beruhen. Die Ausbildung von bakteriellen Biofilmen und die daraus resultierenden Infektionen stellen ebenfalls schwerwiegende Komplikationen dar.

Professor Henning Menzel vom Institut für Technische Chemie an der TU Braunschweig setzte sich intensiv für innovative Forschungsansätze und interdisziplinären Kooperationen im Rahmen des SFB/TRR ein: „Hier arbeiten nicht nur verschiedene Wissenschaftsdisziplinen zusammen, sondern es werden ganz gezielt Prinzipien aus anderen Bereichen in die Medizintechnik übertragen. Weiterhin arbeiten die verschiedenen Fachrichtungen auch innerhalb der einzelnen Projekte zusammen. Wir werden zum Beispiel transdisziplinär mit Medizinerinnen und Medizinern der MHH sowie Biologinnen und Biologen vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) autonom auf Infektionen reagierende Beschichtungen entwickeln.“

Infektionen in frühem Stadium bekämpfen

In einem Projekt des Sonderforschungsbereiches entwickelt die Gruppe von Professor Menzel in Zusammenarbeit mit Professorin Dagmar Wirth vom HZI chemische und biologische Detektions- und Reaktionssysteme. So können frühzeitig biologische Komplikationen wie die Bildung von bakteriellen Biofilmbildung erkannt und bekämpft werden. An der TU Braunschweig werden Polymere synthetisiert, die auf die Implantate aufgebracht werden. Sie binden Wirkstoffe, solange keine Bakterien in der Nähe sind. Wenn sich aber eine Infektion ankündigt und Bakterien bestimmte Enzyme als Trigger abgeben, werden die Wirkstoffe freigesetzt und die Infektion in einem ganz frühen Stadium bekämpft. „Dabei arbeiten wir gemeinsam mit der MHH und dem HZI daran, die molekularen Signale der Bakterien zu erkennen und zu verstärken“, so Professor Menzel.

Beschichtung für Hörimplantate

Eine Beschichtung für Hörimplantate, die eine gute Einheilung und Gewebsintegration von Hörimplantaten ermöglicht, wird gemeinsam mit gemeinsam mit Professor Peter Behrens von der Leibniz Universität in Hannover entwickelt. „Die Gewebsintegration soll aber durch ein von außen angelegtes Magnetfeld auch wieder gelockert werden können. So kann ein defektes Implantat möglichst gewebsschonend entfernt werden“, sagt Professor Menzel.

Über die Sonderforschungsbereiche

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet im Mai 2021 elf neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Sieben der neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen. Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen. SFB werden maximal zwölf Jahre gefördert.