„Hier verschmelzen neue und alte Architekturen“ Future City Goes Global: Mit Chantal Karadag in Groningen
Wie sieht die lebenswerte Stadt von morgen aus? Um darauf Antworten zu finden, tauschen sich Wissenschaftler*innen des Forschungsschwerpunkts „Stadt der Zukunft“ mit Forscher*innen weltweit aus. In der Reihe „Future City Goes Global“ nehmen sie uns mit in andere Städte, zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten und berichten von geplanten Forschungskooperationen. Chantal Karadag vom ISU – Institute for Sustainable Urbanism war kürzlich bei der European Rural Geographies Conference im niederländischen Groningen und berichtet über ihren Aufenthalt dort.
Was war der Grund Ihrer Reise?
Im Juni 2023 habe ich an der „European Rural Geographies Conference“ in Groningen, Niederlande, teilgenommen, um aktuelle Ergebnisse der Forschungen des SpACE Lab at ISU im Bereich Stadt-Land-Beziehungen zu präsentieren. Im Fokus stand dabei die kürzlich von uns veröffentlichte Monografie mit dem Titel „Metapolis. Topoi. Scenarios for Urban-Rural Sustainability in Lower Saxony“. Gleichzeitig bot sich mir die fantastische Möglichkeit, in den Austausch mit internationalen Forschenden zum Thema Veränderung ländlicher Regionen zu treten.
Welche Forschungsthemen standen während Ihres Aufenthalts im Mittelpunkt?
Unter dem Titel „Rural Geographies in Transition“ haben wir Forschungen, Methoden und Perspektiven zu Themen wie Bevölkerungsentwicklung, sozialräumliche Ungleichheiten, Governance und Politik, wirtschaftliche Herausforderungen, Lebensqualität, smarte Dörfer, Landschaftswandel, Urbanisierung, Unternehmertum im ländlichen Raum, Veränderungen in der Landwirtschaft, Wohnen im ländlichen Raum, Energiewandel und Anpassung an den Klimawandel diskutiert.
Was hat Sie am meisten in der Stadt beeindruckt?
Mein persönliches Highlight in Groningen war das Verschmelzen neuer und alter Architekturen – zum Beispiel die Integration von Neubauten wie dem „Forum Groningen“ von NL Architects im Kontext der Altstadtbebauung. Die Ausstattung der University of Groningen im Hinblick auf die technische Ausrüstung, Klimatisierung und Belichtung der Räume war sehr eindrucksvoll. Ebenso haben mich die Landschaftsplanung und öffentliche Räume auf dem Campus positiv überrascht: Der Bezug zum Wasser und zum Grün ist allgegenwärtig in den Niederlanden, auch auf dem Gelände der Universität. Durch die Reichsuniversität Groningen und die Hanze University of Applied Sciences Groningen ist die Stadt sehr attraktiv für Studierende. Viele Bars haben daher rund um die Uhr geöffnet.
Teil der Konferenz waren Ausflüge in das nähere Umland der Stadt Groningen, um reale, bereits umgesetzte oder noch geplante Projekte zum Schwerpunkt der Konferenz zu besichtigen. Ich hatte das Glück, an der Exkursion zu Bürgerinitiativen zur Verbesserung der Lebensqualität in Friesland und Groningen teilzunehmen. Wir besichtigten einen aus privaten und gespendeten Mitteln finanzierten Umbau einer Kirche zu einem Gemeindezentrum mit Kindergarten in Anjum und ein gemeinschaftliches Projekt zur Betreuung und Freizeitgestaltung von Senior*innen, Kindern und Jugendlichen in Kloosterburen.
Der Bezug zum Wasser und zum Grün ist allgegenwärtig in den Niederlanden, auch auf dem Gelände der Universität.
Es war erstaunlich zu sehen, wie und in welchem Maße sich die Bürgerinitiativen organisieren und was sie selbstständig auf die Beine stellen, außerdem wie wichtig diese für die im ländlichen Raum im Wandel lebende Gesellschaft sind. Wandel beschreibt hierbei einerseits die allgemeine Verbesserung und Steigerung der Attraktivität der Lebenssituation und der Infrastruktur auf dem Land, vor allem im Sinne der Nachhaltigkeit, andererseits aber auch die Abwanderung der Bevölkerung in die Stadt und der damit verbundene Wegfall von Institutionen und sozialen Kontakten.
Was macht diese Stadt aus? Was könnten wir uns für deutsche Städte abschauen?
Groningen ist eine altgewachsene Stadt im Norden der Niederlande, Hauptstadt der Provinz Groningen und hat mit 240.000 Einwohnern in etwa die Größe von Braunschweig. Mein Eindruck war, dass das Zentrum der Stadt durch kurze Wege, aber auch durch das dichte Stadtbusnetz sehr gut vernetzt ist, da sich der Stadtkern auf den Bereich innerhalb des ehemaligen Stadtgrabens zentriert.
Die Verkehrsspuren sind so ausgelegt, dass alle Transportmittel gleichberechtigt den Straßenraum nutzen.
Das sichere Miteinander verschiedenster Transportmodi wie Fahrrad, zu Fuß gehen, öffentlicher Personennahverkehr und Auto auf einem Raum waren beeindruckend: Die Verkehrsspuren sind so ausgelegt, dass alle Transportmittel gleichberechtigt den Straßenraum nutzen. Dass das Fahrrad als bevorzugtes Transportmittel verwendet wird, ist dennoch deutlich spürbar. Anders als bei vielen deutschen Städten liegt der Fokus in der Verkehrsplanung offensichtlich nicht auf dem Auto.
Was ist in der Stadt das Fortbewegungsmittel Nummer 1?
Typisch niederländisch – das Fahrrad.
Welche Forschungs-Kooperationen sind geplant?
Während der Konferenz haben sich viele interessante Kontakte ergeben, die wir als SpACE Lab at ISU weiter ausbauen werden – sowohl national als auch international. Ich konnte mich mit Doktorand*innen verschiedener europäischer Universitäten austauschen. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.
Vielen Dank.