Gut verpackt Professorin Heike Bunjes forscht an schwer löslichen Wirkstoffen
Wie müssen schwer lösliche Wirkstoffe verarbeitet werden, damit sie in den Blutkreislauf gelangen und in unserem Körper verfügbar sein können? Das erforscht Professorin Heike Bunjes mit ihrer Arbeitsgruppe am Institut für Pharmazeutische Technologie der Technischen Universität Braunschweig. Damit trägt sie zum Forschungsschwerpunkt Infektionen und Wirkstoffe bei. Im Video-Interview spricht sie mit unserer Redakteurin Anna Krings über ihre Forschung, wie sich die Corona-Krise darauf auswirkt und über individualisierte Arzneimittel.
Frau Bunjes, Sie sind Professorin für Pharmazeutische Formulierungstechnik. Was kann man sich darunter vorstellen? Woran forschen Sie mit Ihrer Arbeitsgruppe?
Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie man pharmazeutische Wirkstoffe am besten in eine Form bringt – deshalb Formulierungstechnik –, damit sie ihre Wirkung im Patienten entfalten können. Salopp könnte man auch sagen, dass wir uns mit der „Verpackung“ von Wirkstoffen befassen. Damit sind nicht der Folienblister oder die Pappschachtel gemeint, sondern die Träger eines Wirkstoffes. Das kann zum Beispiel eine Tablette, eine Salbe, ein Pulver oder eine Injektionslösung sein. Uns interessiert, wie diese „Verpackung“, oder auch Formulierung, zusammengesetzt sein muss, damit der Wirkstoff in der richtigen Menge enthalten ist und im Körper zum richtigen Zeitpunkt frei gesetzt werden kann. Wir untersuchen auch, ob die Wirkstoffe in den Formulierungen und die Formulierungen selbst stabil sind. Unser Fokus liegt dabei auf schwer wasserlöslichen Wirkstoffen.
Was sind schwer wasserlösliche Arzneistoffe?
Wenn wir zum Beispiel eine Tablette schlucken, löst sich der Wirkstoff daraus normalerweise im Magen oder im Darm auf. Idealerweise kann der Wirkstoff dann aufgenommen und über das Blutsystem verteilt werden. Bei schwer wasserlöslichen Wirkstoffen funktioniert das nicht, weil sich der Wirkstoff nicht oder nur unzureichend auflöst. Ein anderes Beispiel: Wenn man ein Arzneimittel injizieren möchte, muss sich der Wirkstoff vorher auflösen und in ein wässriges Milieu übertreten.
Sie untersuchen also, wie schwer lösliche Wirkstoffe verpackt sein müssen, damit sie vom menschlichen Körper aufgenommen werden können. Wie machen Sie das?
Unser Fokus liegt auf flüssigen Arzneimitteln, die man injizieren oder infundieren kann. Wir arbeiten sehr viel mit Nanopartikeln, die schwer wasserlösliche Wirkstoffe transportieren und im Körper besser verfügbar machen können. In unserem Fall bestehen diese Trägernanopartikel häufig aus fettartigen Strukturen, sogenannten Lipiden. Das ist hilfreich, weil auch in unserem Körper solche Strukturen vorkommen, so dass eine gute Verträglichkeit gegeben ist. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Partikeltechnik schauen wir uns außerdem Nanopartikel aus sehr fein zerkleinerten Wirkstoffen an, die viel bessere Auflösungseigenschaften haben. In unseren Laboren haben wir unterschiedliche Technologien, mit denen wir Nanopartikel erzeugen und ihre Eigenschaften charakterisieren können. Wir untersuchen auch, welche Wechselwirkungen sie mit den Wirkstoffen eingehen, wie sie diese aufnehmen, wie viel sie aufnehmen und wie sie sie wieder freisetzen können. Gleichzeitig schauen wir uns die Formulierungen selbst an, also die „Verpackung“, die wir entwickeln. Diese Träger sind bei uns meistens flüssig. Die Herausforderung ist dabei, dass sie normalerweise feine Teilchen, eben die Nanopartikel, enthalten. Die dürfen die Blutgefäße nicht verstopfen, wenn die Flüssigkeit injiziert wird. Sie müssen also klein sein und während der Lagerung und Anwendung des Arzneimittels auch klein bleiben und außerdem keimfrei sein.
Ein Blick in die Zukunft, in Richtung individualisierter Arzneimittel: Spielt die „Verpackung“ von Wirkstoffen dabei auch eine Rolle? Forschen Sie daran?
Individualisierte Arzneimittel sind natürlich ein wichtiges Thema, vor allem auch für die gemeinsame Arbeit im Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik. Hierbei spielt die Frage nach der Formulierung der Wirkstoffe ebenfalls eine zentrale Rolle. Es geht zum Beispiel darum, Arzneiformen zu finden, die eine besonders gut auf einzelne Patienten angepasste Dosierung der Wirkstoffe erlauben und dabei trotzdem noch möglichst einfach herzustellen und gut durch die Patienten zu handhaben sind. Oder die eine individuell verschriebene Kombination verschiedener Wirkstoffe in einer Arzneiform wie einer Kapsel oder Tablette ermöglichen, damit Patienten nicht mehr viele verschiedene Arzneimittel einnehmen müssen, sondern beispielsweise nur noch eine Kapsel am Tag. Zu solchen Fragestellungen laufen in meiner Arbeitsgruppe derzeit mehrere Forschungsprojekte.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Ihre Forschungsaktivität aus? Wie sieht es mit Laboren aus?
Im Augenblick arbeiten die wissenschaftlichen Mitarbeitenden überwiegend im Home-Office. Sie befinden sich in ganz unterschiedlichen Stadien ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Am Anfang muss man sich sowieso intensiv mit der Literatur beschäftigen. Das ist sehr gut im Home-Office möglich. Einige sind jetzt am Ende ihres Projektes. Sie können ihre Arbeit zusammenschreiben oder Forschungsberichte und Publikationen schreiben, die noch anstehen. Von zu Hause können auch gut bereits erhobene Daten ausgewertet und Experimente geplant werden. Aber irgendwann muss man die Experimente natürlich auch durchführen, um neue Ergebnisse zu erzielen. Wir sind normalerweise stark experimentell tätig und da sehen wir schon erhebliche Einschränkungen, wenn die Mitarbeitenden nicht mehr direkt zusammen im Labor arbeiten können. Trotzdem forschen wir – unter Einhaltung der Vorgaben – weiter. Einige unserer Doktoranden kommen regelmäßig, um an Stabilitätsstudien zu arbeiten. Dabei geht es um die Stabilität von flüssigen Systemen, in denen zum Beispiel die enthaltenen Teilchen mit der Zeit nicht größer werden sollen, weil sie dann ihre gewünschten Eigenschaften verlieren. Die Doktoranden müssen regelmäßig messen, da es sonst ein Loch in der Datenreihe gibt und man sie nicht mehr verwenden kann. Es gibt auch Versuche, wo wir die Ergebnisse an Forschungspartner weiter geben müssen. Solche Forschungsarbeiten priorisieren wir im Moment.
Können Sie ein Beispiel für ein solches Projekt nennen?
Da wäre ein gemeinsames Projekt mit Kollegen aus der Technischen Chemie, der MHH und der Leibniz Universität Hannover zu nennen, das wir im Rahmen einer DFG-Forschergruppe bearbeiten. Es geht um Implantate, die über längere Zeiträume Wachstumsfaktoren freisetzen, die die Regeneration von Verletzungen fördern. Hierfür führen wir Untersuchungen zur Wirkstofffreisetzung durch, die über mehrere Wochen laufen und mit einer ziemlich aufwendigen Analytik verbunden sind. Solche Versuche kann man nicht so einfach unterbrechen, zumal die Ergebnisse dringend als Grundlage für weiterführende Arbeiten der Forschungspartner benötigt werden.
Wie haben Sie sich auf das digitale Sommersemester vorbereitet?
Da gibt es viele organisatorische Dinge, die uns umgetrieben haben und auch noch immer umtreiben. Wir haben theoretische Lehrveranstaltungen zu Online-Veranstaltungen umgestaltet. Bei Vorlesungen ist das auch gut machbar. Schwieriger wird’s natürlich, wenn es stärker interaktive Formen sind. Eine große Herausforderung ist, dass ein großer Teil des Pharmaziestudiums aus Praktika vor Ort besteht. Das wird vermutlich zum Teil sehr kreative Lösungen erfordern, aber wir sind zuversichtlich.