28. April 2022 | Magazin:

Gemeinsam Energie sparen: Das richtige Mindset Professor Martin Korte über die Macht der Gewohnheit und Teamwork beim Energieverbrauch

Den Rechner und die Beleuchtung rechtzeitig ausstellen, die Heizung runterdrehen, Stoß- statt Dauerlüften – es gibt viele Stellschrauben, um den eigenen Energieverbrauch zu reduzieren. Mindestens genauso wichtig ist aber das Bewusstmachen eigener und fremder Routinen. Professor Martin Korte, Mitglied im Energiebeirat und Direktor des Instituts für Zoologie an der TU Braunschweig, verrät im Gespräch mit Mark Winter, was das richtige Mindset zum Energiesparen ist und wieso wir dafür auf alle Kolleg*innen angewiesen sind. 

Professor Martin Korte ist Mitglied im Energiebeirat und Direktor des Instituts für Zoologie der Technischen Universität Braunschweig Bildnachweis: János Krüger/TU Braunschweig

Herr Professor Korte, Sie sind Direktor des Instituts für Zoologie. Welche Aufgaben haben Sie, wenn es um das Thema „Energie einsparen an der TU Braunschweig“ geht?

Zum einen bin ich über die Strategiekommission in den Energiebeirat der TU Braunschweig entsandt. Der Energiebeirat kümmert sich um alle Belange der Nutzer*innen, des Präsidiums und der Energieberater bezüglich des Energieverbrauchs an der TU Braunschweig – vor allem aber auch hinsichtlich der Nutzergerechtigkeit. Zum Beispiel hat jedes Institut an unserer Universität ein Energiekonto. Außerdem bin ich in dieser Funktion auch immer im Denkprozess eingebunden, wie die TU Braunschweig weiter Energie einsparen kann.

Zum anderen bin ich aber gleichzeitig auch Institutsleiter und dafür verantwortlich, dass die Verwaltung des Instituts für Zoologie ordnungsgemäß funktioniert. In dieser Rolle fühle ich mich dafür verantwortlich, wie die einzelnen Abteilungen Energie verbrauchen. Am Institut wurden unter meiner Leitung bereits neue Konzepte für nachhaltige Lösungen und Energieeinsparungen erprobt und umgesetzt. Beispielsweise wurde vor fünf Jahren die Beleuchtung auf LED-Sparlampen umgestellt, die uns auf unser Energiebudget angerechnet werden. Ein anderes Beispiel sind die Lüftungsanlagen in den Laborräumen, bei denen es nicht nur um Energieeinsparungen geht, sondern vor allem auch um Arbeitssicherheit. Hier müssen organisch-flüchtige Stoffe und manchmal sogar Giftstoffe abgesaugt werden. Aber da kann man eben überlegen, wie lange muss die Lüftung an den Abzügen dafür eingeschaltet sein. Wir haben auch mehrere Kälteräume stillgelegt. Und zusätzlich bin ich derjenige, der die Mitarbeiter*innen im Institut daran erinnert, die Rechner nicht unnötig eingeschaltet zu lassen und sie nach Arbeitsende herunterzufahren.

Muss ich mir das Energiekonto wie ein Bankkonto vorstellen, auf das man Beträge einzahlt und abhebt?

Nein, das unterscheidet sich schon ein wenig voneinander. Das Energiekonto ist ein Budget. Um dieses Budget zu bestimmen, wurde der Energiebedarf der Universitätsgebäude über den Zeitraum von zwei Jahren gemessen und daraus ein Mittelwert gebildet, wie viel Energie jedes einzelne Gebäude verbraucht. In diesem Mittelwert wurden schon einige Sparmaßnahmen berücksichtigt. Dieser Energiebedarf wurde dann in ein Budget umgerechnet, das jedem Gebäude zur Verfügung steht. In unserem Gebäude des Biozentrums sind zum Beispiel fünf Institute untergebracht. Wir wissen genau, wie viel Fläche die im Gebäude ansässigen Institut haben. Auf diese Fläche wird dann das Energiebudget für jedes einzelne Institut berechnet. Am Ende eines Jahres bekommt das Institut dann ein Feedback, wie viel Energie es verbraucht und eingespart hat. Das gibt einem im Erfolgsfall nicht nur ein gutes Gefühl, sondern auch einen finanziellen Anreiz, weil das Institut an den eingesparten Energiekosten beteiligt wird. Das können durchaus mehrere tausend Euro im Jahr sein.

Feedback ist auch wichtig für den Lernprozess. Wie bekommen Ihre Mitarbeiter*innen Feedback zu den Energieeinsparungen?

Die Mitarbeiter*innen bekommen das Feedback über das Geld, was wir für die Energiekosten einsparen. Da werden die Einsparungen transparent kommuniziert. Natürlich spielt aber nicht nur das Finanzielle eine Rolle. Wir haben den Anspruch, dass wir als Institut auch etwas für das Klima tun wollen und da sind dann natürlich auch noch CO2– und Wärmeeinsparungen wichtig. Wir verstehen Klimaschutz als Gemeinschaftsprojekt, bei dem alle ihren Beitrag leisten müssen. Nicht nur am Institut oder an der Universität, sondern national gesehen. Wenn Deutschland seinen Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens leisten möchte, dann muss jeder dabei mithelfen. Dafür nehmen wir als Institut zum Beispiel auch am Stadtradeln teil. Das wird im Energiebudget nicht berücksichtigt, spart aber auch unmittelbar Energie und CO2 ein und hat den nicht zu unterschätzenden Effekt, dass es die Gemeinschaft stärkt und das Bewusstsein für den Klimaschutz schärft.

Wo kann man als Mitarbeiter*in im Arbeitsalltag Energie einsparen?

Im Institut für Zoologie sparen wir Energie, indem Rechner und Lichter konsequent ausgeschaltet werden, wenn sie nicht in Gebrauch sind. Dann ist es so, dass wir normalerweise – unter nicht pandemischen Bedingungen – nur Stoßlüften und niemals Fenster dauerhaft geöffnet haben. Das spart viel Heizwärme. Auch die Lagerung von Arbeitsstoffen spielt eine Rolle. Ein minus 20 Grad Celsius kalter Kühlschrank verbraucht eben mehr Energie als ein plus vier Grad Celsius kalter Kühlschrank. Deswegen machen wir uns Gedanken, wo Stoffe adäquat gelagert werden können. Aber das Wesentliche bleiben Rechner und Fensteröffnungen.

Wo wird denn im Arbeitsalltag am meisten Energie verbraucht? Was sind typische „Energiefresser“?

Man irrt sich leicht. Die größten Energiefresser sind die, die man gar nicht bemerkt. Hier im Biologiezentrum ist das mit Abstand die Lüftung, die man immer als gegeben wahrnimmt. Bei der Lüftung hat die Universität in den letzten Jahren schon viel getan. Einerseits wurden Lüftungszeiten und Umsätze optimiert. Andererseits hat die TU Geld investiert und Mittel eingeworben, um hier im Biologiezentrum eine neue Lüftungsanlage zu installieren. Diese spart mehrere hunderttausend Euro an Strom ein.

Welche spezifischen Energieverbraucher gibt es darüber hinaus bei Ihnen im Institut?

Das sind vor allem Laser für Mikroskope, die gekühlt werden müssen. Außerdem sind es Räume, die gekühlt werden müssen, weil Substanzen und Lösungen im Arbeitsprozess nicht zu warm werden dürfen. Diese Laser und Klimaanlagen sind es hauptsächlich, die bei uns einen hohen Energieumsatz haben.

Was ist das richtige Mindset zum Energie einsparen? Muss ich sofort ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mal das Fenster auf Kipp stelle?

Das ist genau die Gratwanderung. Ich glaube, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, darüber nachzudenken, wo verbrauche ich persönlich Energie. Ein klassisches Beispiel ist etwa der Arbeitsweg. Normalerweise würde man doch sagen, dass bei normalen Temperaturbedingungen ein Arbeitsweg von bis zu fünf Kilometern ohne Probleme mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden kann. Da geht es darum, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Den größten Gemeinschaftseffekt hat man aber, wenn man Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen an ihre Gewohnheiten erinnert. Wenn ein Kollege zum Beispiel immer den PC einschaltet und sich dann erstmal Kaffee kocht und erst zehn Minuten später mit der Arbeit beginnt, dann sollte man ihn auf diese Gewohnheit aufmerksam machen.

Wir brauchen dabei aber auch keine Besserwisser. Energiesparen ist immer eine Gratwanderung und ein Abwägen von Kosten und Nutzen. Es ist schwer zu hinterfragen, wann wer wie Energie verbraucht. Nicht jeder Flug ist etwa allein unter dem Gesichtspunkt der Umweltschädlichkeit zu betrachten. Unsere Universität will sich beispielsweise internationaler aufstellen und ein HUB in Singapur eröffnen. Da ist es unumgänglich, dass Menschen dahinfliegen. An dieser Stelle den Zeigefinger zu erheben, wäre unangebracht. Auf der anderen Seite haben wir auch innereuropäische Flüge, zum Beispiel nach Paris. Muss man da unbedingt fliegen oder kann man da nicht auch per Schnellzug hinreisen? Da muss man zwischen Zeitersparnis und CO2-Verbrauch abwägen. Wir müssen hier aufeinander achtgeben und höflich Gewohnheiten anderer Menschen, Abteilungen und Institute hinterfragen, ohne dabei den Besserwisser zu spielen. Es ist immer ganz schwierig, sich in die spezifische Situation hineinzuversetzen. Als Grundannahme sollte gelten, dass niemand mutwillig Energie verschwendet. Zwischen mutwillig und unbedacht ist ein Unterschied. Gewohnheiten und Routinen laufen unbewusst und diese muss man sich ins Bewusstsein holen – gerade wenn es um den eigenen Energieverbrauch geht.

Warum sollten wir gerade jetzt über unseren Energieverbrauch nachdenken?

Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine Grund ist das Pariser Klimaabkommen mit seinem 1,5 Grad-Ziel. Um das Ziel zu erreichen, sind alle Privatpersonen aufgefordert sind, für sich selbst zu prüfen, wo man CO2 sparen kann. Es reicht nicht, auf dem Status Quo stehen zu bleiben und zu denken, man verbrauche schon das Minimum an CO2. Dann werden wir das 1,5 Grad-Ziel verfehlen. Der zweite Aspekt ist der Russland-Ukraine-Konflikt. Auch unsere Universität wird sich hier enormen Herausforderungen gegenübersehen, weil die Strom- und Energiepreise massiv steigen werden und das Land Niedersachsen selbst dies nicht kompensiert. Das heißt, wir haben ein Budget als TU Braunschweig und wie viel Energie wir verbrauchen, liegt in unserer eigenen Verantwortung. Da ist es anders als bei Gehaltssteigerungen zum Beispiel. Diese kompensiert das Land. Tarifsteigerungen bei Energiepreisen hingegen sind alleine das Problem unserer Universität. Wenn wir weiter finanziell handlungsfähig sein wollen, müssen wir Energie einsparen.

Das ist kein theoretisches Problem. Jede*r Mitarbeiter*in ist aufgefordert zu überlegen, wo Energie eingespart werden kann. Das kann ein halbes Grad bei der Heizungswärme sein, oder auch, dass man Geräte später anschaltet. Man wird sich auch Gedanken machen müssen, ob etwa die Winterpause verlängert werden kann, um hier Heizkosten zu sparen. Ich werfe hier ein paar Ideen in den Ring. Aber genau dazu sind auch alle Angestellten der TU aufgefordert. Per Mail (energiesparen@tu-braunschweig.de ) kann jede*r Vorschläge einreichen und diese werden dann redaktionell aufbereitet auf einer eigenen Website veröffentlicht. Auch Best Practice-Beispiele sind hier willkommen. Wenn es also beispielsweise eine Konferenz gibt, bei der Teilnehmende dafür prämiert werden, wenn sie mit dem Zug und nicht mit dem Flugzeug anreisen, dann kann diese Konferenz eingereicht werden. Außerdem muss beständig an energiesparendes Verhalten auf verschiedensten Kommunikationswegen erinnert werden. Denn nochmal: Wir können und dürfen uns nicht zurücklehnen! Steigende Energiepreise bedeuten für die TU Braunschweig unter Umständen Millionen Euro an Mehrkosten, die nicht für andere Vorhaben verwendet werden können.

Welche kurzfristig umsetzbaren und einfachen Tipps zum sofortigen Energie einsparen haben Sie für alle Mitarbeiter*innen?

Also erstmal das Bewusstmachen eigener Gewohnheiten und das Überdenken, wie ich diese Gewohnheiten hin zum energiesparenden Verhalten verändern kann. Aber auch das Erkennen der Routinen der Kolleg*innen und sie freundlich darauf aufmerksam machen, hilft. Es fällt oftmals schwer sich über eigene Routinen klar zu werden, da diese eben unbewusst ablaufen. Da brauchen wir dann die Unterstützung anderer Menschen. Außerdem bietet sich ein Abteilungs-/Institutsinternes Brainstorming darüber an, wo Energie eingespart werden kann. Hier kann es dann unter anderem um Aspekte der Raumnutzung gehen. Werden Räume tatsächlich genutzt oder stehen diese die meiste Zeit leer? Können diese Räume im letzteren Fall nicht auch mit anderen Abteilungen geteilt werden? Hier gibt es vielfältige Ansatzpunkte, wo Energie eingespart werden kann.

Energiesparen geht also nur gemeinsam?

Genau. In jedem Fall brauchen wir beides – wir müssen uns selber und gleichzeitig andere beobachten und das am besten, ohne dabei in ein Besserwissertum zu verfallen.

Vielen Dank für das Interview.