Forschungsprojekt Klimawandel und früher Mensch startet VolkswagenStiftung fördert Forschungsverbund mit 1,6 Mio. Euro
Mit dem Projekt „Klimawandel und früher Mensch“ will ein Verbund landesweiter Forschungskompetenzen von Universitäten und Instituten neue Erkenntnisse gewinnen. Das Verbundprojekt wird vom Land Niedersachsen und der VolkswagenStiftung mit dem »SPRUNG«, dem ehemaligen „Niedersächsisches Vorab“, gefördert. Von der Technischen Universität Braunschweig ist das Team um Professorin Antje Schwalb vom Institut Geosysteme und Bioindikation beteiligt.
Kulturerbe als Archiv der letzten 300.000 Jahre
Das Land Niedersachsen verfügt über ein besonderes Kulturerbe aus der Eiszeit. Die Fundstellen Schöningen im Landkreis Helmstedt und Lehringen im Landkreis Verden haben die ältesten erhaltenen, hölzernen Jagdwaffen der Menschheit hervorgebracht. Aus der Einhornhöhle im Harz wurde im letzten Sommer ein über 50.000 Jahre alter verzierter Knochen vorgestellt, der einen entscheidenden Baustein zum Verständnis der kulturellen Fähigkeiten des Neandertalers liefert.
Diese international bedeutenden Fundstellen sind zugleich hervorragende Archive, die Einblicke in die Klima- und Umweltbedingungen verschiedener Zeitfenster während der letzten 300.000 Jahre ermöglichen. Forscher*innen der Universitäten Braunschweig, Göttingen, Hannover und Lüneburg sowie aus dem Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung in Wilhelmshaven, dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover haben sich zusammengeschlossen, um diese Quellen mit modernsten Methoden konsequent zu erschließen und zu analysieren.
Besseren Verständnis des natürlichen Klimawandels
Dazu werden hochauflösende geophysikalische Messungen, Bohrungen und Ausgrabungen an verschiedenen Fundstellen in Niedersachsen durchgeführt und die geologischen Strukturen anschließend unter anderem mithilfe der Geophysik zeitlich auf ihre Alter bestimmt und ausgewertet. Für die ausgewählten Zeitabschnitte werden so die Umweltbedingungen in bislang nicht gekannter Auflösung – unter anderem mit Hilfe von Lumineszenz-Datierungen, alter DNA, Pollen und Resten von Mückenlarven – rekonstruiert. Die so gewonnenen Daten werden zusammen mit Klimamodellierungen zu einem deutlich besseren Verständnis des natürlichen Klimawandels insbesondere während früherer Warmzeiten beitragen. Zugleich soll geklärt werden, wann und unter welchen Klimabedingungen der frühe Mensch in Norddeutschland (über)leben konnte.
Braunschweiger Team untersucht DNA früher Menschen
Von den insgesamt 1,6 Millionen Euro für drei Jahre gehen über 437.000 Euro der Fördersumme an das Institut für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig. Unter anderem soll die Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon GmbH im Bereich Klimamodellierung dadurch gestärkt werden. Dr. Katharina Dulias, Institut für Geosysteme und Bioindikation, wird mit dem interdisziplinären Ansatz der Paläogenetik alte DNA aus See- und Höhlensedimenten nutzen, um die terrestrische Vegetation und die aquatische Biodiversität zu rekonstruieren. Alte DNA und Proteinanalyse werden zum Beispiel genutzt, um auch kleine und bruchstückhafte Knochenfunde der Einhornhöhle in die Analyse der Fauna einordnen zu können. Zusätzlich soll alte DNA früher Menschen direkt aus den Sedimentschichten und die aquatische Biodiversität untersucht werden. Diese Methode ergänzt den Einsatz von aquatischen Mikrofossilien, wie zum Beispiel Ostrakoden (Muschelkrebse), Chironomiden (Zuckmücken) und Diatomeen (Kieselalgen). Diese Bioindikatoren ermöglichen es, Hydrologie, Temperatur, Wassertiefe, Belastung mit den Pflanzennährstoffen und Salzgehalt eines Gewässers in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Die Kombination aus unterschiedlichen Methoden soll es ermöglichen, ein viel genaueres Verständnis der Vergangenheit zu bekommen, da sich die angewandten Methoden ergänzen und jeweils individuelle Daten zu einem Gesamtbild beitragen.
Braunschweiger methodische Ansätze ermöglichen neue Ergebnisse
Professorin Antje Schwalb, Instituts Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig, und Leiterin eines Teilprojekts begrüßt, dass die niedersächsischen an der Schnittstelle Mensch-Umwelt-Klima tätigen Forscher*innen diese zusätzliche Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre aus Mitteln des SPRUNG erhalten. „Die Hervorhebung der Rolle der in Braunschweig gewählten methodischen Ansätze, die von den Gutachtenden hervorgehoben wurde, freut mich ganz besonders.“
„Eine enge Verzahnung von Natur- und Geisteswissenschaften mit den Kultureinrichtungen des Landes bietet enorme Chancen für alle Kooperationspartner“, so Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler. »Mit den weltweit einzigartigen Sensationsfunden aus Schöningen hat die archäologische Denkmalpflege der Forschung Objekte geliefert, die bahnbrechende Erkenntnisse über die Frühgeschichte der Menschheit ermöglichen.“
Das Verbundprojekt wird das außergewöhnliche Kulturerbe der Eiszeit aus Niedersachsen für die Wissenschaft und die breite Öffentlichkeit sichtbar machen. Über die Ergebnisse der Arbeiten wird neben den Fachzeitschriften auch im Denkmalatlas Niedersachsen und im Forschungsmuseum Schöningen berichtet.