29. Februar 2024 | Magazin:

Fokus 2024: Rassismuskritische Universität Gemeinsam für eine rassismusärmere Hochschule

Was versteht man genau unter Rassismus und was hat das eigentlich mit mir zu tun? Tritt Rassismus auch an der TU Braunschweig auf? Und was ist der Unterschied zwischen Antirassismus und Rassismuskritik? Nach den beiden Fokusjahren an der TU Braunschweig First Generation Students (2022) und queer@TU (2023) steht die „Rassismuskritische Universität“ ein Jahr lang im Fokus. Mit dem Fokusjahr soll ein starkes Zeichen für Diversität und gegen Rassismus gesetzt werden. Dazu haben wir mit Jana Szeimies gesprochen, der Referentin der Koordinierungsstelle Diversity in der Stabsstelle Chancengleichheit.

Jana Szeimies, Referentin der Koordinierungsstelle Diversity in der Stabsstelle Chancengleichheit. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Warum wurde dieses Jahr Antirassismus als Fokus gewählt und warum ist es für eine Hochschule so wichtig, sich mit dem Thema zu befassen?

Hochschulen gelten gemeinhin als Orte der Aufklärung und interkulturellen Offenheit. Aber Rassismus macht auch vor Universitäten nicht halt. Denn Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das auch im Hochschulkontext strukturell verankert ist.

Der Rassismusmonitor 2022 zeigt, dass drei Viertel der Bevölkerung bereits mit Rassismus in Kontakt gekommen sind. Universitäten spielen eine besondere Rolle bei der Auseinandersetzung mit Rassismus, da sich dieser in die Strukturen von Universität und Wissenschaft eingeschrieben hat.

Was genau ist der Unterschied zwischen Antirassismus und Rassismuskritik? Wann nutzt man welches Wort?

Wir haben für das Fokusjahr den Begriff „Rassismuskritik“ gewählt, um klarzustellen, dass Rassismus mehr ist als Vorurteile einzelner gegenüber bestimmter Gruppen. Rassismus ist an Universitäten und in der Gesellschaft vorhanden und ist strukturell verankert. Rassismus teilt Menschen mit Verweis auf ihre Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion oder Kultur in unterschiedliche Gruppen ein. Diese historisch gewachsene Struktur ist Jahrhunderte alt und begünstigt weiße Menschen*. Struktureller Rassismus wird heute konkret zum Beispiel am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche und im gesamten Bildungssystem sichtbar.

An Hochschulen wird dies deutlich unter anderem an der Unterrepräsentanz von BIPoC* (Akronym für Black, Indigenous, and People of Color)-Lehrenden und Forschenden. Diesen strukturellen Rassismus zu verringern, ist ein langer Prozess. Deshalb ist es wichtig, dass sich Hochschulen im Diskurs über Rassismus positionieren und oft unbewusste rassistische Strukturen und Praktiken hinterfragen und diesen entgegenwirken.

Wir möchten mit dem Fokusjahr sensibilisieren und Aufklärung leisten, wie Rassismus die Gesellschaft und nicht nur einzelne Personen beeinflusst, aber auch zeigen, dass es an der TU Braunschweig Rassismus gibt. Unser Ziel ist es, unsere Universität rassismusärmer zu gestalten.

Wo findet an der TU Braunschweig Rassismus statt?

Auch an der TU Braunschweig sind Studierende und Beschäftigte von Rassismus betroffen und erleben besondere Herausforderungen und Benachteiligungen, dies zeigt sich unter anderem in meinen Beratungen. Zum Beispiel scheinen wir ein Problem mit dem N-Wort zu haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in dem Fokusjahr auch mit rassistischer Sprache auseinandersetzen, um einen sicheren Lern- und Lebensraum für Studierende und Beschäftigte gewähren zu können.

Wo liegen die Schwerpunkte im Fokusjahr?

Eindeutig auf der Aufklärungsarbeit. Unser Ziel ist es, alle TU-Angehörigen zu sensibilisieren und damit Rassismus zu verringern. Denn solange Menschen sich nicht mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen, sich nicht bewusstmachen, dass Rassismus existiert und sich damit auseinandersetzen, wie Rassismus funktioniert, ändert sich nichts.

Wir haben verschiedene Projekte und Ideen, die wir in diesem Jahr umsetzen wollen, um in den Dialog zu kommen. Zudem lassen wir uns extern von der Antirassismus-Trainerin Sabrina Rahimi begleiten. Wir wünschen uns, dass sich TU-Einrichtungen und TU-Angehörige einbringen, entweder durch Kooperationen oder gemeinsame Veranstaltungen oder durch das interne Aufgreifen des Themas, Einrichtungen können z. B. interne Workshops mit Sabrina Rahim in Anspruch nehmen und damit Dialogräume eröffnen. Außerdem wird eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek gezeigt und wir werden bei den Diversity Days und auch bei den TUmorrow Days mit dem Fokusjahr vertreten sein.

Was können wir als Universität tun und wo können sich TU Angehörige einbringen?

Für einen langfristigen Wandel ist Partizipation wichtig. Deshalb meine Bitte: Besuchen Sie die Veranstaltungen zum Fokusjahr und informieren Sie sich. Nutzen Sie das Rassismuskritische Wörterbuch, das wir in Kooperation mit der FH Kiel zur Verfügung stellen. Es bietet einfach verständliche Erklärungen zu rassistischer Sprache und Alternativen. Engagieren sie sich in Ihren Einrichtungen, um das Bewusstsein für Rassismus zu schärfen. Kontaktieren Sie uns für eine Zusammenarbeit und für zielgruppenspezifische Angebote zur Sensibilisierung.

Also gibt es sowohl Veranstaltungen für von Rassismus betroffene Personen als auch von weiß positionierten Personen?

Genau, wir haben zwei Zielgruppen im Fokus: von Rassismus betroffene Menschen und nichtbetroffene Menschen. Die betroffenen Menschen wollen wir empowern. Wir bieten ihnen Räume und möchten ihre Stimmen verstärken. Es soll nicht über Betroffenen gesprochen werden, sondern mit ihnen. Die Nichtbetroffenen möchten wir aufklären und mit ihnen in den Diskurs kommen.

An wen können sich von Rassismus betroffene Menschen wenden, wenn sie von Rassismus betroffen sind?

In Braunschweig zum Beispiel an die Antidiskriminierungsstelle der Stadt. Aber auch hier an der TU Braunschweig gibt es mehrere Stellen. Ich berate auch selbst, natürlich anonym, und leite gegebenenfalls an passende Beratungseinrichtungen weiter. Ganz neu ist der Diskriminierungsmelder des AStA. 

Welche Arten von Rassismus gibt es?

Es gibt verschiedene Arten von Rassismus, die auf verschiedenen Ebenen auftreten können. Zum einen die individuelle Ebene: Hier geht es um die direkte Kommunikation und Interaktionen von Personen, zum Beispiel in Form von E-Mails, in denen Beleidigungen oder Drohungen ausgesprochen werden, oder auch Mikroaggressionen. Darunter versteht man als übergriffige Äußerungen oder abwertende Botschaften in der alltäglichen Kommunikation, die eine andere Person bewusst oder unbewusst sendet und die sich auf deren Gruppenzugehörigkeit beziehen.

Und dann gibt es die institutionelle Ebene, hier ist Rassismus in Vorschriften, Gesetzen oder Regeln strukturell verankert, und die ideologisch-diskursive Ebene, das heißt Rassismus in Vorstellungen, Sprache, Bildern sowie die Verwendung rassistischer Sprache und Begriffe. Eine weitere Form sind gruppenspezifische Rassismusformen. Also zum Beispiel Menschen, die als muslimisch gelesen werden. Das heißt, es geht meistens nicht darum, ob sie wirklich muslimisch sind, sondern um bestehende Vorurteile und Annahmen, die über diese soziale Gruppe gemacht werden.

Meine Bitte für dieses Jahr: Bringt euch ein, setzt euch mit dem Thema Rassismus auseinander und unterstützt uns, diese Uni rassismusärmer zu gestalten.