Escape the Matrix Eingeschlossen im Mathe-Rätsel-Raum des Instituts für Analysis und Algebra
Eingesperrt in einem Raum und 60 Minuten Zeit, um die Welt vor ihrem Untergang zu retten, Gold aus einer Bank zu stehlen oder einen Mord aufzudecken. Das ist die Welt der Live Escape Rooms. Die meisten der Detektivspiele für Erwachsene dienen der reinen Unterhaltung. Doch inzwischen haben Escape Games im Schulunterricht Einzug gehalten. Und auch an Universitäten werden die Möglichkeiten von Live Escape Rooms in der Lehre getestet – zum Beispiel im Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig.
Genau 30 Minuten bleiben Ida Oertel, Georg Glebe und Mathis Haase. Eine halbe Stunde, um alle Rätsel in Raum 518 zu lösen. Die Physik-Studierenden sind etwas aufgeregt, wissen nicht so richtig, was sie bei „Escape the Matrix“ erwartet. „Matrixinvasion“ ist die erste Gruppe, die sich an diesem Morgen im Seminarraum des Instituts für Analysis und Algebra einschließen lässt. Acht weitere Teams mit Namen wie „Endormorpheustische Einhörner“, „Die drei Versagezeichen“, „Die Algebros ft. Herr C.“ oder „Die Freunde des chinesischen Restsatzes“ werden bis zum späten Nachmittag folgen.
Der Countdown läuft
Und das ist ihre Geschichte: Noch bis spät in die Nacht haben die Studierenden für ihre Lineare Algebra-Klausur gelernt und sind dabei eingeschlafen. Der Pförtner hat die Tür verschlossen, die sich nicht von innen öffnen lässt. Die Klausur startet in einer halben Stunde. Können sich die Studierenden rechtzeitig aus dem Raum befreien, um ihre Klausur mitschreiben zu können?
Das Team „Matrixinvasion“ beginnt nach dem ersten Hinweis zu suchen. Die Physik-Studierenden betrachten die beiden Folien mit Aufgaben an der Wand, suchen wieder nach anderen Rätseln und schauen sich schließlich etwas ratlos an. Auf einem Bildschirm läuft inzwischen ein Countdown.
Rätsel zu Linearer Algebra
Professor Dirk Lorenz sieht auf seine Uhr: Die ersten drei Minuten sind um. Er sitzt in einem Nachbarraum und beobachtet über eine Kamera, wie die Studierenden versuchen, die Aufgaben zu knacken. Gemeinsam mit Dr. Birgit Komander hat er „Escape the Matrix“ organisiert, Mathe-Aufgaben entworfen, Schatzkisten präpariert, einen Werkzeugkasten und Schlösser mitgebracht, Mathebücher platziert. Über ein Mikrofon und den Monitor im Raum können die beiden ins Spiel eingreifen und Tipps geben.
Das Mathe-Escape-Game ist keine Prüfung, fällt aber in die Zeit der mündlichen Examen am Institut. „Neben dem Spaß kann es ein Lernanreiz für die Studierenden sein“, sagt der Professor für angewandte Analysis. Den Stoff von zwei Semestern Lineare Algebra sollten die Mitspielerinnen und –spieler beherrschen.
Ohne dieses Wissen würden sie bereits an den ersten beiden Rätseln scheitern, die Dirk Lorenz und Birgit Komander auf Whiteboardfolien geschrieben und an die Wand gehängt haben: Aufgaben zum Minimalpolynom und zur Projektion. Von dort aus gilt es, den beiden Rätsel-Pfaden zu folgen, die zu einer weißen Metallkiste führen. Darin ist der begehrte Türöffner verborgen – abgeschlossen mit einem roten und einem pinken Zahlenschloss.
Rechnen und Knobeln
Nach zehn Minuten hat das Team „Matrixinvasion“ noch kein Quizz gelöst. Dann endlich der erste Code: 313. Auch Birgit Komander und Dirk Lorenz sind erleichtert und freuen sich, dass nun der Werkzeugkasten geöffnet wird. Whiteboardmarker und ein Maßband kommen zum Vorschein. Wichtige Werkzeuge, um sich zum nächsten Rätsel vorzuarbeiten.
Der Monitor im Raum 518 hat sich inzwischen gelb verfärbt, die Hälfte der Zeit ist um. Wenn Ida Oertel, Georg Glebe und Mathis Haase pünktlich zu ihrer fiktiven Klausur erscheinen wollen, müssen sie sich jetzt beeilen. Nach 25 Minuten haben sie immer noch drei von sechs Rätseln vor sich. Am Ende färbt sich der Bildschirm dunkelrot: „Die Zeit ist um!“ Eine Verlierer-Melodie tönt durch den Seminarraum. Dirk Lorenz und Birgit Komander öffnen das Zimmer, in dem die Gruppe noch schnell weiterrechnet. Das dreiköpfige Team ist ziemlich ins Schwitzen gekommen. „Das hat aber nicht an den Mathe-Aufgaben gelegen“, betont Mathis Haase. „Die konnten wir alle.“ Schwierig fand das Team eher die Knobelei. Denn das ist beim Escape Game gefragt: Teamwork, logisches Denken und Kombinationsgabe. Manche fanden den versteckten Schlüssel auf dem Whiteboard nicht. Andere haben Lösungen gefunden, die sie erst später benötigten, aber diese später nicht benutzt.
Mehr Zeit und mehr Mathe
„Die Idee ist jedenfalls cool“, sagt Ida Oertel. „Es hat Spaß gemacht. Und das Studium sollte auch mit Spaß zu tun haben“, ergänzt Mathis Haase. Darum geht es auch Dirk Lorenz. „Escape the Matrix“ soll vor allem unterhalten und motivieren. „Die Aufgaben sind mathematisch anspruchsvoll“, sagt er. „Aber man muss auch herumrätseln, wie manche Gegenstände miteinander zusammenhängen.“ Daran sind die meisten Teams bei diesem ersten Escape-Room-Durchgang gescheitert. Für Dirk Lorenz und Birgit Komander war es dennoch ein gelungener Test. „Wir können uns vorstellen, den Escape Room auch für eine größere Gruppe anzubieten“, so Professor Lorenz. Mehr als 1.000 Studierende lernen jedes Jahr Lineare Algebra in verschiedenen Vorlesungen an der TU Braunschweig.
Beim nächsten Mal werden die Escape-Room-Spielerinnen und -Spieler jedoch mehr Zeit erhalten. „45 Minuten sind realistischer“, hat Dirk Lorenz festgestellt. Und es soll weniger Ablenkungen im Raum geben. „Der Fokus wird dann noch mehr auf den Mathe-Aufgaben liegen.“