„Englischsprachige Lehre hat viele Facetten, die für die TU Braunschweig enorm wichtig sind“ TU-Präsidentin Angela Ittel und StuPa-Präsidentin Sabrina Ammann im Interview
Mit neuen englischsprachigen Studienangeboten, einem neuen Online-Tool zur verbesserten Auffindbarkeit von englischsprachigen Lehrveranstaltungen und einem Online-Symposium zum Thema Internationale Lehre startete die TU Braunschweig in das Wintersemester 2021/22. Das Thema mehrsprachige Lehre ist präsenter denn je an der Universität. Grund genug, um mit der Präsidentin der TU Braunschweig, Professorin Angela Ittel, und Sabrina Ammann, Präsidentin des Studierendenparlaments (StuPa) über den Status Quo zu sprechen und einen Blick in die Zukunft zu wagen.
Welche eigenen Erfahrungen haben Sie in Ihrer Studienzeit mit englischsprachiger Lehre gemacht?
Prof. Angela Ittel:
„Ich habe mein gesamtes Studium in den USA absolviert und habe dort anschließend auch promoviert. Für mich war es dann erstmal eine Umstellung auf Deutsch zu lehren, als ich nach Deutschland zurückgekehrt bin. Aber die Erfahrungen, die ich in den USA gemacht habe, habe ich natürlich zuerst als Lehrende und später als Vizepräsidentin der TU Berlin eingebracht und möchte nun auch hier an der TU Braunschweig Impulse setzen.“
Sabrina Ammann:
„Ich studiere Mathematik an der TU Braunschweig und habe vor allem aufgrund meiner ‚Spezialisierung‘ in meinem Studiengang bisher leider noch nicht so viele Erfahrungen mit englischsprachiger Lehre gemacht. Denn mittlerweile gibt es schon einige Lehrveranstaltungen auf Englisch, auch durch den neuen Studiengang Data Science. Ich höre ergänzend zu meinem Studium viele Fachvorträge auf Englisch und habe auch schon einige Exkursionen ins europäische Ausland organisiert, bei denen man natürlich Englisch spricht.“
Welche Rolle spielt das Thema englischsprachige Lehre heutzutage für eine Universität wie die TU Braunschweig?
Prof. Angela Ittel:
„Englischsprachige Lehre hat viele verschiedene Facetten, die für die TU Braunschweig extrem wichtig sind: Zum Einen können wir mit ihr einer größeren Anzahl an Studierenden ein attraktives Lehrangebot bieten. Ein Ziel ist es auch, attraktiver für internationale Studierende zu werden. Aber auch für deutsche Studierende ist die englischsprachige Lehre wichtig, denn wir wollen eine globale Ausbildung ermöglichen, damit sie später auf dem Arbeitsmarkt sicher in Englisch als Fachsprache sind. Auch für Austauschmöglichkeiten spielen englischsprachige Lehrveranstaltungen eine wichtige Rolle, denn wenn Studierende aus dem Ausland für ein Semester nach Deutschland kommen, bringen sie oft nur geringe Deutschkenntnisse mit und möchten so viel wie möglich auf Englisch studieren. Mit einem guten Angebot an englischsprachiger Lehre können wir viele Ziele auf einmal bedienen.“
Sabrina Ammann:
„Ein gutes Beispiel sind skandinavische Universitäten. Wenn man dort beispielsweise ein Erasmus-Semester verbringen möchte, ist es gar kein Problem, Lehrveranstaltungen auf Englisch zu belegen, sodass man auch während des Auslandssemesters ausreichend Credits erhalten kann.“
Prof. Angela Ittel:
„Richtig. Und insbesondere um die zahlreichen Austauschmöglichkeiten für unsere Studierenden zu erhalten und auszuweiten ist es wichtig, dass wir unser englischsprachiges Lehrangebot ausweiten. Darüber hinaus fände ich es auch toll, wenn noch mehr Lehrende und Mitarbeitende die Möglichkeit nutzen würden, beispielsweise mit dem Erasmus Staff Programm, Auslandserfahrungen zu sammeln.“
Wie ist in der Studierendenschaft die Meinung zum Thema englischsprachige Lehre?
Sabrina Ammann:
„Mein Eindruck ist, dass die Studierenden mehr Erfahrungen mit englischer Lehre sammeln möchten und dem Thema sehr offen gegenüber stehen, insbesondere trifft das auf die Studierenden in den höheren Semestern zu. Bei den Bachelorstudierenden, die gerade am Anfang ihres Studiums stehen, liegt der Fokus natürlich zunächst einmal darauf, sich dem eigenen Fachthema zu nähern, Fachbegriffe zu verstehen und das wissenschaftliche Arbeiten zu lernen. Das möchten viele derzeit noch in ihrer Muttersprache. Das Lernen auf der Fremdsprache wird dann für die meisten Studierenden eher gegen Ende des Bachelorstudiums oder im Master relevant.“
Kritiker der englischsprachigen Lehre bemängeln häufig, dass Deutsch als Wissenschaftssprache verdrängt wird, wenn an Universitäten verstärkt auf Englisch unterrichtet wird. Was entgegnen Sie ihnen?
Sabrina Ammann:
„Aus meiner Sicht ist der Forschungsmarkt bereits jetzt schon nicht von der deutschen, sondern von der englischen Sprache geprägt. Ich finde es deshalb schwierig zu argumentieren, dass die englische Sprache Deutsch als Wissenschaftssprache verdrängt, wenn Deutsch eigentlich in den meisten Forschungsbereichen nie wirkliche DIE Wissenschaftssprache war. Deshalb teile ich diese Bedenken gegen englischsprachige Lehre nicht.“
Prof. Angela Ittel:
„Ich möchte hier noch ergänzen, dass wir natürlich nicht nur für die Forschung, sondern auch für den internationalen Arbeitsmarkt ausbilden. Unsere Studierenden sollen die Möglichkeit haben, später auch in anderen Ländern oder in internationalen Teams in Deutschland zu arbeiten und wichtige Instrumente des internationalen Austauschs kennenzulernen. Das ist aus meiner Sicht extrem wichtig in der Ausbildung von Studierenden. Deshalb wünsche ich mir auch, dass wir noch viel mehr internationale Lehrende an die TU Braunschweig holen können, um die Vermittlung einer anderen Lehrperspektive zu stärken. Das erweitert den Horizont und ist aus meiner Sicht eine absolut notwendige Kompetenz der Zukunft.“
Wie ist der derzeitige Stand an der TU Braunschweig, was das Thema englische Lehre betrifft?
Prof. Angela Ittel:
„Wir fangen nicht bei Null an, das ist mir wichtig zu betonen. Als ich mein Amt an der TU Braunschweig angetreten habe, habe ich mich sehr gefreut zu sehen, dass hier so viele Initiativen in der Pipeline stecken, um das englischsprachige Lehrangebot auszuweiten. Ich denke auch, dass der Generationswechsel bei den Lehrenden dazu führt, dass wir in Zukunft viel mehr englischsprachige Lehre anbieten können.“
Welche Bedeutung hat englischsprachige Lehre für den gesamten Internationalisierungsprozess der Universität?
Prof. Angela Ittel:
„Uns allen muss klar sein, dass wir uns immer in einem Wettkampf mit anderen Universitäten befinden – um die besten Studierenden, Forschenden und Mitarbeitenden. Diesen Wettkampf werden wir verlieren, wenn wir das englischsprachige Lehrangebot nicht ausbauen. Außerdem ist klar: Die TU Braunschweig muss international sichtbarer werden und ein internationales Lehrangebot trägt dazu enorm bei.“
Wie unterstützt die TU Braunschweig deutschsprachige Lehrende und Studierende, die auf Englisch lehren oder studieren möchten?
Sabrina Ammann:
„Ich kann allen Studierenden nur empfehlen, beispielsweise am Sprachenzentrum fachspezifische Englischkurse zu belegen. Aber auch die vielen interkulturellen Angebote an der Universität wie das Tandemprogramm oder Buddy-Programme für internationale Studierende helfen dabei, die eigenen Englischkenntnisse zu verbessern. Das sollte man nutzen. Denn so fällt sowohl der Einstieg in die englischsprachigen Vorlesungen und ins Auslandssemester als auch das Halten von Vorträgen auf Englisch leichter.“
Prof. Angela Ittel:
„Für Lehrende, die englischsprachige Lehrveranstaltungen anbieten möchten oder Module oder ganze Studiengänge auf Englisch entwickeln möchten, gibt es außerdem am Projekthaus ein großes Unterstützungsangebot. Auch für die Übersetzung von Lehrmaterialien gibt es dort Support. Noch sehr neu ist auch das Englisch-Coaching-Programm im International House, das Studierende und Lehrende beim Präsentieren und Unterrichten auf Englisch unterstützt. Außerdem werden wir voraussichtlich im zweiten Quartal 2022 einen zentralen Übersetzungsservice im International House einrichten.“
Wie sehen die nächsten Schritte und Ziele aus?
Prof. Angela Ittel:
„Als erste Universität in Deutschland werden wir unseren Internationalisierungsprozess in diesem Jahr von der Hochschulrektorenkonferenz im Rahmen des Re-Audits² einer erneuten Prüfung unterziehen, um Handlungsempfehlungen und Potenziale aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang wird die englischsprachige Lehre ganz sicher eine wichtige Rolle spielen. Außerdem möchte ich das Thema sehr systematisch angehen und Zielzahlen erarbeiten, die zukünftig den Anteil der englischsprachigen Lehre an der TU Braunschweig genau definieren. Perspektivisch soll es deshalb an jeder Fakultät mindestens einen englischsprachigen Masterstudiengang und im Optimalfall auch einen Bachelorstudiengang geben. Damit wären wir solide aufgestellt.“
Wie stellen Sie sich die Lehre an der TU Braunschweig im Jahr 2030 vor?
Sabrina Ammann:
„Da eine Vorhersage zu treffen, fällt mir ein bisschen schwer. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Lehre im Jahr 2030 stärker hybrid ausgerichtet sein wird und es dann normaler ist, im Studium Englisch miteinander zu sprechen.“
Prof. Angela Ittel:
„Dem stimme ich zu. Die Digitalisierung der Lehre ist auch für ihre Internationalisierung extrem wichtig, deshalb müssen wir uns bis 2030 in diesem Bereich weiterentwickeln. Ich stelle mir auch vor, dass wir bis dahin eine deutliche Steigerung im englischsprachigen Lehrangebot erreicht haben. Auch über die Lehre hinaus glaube ich, dass im Jahr 2030 die Integration des Themas Internationalisierung in alle Bereiche der Hochschule erfolgreich umgesetzt und dass der Mindshift hin zu einer globalen Universität erfolgt ist.“
Das Interview führte Henrike Hoy (International House, TU Braunschweig).