9. Juni 2023 | Magazin:

Ein Ökosystem wird sichtbar Interdisziplinäres Projekt zeigt Biodiversität im Innenhof des Biozentrums

Umgeben von jeder Menge Ziegelmauern lauert eine ökologische Nische im urbanen Bereich. Im Innenhof des Biozentrums der Technischen Universität Braunschweig hat sich in den letzten Jahren ein spannendes Ökosystem entwickelt. Wo früher Fließwasserversuche stattfanden, sind jetzt Wundklee, Kronwicke und ca. 25 verschiedene Bienenarten zuhause. Lucas Well, Doktorand am Institut für Genetik, hat gemeinsam mit zehn Studierenden im Rahmen des Service Learning-Projekts „Das Biotop sichtbar machen“ ein Hinweisschild entwickelt, das nun auf diesen Rückzugsort für Flora- und Fauna hinweist.

Lucas Well, Lia Ditzhuyzen, Tabea Spengler, Lena Buchmann und Klara Knoblauch (v.l.n.r.) sind ein Teil des Projektteams „Das Biotop sichtbar machen“. Bildnachweis: Mark Winter/TU Braunschweig

Zwischen roten Ziegelmauern und Resten ehemaliger Teiche blüht und summt es, wo man nur hinschaut. Auf einer scheinbar verwilderten Fläche im Innenhof des Biozentrums hat eine erstaunliche Biodiversität ihren Rückzugsort gefunden. Für die Entstehung des Ökosystems sind mehrere Faktoren verantwortlich: Zum einen wurden im Innenhof des Biozentrums hin und wieder Blumenmischungen ausgesät und teilweise von Exkursionen mitgebrachte Pflanzen angepflanzt, von denen einige die Fläche erobern konnten. Zum anderen schafft die extensive Pflege durch jährlich einmaliges Abmähen Platz für immer neue Pflanzen. Eine konzeptionierte Gestaltung der Fläche, beispielsweise als parkähnliche Anlage, wurde dabei nie vorgenommen. Außerdem dienen ein Wasserbecken und ein zugewachsener Teich Insekten als Wasserquelle, um im sonst trockenen Innenhof zu überleben.

Diese idealen Grundlagen haben viele biologisch-wertvolle Pflanzen genutzt, um sich hier anzusiedeln. Auf dem nährstoffarmen Trockenrasen lassen sich im Biotop Borretschgewächse, Heilpflanzen, wie beispielsweise Oregano oder Wundklee, und regional nicht heimische Pflanzen, wie etwa Kronwicken finden. Mit dem Pflanzenreichtum geht auch eine Vielfalt an dort lebenden Insekten einher. Pflanzen und bestäubende Insekten sind nämlich teilweise fest miteinander assoziiert. „Es gibt Bienen, die nur zu einer bestimmten Pflanze fliegen. Das Vorkommen dieser Pflanzen in dem Ökosystem schafft auch für spezialisierte Bienenarten eine Insel in der Stadt. Allein hier in dem Ökosystem hat ein Experte so 25 verschiedene Bienenarten gezählt“, erklärt Lucas Well, Doktorand am Institut für Genetik und Initiator des Projekts „Das Biotop sichtbar machen“.

Akzeptanz durch Sichtbarkeit

Um diese biologische Vielfalt im Innenhof des Biozentrums stärker als schützenswerten Raum in den Fokus zu rücken, hat Lucas Well im vergangenen Wintersemester eine Service Learning-Lehrveranstaltung angeboten. Ziel dieser Lehrveranstaltung war die Erstellung eines Informationsschildes, das auf die Besonderheiten des Biotops hinweist. „Auch räumlich begrenzte, innerstädtische Areale können wertvolle Beiträge zur Erhaltung der bedrohten Artenvielfalt liefern. Diese Räume müssen allerdings sichtbarer werden, damit sie als wertvoll statt verwildert wahrgenommen werden“, wünscht sich Well.

Zehn Bachelor- und Masterstudierende aus den Studiengängen Biologie, Biotechnologie und Geoökologie haben an dem Projekt „Das Biotop sichtbar machen“ mitgearbeitet. Über ein Semester haben sie sich mit großem Engagement gemeinsam Wissen zur Flora- und Fauna des Biotops erarbeitet, haben Expert*innen eingeladen und schließlich die Hinweistafel entworfen. Die Lehrveranstaltung erweiterte dabei nicht nur die methodische und inhaltliche Expertise der Studierenden, sondern es ist auch eine konkrete Handlungsempfehlung für die Planung urbaner Räume entstanden, um gezielt auf kleineren Flächen Ökosysteme zu ermöglichen und bestehende Systeme durch Hinweisschilder sichtbarer zu machen.

Das im Projekt entworfene Schild ist aus wetter- und sonnenfestem Material, sodass es auch in einigen Jahren noch Informationen über das Biotop bieten kann. Außerdem wurden die erhobenen Daten zur Artenvielfalt tabellarisch gespeichert und per QR-Code auf der Schautafel zugänglich gemacht, damit diese für weitere Untersuchungen und Aktualisierungen zur Verfügung stehen.

Lernen durch Engagement

Geplant und durchgeführt wurde das Projekt „Das Biotop sichtbar machen“ im Rahmen des seit Oktober 2022 SQM-geförderten Lehr-Lern-Formats Service Learning mit der Sandkasten-Plattform. Das Team Wissenstransfer des Transfer- und Kooperationshauses stellt für Service Learning-Lehrveranstaltungen Unterstützungsangebote bereit, die darauf abzielen, Lernen durch Engagement zu ermöglichen. „Service Learning“ ist ein Teilprojekt des Paketantrags „tu4society – Stärkung der Transfer- und Kooperationskompetenz in Studium und Lehre“, das Studierende langfristig und nachhaltig dazu befähigen soll, das im Studium erworbene Wissen auf reale soziale Herausforderungen und Problemstellungen anzuwenden und mit innovativen Ideen zu deren Lösung beizutragen.