Ein Erasmus+ Abenteuer auf zwei Rädern TU-Studentin Wiebke Hoffmann reiste nachhaltig ins Auslandssemester nach Norwegen und zurück
„Sieben Platten hatte ich auf der Rückfahrt. Und ich war selbst schuld, weil ich zu geizig war, um mir im teuren Norwegen noch einen neuen Mantel für die Rückfahrt zu besorgen.“ Lachend blickt Wiebke Hoffmann auf ihre etwas holprige Rückreise aus dem Austauschstudium in Trondheim zurück. Inzwischen ist die Biologie- und Chemieingenieurwissenschaftenstudentin wieder in Braunschweig angekommen und kann über die Pannenreihe bei ihrer insgesamt 2.550 Kilometer langen Radtour nur schmunzeln.
Ein Abschied in Etappen
Im Wintersemester 2022/23 und im Sommersemester 2023 studierte Hoffmann an der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim (NTNU). Die Studentin ist Outdoor-Fan und musste deshalb beim Zielland für das Auslandsstudium nicht lange überlegen: Skandinavien sollte es werden. Die kühlen Temperaturen und die vielen Outdooraktivitäten waren genau das Richtige. Direkt nach der Abgabe der Bachelorarbeit ging es los – mit dem Rad, denn Hoffmann ist passionierte Radfahrerin und kommt aus einer Zweirad-begeisterten Familie. Umso schöner war es für sie, dass ihre Geschwister und Eltern sie auf der Anreise ein Stück begleiteten. „So konnte ich auf unserer Tour auf dem Eurovelo 3 in Dänemark langsam Abschied von meiner Familie nehmen, denn es ist ja schon eine besondere Erfahrung, so lange so weit weg von zu Hause zu sein“, erinnert sie sich.
Ihre Tour führte Hoffmann von ihrer Heimatstadt Oldenburg quer durch Dänemark bis nach Frederikshavn. Von dort aus ging es auf die Fähre nach Oslo. Rund 60 bis 80 Kilometer legte die TU-Studentin pro Tag mit dem Rad zurück. Die Etappen plante sie von Tag zu Tag und schlug ihr Zelt meist spontan auf Campingplätzen auf. „Es war eine tolle Tour und ich hatte wirklich Glück mit dem Wetter“, erzählt Hoffmann. „In Norwegen bin ich noch zwei Tage mit dem Rad gefahren, musste dann aber aus Zeitgründen für das letzte Stück den Zug nehmen, um rechtzeitig für meinen Sprachkurs in Trondheim zu sein“, berichtet sie. Ihr Gepäck ließ sie sich in zwei Paketen per Post hinterherschicken.
Campus mit Wohlfühlfaktor
Das Austauschstudium an der NTNU Trondheim begann mit einem Norwegisch-Intensivkurs, um die Basics der Sprache zu lernen. Dennoch, so Hoffmann, sei später vor allem Englisch ihre Alltagssprache gewesen. Das habe zum einen an der „Erasmus-Bubble“ gelegen – Austauschstudierende verbringen meist mehr Zeit untereinander, als mit einheimischen Studierenden – als auch an den hervorragenden Englisch-Kenntnissen der Norweger*innen. Auch die Kurse, die Hoffmann in Trondheim belegte, wurden in Englisch unterrichtet.
Der zentral gelegene Campus der NTNU überzeugte die Studentin nicht nur wegen seiner guten Erreichbarkeit mit dem Fahrrad, sondern bot auch viele Annehmlichkeiten für Studierende: „Ich hatte den Eindruck, dass sehr viel Wert auf das Wohlbefinden der Studierenden gelegt wird. Die Aufenthaltsräume zum Lernen oder für Gruppenarbeiten waren sehr gemütlich eingerichtet, mit Sitzsäcken, Sofas, Tischtennisplatten und Kickertischen. Außerdem konnten wir kostenlos einen 3D-Drucker benutzen und uns daran kreativ ausprobieren.“ Unterschiede im Studium habe sie zudem in der Prüfungsphase festgestellt. Nicht nur gibt es in Trondheim ein eigenes Gebäude nur für Prüfungen, die Klausuren seien zudem zeitlich entspannter zu bewältigen, so der Eindruck der Austauschstudentin.
Keine Zeit für Heimweh
Auch abseits des Campus erfüllten sich Hoffmanns Erwartungen an das Auslandsstudium: Von Skilanglauf, über Ultimate Frisbee bis hin zur Übernachtung in einer selbstgebauten Schneehöhle inklusive Polarlichterbeobachtungen – viele neue Aktivitäten standen auf dem Programm. Dennoch bringt ein Auslandsstudium Herausforderungen mit sich: „Man ist auf sich alleine gestellt und muss über den eigenen Schatten springen, um zum Beispiel auf andere Studierende zuzugehen und neue Freundschaften zu schließen“, berichtet sie und schließt gleichzeitig ein Fazit an: „Für mich war es das absolut wert. Ich bin daran persönlich gewachsen und würde ein Austauschstudium auf jeden Fall weiterempfehlen!“ Nicht mal für Heimweh sei wirklich Zeit gewesen, denn neben dem Studium engagierte sich Hoffmann in einer studentischen Initiative und reiste an den Wochenenden innerhalb Norwegens, zum Beispiel auf die Lofoten.
Rückreise mit Hindernissen
So kam es, dass zwei Semester an der NTNU Trondheim fast plötzlich zu Ende gingen und das Rad für die Rückreise parat stand. Dass Hoffmann sich das Geld für einen neuen Mantel gespart hatte, bereute sie spätestens beim siebten Platten dann doch ein wenig. Und auch die Bremse spielte nicht mehr mit. Noch in Norwegen mussten neue Belege her. Am windigsten Tag der Rückreise im flachen Dänemark brach schließlich noch das Kugellager der Pedale – ein hilfsbereiter Däne half mit einem Ersatzteil aus. All das nahm der Studentin aber nicht den Spaß an der abenteuerlichen Reise.
Insgesamt 29 Tage dauerte die Rückfahrt bis nach Oldenburg. Doch warum der Aufwand eigentlich? „Neben dem Spaß am Radfahren selbst, spielt für mich auch der Umweltaspekt beim Reisen eine Rolle. Ich finde es super, dass man mit Erasmus+ Green Travel für eine nachhaltige Anreise gefördert wird, wenn auch der Betrag noch recht gering ist. Viele andere Austauschstudierende sind mit der Bahn nach Trondheim gekommen. Man merkt da schon einen Sinneswandel.“ Insgesamt legte die Studentin auf der Hin- und Rückfahrt ins Austauschstudium 2.550 Kilometer mit dem Rad zurück und die nächste Fahrradreise ist bereits geplant. Bevor es im Oktober zurück ins Masterstudium an die TU Braunschweig geht, wird Wiebke Hoffmann Österreich mit dem Rad bereisen.