Die US-Wahl in der Analyse „Frühstück mit Ausblick“ des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen
Am frühen Mittwochmorgen deutscher Zeit stand das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen 2016 fest: Der republikanische Kandidat Donald Trump ist der designierte 45. Präsident der Vereinigten Staaten.
Auch an der TU Braunschweig stieß die Wahl und ihr Ausgang auf großes Interesse. Der Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der TU Braunschweig bot in Kooperation mit dem Institut für Anglistik und Amerikanistik am Mittwoch ein hochschuloffenes Frühstück an, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Studierenden das Wahlergebnis diskutierten. Ein voller Seminarraum und rege Diskussionen bestätigten das Bedürfnis nach Austausch auch bei Studierenden.
Viele Medien und Wahlbeobachter sind vom Ergebnis der Wahl überrascht. Wir baten Professorin Anja Jakobi (Institut für Sozialwissenschaften, Lehrstuhl für internationale Beziehungen), Professor Nils Bandelow (Institut für Sozialwissenschaften, Lehrstuhl für Innenpolitik) sowie Professor Rüdiger Heinze (Institut für Anglistik und Amerikanistik) um eine Einschätzung des Wahlausgangs und möglicher Konsequenzen:
Professor Nils Bandelow:
„Der Wahlausgang war für mich im Vorfeld vollkommen offen: Mir war nach den missglückten Prognosen zuletzt zum Brexit klar, dass die Umfragen nicht zuverlässig sein würden. Daher habe ich trotz der scheinbar klaren Umfragen nicht unbedingt einen Clinton-Sieg erwartet. Ein konkretes Wahlergebnis zu prognostizieren war aber kaum möglich, unter anderem weil durch das Wahlrecht der Ausgang an wenigen Swing States hängen würde.
Die erste Auswirkung des Wahlergebnisses habe wir schon bei der Stellungnahme der deutschen Bundeskanzlerin gesehen: Das Verhältnis zwischen der neuen US-Administration und den europäischen Partnern wird zumindest in der ersten Phase distanziert sein, hier muss neues Vertrauen entwickelt werden. Innenpolitisch ist Trump auf die Unterstützung des Kongresses angewiesen. In beiden Häusern des US-amerikanischen Parlaments gibt es zwar weiterhin einfache Mehrheiten von Abgeordneten, die über das Ticket der Republikaner gewählt worden sind. Dennoch wird es auch für Trump nicht leicht, neue Gesetzentwürfe verabschieden zu lassen. Auch innenpolitisch muss Trump nicht nur einen neuen Stab zusammenstellen, sondern nach dem verletzenden Wahlkampf auch in der eigenen Partei Vertrauen aufbauen.
Ich rechne daher damit, dass innenpolitisch bestenfalls ein kleiner Teil dessen umgesetzt werden wird, was im Wahlkampf angekündigt wurde. Über die konkreten Auswirkungen hinaus dürften der Wahlkampf und das Ergebnis aber für viele politische Akteure auch außerhalb der USA lehrreich sein: Vor allem in links-liberalen Kreisen muss diskutiert werden, wie sich die etablierten Werte der Politik besser schützen lassen.“
Professor Anja Jakobi:
„Außenpolitik ist neben der wichtigen Vertrauensfrage auch eine grundsätzliche Frage des Engagements – und da würde ich von der Trump Administration mittelfristig nicht viel erwarten. Das bedeutet einerseits, dass andere Staaten – insbesondere multilateral orientierte und wichtige Staaten wie Deutschland – wohl ihr internationales Engagement intensivieren müssen, inkl. Koordination anderer Staaten, Finanzierung gemeinsamer Aufgaben und andere Erfordernisse. Gleichzeitig bedeutet es, dass wichtige Aufgaben, bei denen die USA eine zentrale Rolle spielen würden – von der Lösung der Syrienkrise, zum Abkommen mit dem Iran, dem Klimavertrag oder TTIP – wohl eher weniger Aufmerksamkeit seitens der USA erfahren und die Entwicklung mindestens verlangsamt, wenn nicht ganz verhindert werden.
Die Europäer sind nun in mehrfacher Hinsicht in der internationalen Politik stärker ‚auf sich alleine gestellt‘.“
Professor Rüdiger Heinze:
„Sehr überrascht bin ich persönlich nicht, auch wenn ich einen anderen Ausgang erhofft hatte. Es gab schon seit einer Weile Analysten, die auf die Möglichkeit hingewiesen haben, dass Befragte in Polls (Umfrage) nicht die Wahrheit sagen oder gar nicht antworten; anonyme online-Polls hatten Trump immer wieder vorne gesehen. Außerdem haben Außenseiter oder Personen, die als solche wahrgenommen werden, schon sehr lange – spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts – großen Anklang in den USA gefunden. Es gibt also durchaus eine Tradition, dass Kandidaten wie Trump Erfolg haben, auch wenn wir ihn aus „kurzer“ Perspektive als außergewöhnlich wahrnehmen.
Was die Konsequenzen angeht, ist es noch zu früh, detaillierte beziehungsweise zuverlässige Prognosen abzugeben.“