Die Kunst der Informatik Martin Eisemann ist neuer Professor am Institut für Computergraphik
Ob Virtual Reality, 360-Grad-Bilder oder 3-D-Animationen – die Themen im Bereich Computergraphik sind vielfältig. Martin Eisemann beschäftigt sich als neuer Professor für Computer Vision damit, wie Bilder, die durch Kameras aufgenommen werden, optimal verarbeitet und analysiert werden können. Warum auch Kunst, Psychologie und Physik etwas mit seiner Arbeit zu tun hat, wie er seine Forschung mithilfe einer Filmszene erklärt und welche Pläne er für seine zukünftige Lehre hat, hat er unserer Redakteurin Anna Krings erzählt.
Professor Eisemann, Sie kennen die TU Braunschweig bereits gut: 2011 haben Sie am Institut für Computergraphik promoviert. Nach Stationen als Postdoc an der TU Delft, Niederlande, und als Professor für Computergraphik und Informatik an der TH Köln, kehren Sie jetzt an die Carolo-Wilhelmina zurück. Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich, ehrlich gesagt, an wie ein Nachhausekommen. Meine Kolleginnen und Kollegen, die mich noch von damals kennen, haben mich unglaublich herzlich wiederaufgenommen und man konnte bei allen Beteiligten die positive Einstellung spüren. Das hat mich sehr gefreut und mich bestärkt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, besonders, da mein ursprüngliches Ziel eigentlich immer gewesen war, zurück in meine Heimat nach Köln zu gehen. Aber manchmal ist die Wahlheimat, in diesem Falle Braunschweig, doch die bessere Wahl.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Die TU Braunschweig genießt einen hervorragenden Ruf als renommierte Wissenschafts- und Forschungsinstitution, die weit über die Landesgrenzen hinausreicht. Ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen, das gelingt vielen. Das besondere an der TU Braunschweig ist, dass es hier ein Arbeitsumfeld gibt, das inspiriert, das anspornt gute Forschung zu betreiben, das von Teamgeist und Kollegialität lebt und das diese Einstellung auch an die Studierenden weitergibt. Das hat mir schon immer sehr gut gefallen.
Sie forschen im Bereich Computergraphik, einem Teilgebiet der Informatik. Wie würden Sie Ihre Arbeit jemandem wie mir erklären, die nicht aus diesem Bereich kommt?
Wenn ich früher jemandem erzählt habe, dass ich in der Computergraphik arbeite, dann hieß es immer: „Ach, du arbeitest also mit Photoshop?“ Dann habe ich geantwortet: „Das nicht, aber wir sind diejenigen, die die Algorithmen dahinter weiterentwickeln wollen.“ Oder wenn ich die Arbeit meiner Dissertation erklären wollte, habe ich auch manchmal gesagt: „Ihr kennt doch die Szene aus Matrix, in der Trinity in die Luft springt, die Zeit stehen bleibt und die Kamera sich um sie herumbewegt? An einem ähnlichen Verfahren habe ich gearbeitet, bei dem man aber nur noch ein Zehntel der Kameras benötigt und die Kamerafahrt sogar im Nachhinein festlegen kann.“ Inzwischen ist mein Themenspektrum natürlich noch deutlich angewachsen, aber so können sich die meisten erst einmal etwas darunter vorstellen.
Und womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Ich bin als Professor für Computer Vision dem Institut für Computergraphik zugeordnet. Insofern ist Bild- und Videoverarbeitung gar nicht so verkehrt. Aber die Grenzen sind da manchmal fließend und genau in diesem Spannungsfeld sehe ich auch meine Forschung. Bilder und Videos bieten eine riesige Informationsquelle, die so aufbereitet werden muss, dass sowohl der Computer als auch wir als Menschen diese optimal interpretieren können. Beispiele dafür sind die Rekonstruktion dynamischer Szenen aus Fotos und Videos, die Visualisierung von Informationen zur Analyse der Daten durch den Menschen, oder die effektive und effiziente Verarbeitung der enormen Datenmengen.
Natürlich beschäftige ich mich in der Forschung auch weiterhin mit Themen aus dem klassischen Bereich der Computergraphik. Oft sind diese jedoch um Computer Vision Themen erweitert. In der Zukunft möchte ich mich verstärkt auch mit der Verarbeitung visueller Informationen mithilfe von Machine Learning, also künstlicher Intelligenz, beschäftigen. Mich interessieren dabei besonders zwei Aspekte: Zum einen die digitale Bild- und Videoverarbeitung durch Machine Learning für „exotische“ Kameras. Das sind zum Beispiel 360°-Kameras, Lichtfeld-Kameras oder auch Multi-View-Kamera-Settings, also Aufnahmen mit mehreren Kameras.
Außerdem interessiert mich das Erlernen des künstlerischen Blicks. Künstlerinnen und Künstler sehen die Welt oft anders als wir, aber was sie sehen und wie sie es sehen, ist noch ziemlich unerforscht. Auch hier kann uns Machine Learning weiterhelfen und ich stehe zum Beispiel mit der Computer Vision Gruppe der University of Bath in Kontakt, für eine gemeinsame Kooperation in dem Bereich.
Das klingt sehr spannend. Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?
Computergraphik, Computer Vision, Informationsvisualisierung – das alles hat für mich seit Beginn meines Studiums nicht an Faszination verloren. Ich kenne keinen anderen Bereich, in dem Informatik, Mathematik, Kunst, Psychologie, Didaktik, Physik und manchmal auch Biologie eine so elegante Symbiose eingehen. Das resultiert daraus, dass es bei diesen Themen immer um das Verständnis und die Abbildung der Wirklichkeit im Rechner geht.
Hinzu kommt, dass Forschung auch immer Liebe zum Detail bedeutet, sowohl bei der Bearbeitung als auch bei der Präsentation. Es ist wie ein endloses Streben nach Perfektion. Auch den Austausch innerhalb der Forschungscommunity empfinde ich als einen wichtigen Aspekt für meine Motivation.
Ein Ausblick auf die Zukunft: Was sind Ihre Pläne?
Die nächste Zeit werde ich zunächst darauf verwenden, meine Forschungsgruppe aufzubauen und das Lehrangebot zu etablieren. Dabei wollen wir am Institut ein möglichst breites Angebot an Visual Computing-Themen in der Lehre anbieten. Außerdem möchte ich ein experimentelles Visual Computing-Labor aufbauen, bei dem die Studierenden „Hands-On“ neue Technologien aus dem Bereich Virtual/Augmented Reality, Kamera- und Szenenrekonstruktion, Motion Capture und ähnliches in interessanten Projekten und Arbeiten austesten und auch selbst entwickeln können. Durch eine Beteiligung oder Anschaffung eines Rechnerverbunds wollen wir den Studierenden ermöglichen, auch anspruchsvolle Machine Learning Arbeiten in unserem Bereich durchführen zu können. Das Spektrum soll sowohl anwendungsnahe Themen als auch Grundlagenforschung umfassen, da das eine das andere oft inspiriert.
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Forschen, Lehren und Arbeiten an unserer Universität verändert. Was sind für Sie die besonderen Herausforderungen des Wintersemesters 20/21?
Trotz all der schlimmen Dinge, die Corona mit sich gebracht hat, gibt es auch ein paar positive Seiten. Viele Aufgaben ließen sich in der letzten Zeit auf elektronischem Wege lösen und auch einige veraltete Prozesse bekamen so endlich den Anstoß, sich für die Digitalisierung zu öffnen. Ich denke für mich persönlich wird die größte Herausforderung sein, als neuer Professor den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen sowie den Studierenden herzustellen ohne eben den üblichen persönlichen Kontakt haben zu können. Ich möchte die gesammelten Erfahrungen des letzten Semesters in meine Lehre einbringen, um so trotz Kontaktbeschränkungen ein anregendes und spannendes Lernumfeld für die Studierenden schaffen zu können.
Was möchten Sie den Studierenden dabei mit auf den Weg geben?
Bleibt motiviert! Corona verlangt euch Studierenden eine unglaubliche intrinsische Motivation ab, die früher durch die sozialen Kontakte an der Universität unterstützt werden konnte. Diese wichtige Komponente fällt nun leider weg oder ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb: nutzt die Möglichkeiten, die euch zur Verfügung stehen und bleibt im Austausch mit euren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Sucht euch digitale Möglichkeiten, euch über euren Lernstoff auszutauschen. Lernen an einer Universität bedeutet nicht, stumpfsinniges Erarbeiten des Lehrstoffes. Im Gegenteil: die Inhalte wollen diskutiert und hinterfragt werden. Trefft euch in Kleingruppen online oder mit entsprechendem Abstand auch draußen. Niemand ist gerne die ganze Zeit alleine, der Mensch ist ein soziales Lebewesen, sonst verkümmert er. Bleibt Mensch.
Gibt es zum Abschluss noch etwas, das interessant wäre zu erzählen?
Ich bin witzigerweise wieder in mein altes Büro eingezogen. Meine damaligen Arbeitskolleginnen und -kollegen hatten mir zum Abschied das Büro mit Dutzenden von Justin Bieber Postern tapeziert. Das Büro wird demnächst um eine Tür erweitert und neu gestrichen. Es würde mich nicht wundern, wenn noch ein verlorenes Bild hinter dem einen oder anderen Schrank zu Tage kommt.