Der fliegende Hörsaal hebt digital ab Das Institut für Flugführung und zwei Piloten begeisterten die Studierenden mit einem Flug im Cockpit-Simulator via Livestream
Diese Übung war eine Punktlandung! Das Institut für Flugführung (IFF) der TU Braunschweig übertrug einen Flug von Hannover nach Frankfurt a. M. aus dem Cockpit-Simulator via Livestream für die Studierenden der Vorlesung Flugführungssysteme. Nicht nur die technische Qualität der Übertragung überzeugte. Auch die beiden Piloten, die vom Start bis zur Landung jedes Detail erläuterten, machten einen perfekten Job: Flugkapitän Stefan Seydel und der Erste Offizier Georg Mitscher.
„Die Veranstaltung war offiziell die Übung zum Vorlesungskapitel Landesysteme“, erläutert Sven Bollmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFF und Leiter der Übung. „Normalerweise dürfen die Studierenden selber einmal versuchen, im Cockpit-Simulator einen Anflug auf Frankfurt und eine Landung durchzuführen.“ In diesem Semester sei das wegen Corona nicht möglich gewesen.
Doch anstatt die Übung komplett zu streichen und auf das Skript und die Vorlesung zu verweisen, hat sich das Team eine besondere Alternative überlegt. Mit Seydel und Mitscher wurden zwei Verkehrspiloten eingeladen, um im Simulator des IFF einen Flug inklusive sämtlicher Abläufe und Erklärungen durchzuführen. Die Studierenden waren per Webkonferenz quasi mit an Bord.
Seydel und Mitscher sind als Piloten für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Forschungsflughafen Braunschweig im Einsatz – und arbeiten damit in Nachbarschaft zum IFF, das Professor Peter Hecker leitet. „Für uns war diese Art der Veranstaltung eine Premiere“, so die beiden Piloten. Deshalb nahmen sich die beiden zusätzlich Zeit für eine Generalprobe, bei der nicht nur der Ablauf, sondern auch die Übertragungstechnik gecheckt wurde.
Das Team des IFF hatte keine Mühen gescheut: Zum Einsatz kamen vier Kameras, zwei weitere Videoquellen für die Instrumente im Cockpit und die Außensicht. Diese wurden in 16 verschiedenen Szenen zusammengeführt, beispielsweise eine Cockpit-Kamera mit eingeblendetem Primary Flight Display. Verantwortlich für die aufwendige und eigenhändig installierte Video-, Ton- und Übertragungstechnik war Jonas Füllgraf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFF.
Start in Hannover, Landung in Frankfurt
Seydel und Mitscher nahmen Platz im Cockpit-Simulator, ähnlich einem Cockpit eines A320, und begannen den simulierten Flug am Airport Hannover, Gate 16. Alles lief nach Plan: „Boarding completed“, Rollen zum Abflugpunkt und Start auf der Piste 27R. Die Piloten simulierten den Funkkontakt mit der Flugsicherung, hakten die Checklisten akribisch ab und erläuterten jeden Handgriff. Sämtliche Instrumente, Avioniksysteme und Displays, die die Studierenden aus der Vorlesung bereits kannten, wurden jetzt praxisnah in ihrer Funktionsweise erklärt. Die Teilnehmenden nutzten die Chance, stellten Fragen zur Luftraumeinteilung und Höhenmessereinstellung.
Hohe Aufmerksamkeit dann beim Landeanflug in Frankfurt, als das Instrumentenlandesystem (ILS), das den Piloten in den Flugphasen vor der Landung unterstützt, zum Einsatz kam. Mit Hilfe des ILS kann der Pilot auch bei schlechten Sichtverhältnissen das Flugzeug präzise landen. Abweichungen werden anhand der vertikalen und horizontalen Zeiger auf dem ILS-Anzeigeinstrument angezeigt. Da Seydel und Mitscher hier viel zu erklären hatten, war es für eine präzise Landung zu spät. Die Piloten ließen das Flugzeug durchstarten, um die Landung neu einzuleiten – auch dieses Manöver wurde von den Studierenden aufmerksam verfolgt. Dann: Landung auf Piste 25R, Abrollen von der Bahn.
„Welche zusätzlichen Assistenzsysteme wünschen sich Piloten?“, wollte ein Student abschließend wissen. „Piloten lieben es, wenn sie selber Knöpfe drücken und Hebel ziehen können“, sagte Seydel mit einem Augenzwinkern. Aber Entwicklungsbedarf gebe es tatsächlich, vor allem bei Boden-Leitsystemen, die den Piloten beispielsweise darin unterstützen, die Maschine nach der Landung zum richtigen Gate zu steuern.
Am Ende waren sich das Team des IFF und die Piloten einig: Nicht ausgeschlossen, dass auch im nächsten Sommersemester Seydel und Mitscher mit den Studierenden zu einem virtuellen Flug starten.
Feedback der Studierenden
„Ich konnte bereits im letzten Semester in der Vorlesung `Grundlagen elektronischer Systeme´ die Erfahrung einer Landung im Simulator selbst machen. Ich kann daher sagen, dass diese virtuelle Vorstellung dem praktischen selber Fliegen im Simulator in nichts nachsteht!“ Florian
„Großes Lob zur digitalen Umsetzung via Livestream! Erst der Einblick in Primary Flight Display, Navigation Display, Gesamtcockpit und Außenansicht macht so eine Veranstaltung zu einem richtigen Erlebnis. Ein Musterbeispiel für digitale Lehre in Zeiten von Corona – und hoffentlich darüber hinaus.“ Marcus
„Die Piloten haben während des Fluges alles genau erklärt, so dass man sehr gut folgen konnte. Vor allem die Vorführung möglicher `Komplikationen´ – menschlicher Fehler, die auftreten können – war sehr informativ.“ Laurena
„Es war sehr interessant zu sehen, wie alle Systeme systematisch von den beiden Piloten bedient wurden. Die Erklärungen dazu waren auch sehr gut. Hut ab für die ganze technische Umsetzung der Übertragung.“ Jannis
„Besonderer Dank gilt den beiden Piloten, die den Flug sehr anschaulich durchgeführt haben. Man konnte ihnen gut folgen und die in den Vorlesungen gelernten Inhalte auch `im Einsatz´ wiedererkennen und vertiefen.“ Tim
„Zu sehen, wie die in der Vorlesung behandelten Technologien in der Praxis umgesetzt und verwendet werden, hat nochmal einen ganz anderen Blickwinkel auf deren Wichtigkeit und Bedeutung geworfen. Mir hilft das, das aus der Vorlesung Bekannte in einem größeren Kontext einzuordnen“. Konstantin