8. Juli 2021 | Magazin:

Das Geheimnis der Seesedimente Forschungsprojekt rekonstruiert die Klimageschichte der Tropen Amerikas

Wie hat sich das Klima im Laufe der vergangenen 135.000 Jahre in den Tropen Nord- und Mittelamerikas entwickelt? Und wie haben die Ökosysteme auf die Klimaveränderungen reagiert? In einem internationalen Projekt unter Leitung von Professorin Antje Schwalb, Leiterin des Instituts für Geosysteme und Bioindikation (IGeo) der TU Braunschweig, und Dr. Liseth Pérez, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGeo, geht ein Forschungsteam diesen Fragen auf den Grund – im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Chalco-See in Zentralmexiko wurde im Jahr 2016 eine wissenschaftliche Tiefbohrung durchgeführt. Der Vulkan Teuhtli, hier etwas links von der Bildmitte im Hintergrund zu sehen, liegt in der Nähe des Sees. Bildnachweis: Iván Martínez

Denn um die Klimageschichte der nördlichen Neotropen zu rekonstruieren, wurde tief gebohrt im Chalco-See in Zentralmexiko und im Petén-Itzá-See im nördlichen Guatemala. Die Ablagerungen in diesen Seen sind natürliche Klimaarchive, die über die Bedingungen in einem bestimmten Erdzeitalter Aufschluss geben.

„Die Neotropen, zu denen auch das Festlandgebiet von Zentralmexiko bis Südamerika gehört, sind eine Region von zentraler Bedeutung für globale Klimadynamik“, sagt Liseth Pérez. „Wir untersuchen, wie und in welcher Geschwindigkeit sich die Ökosysteme an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst haben, um besser vorhersagen zu können, wie sich die sensiblen Ökosysteme der Neotropen unter einem zu erwartenden trockeneren und wärmeren Klima entwickeln werden.“

 Wertvoller Schatz für Paläoklimaforschende

Die Tiefbohrungen fanden 2006 in Guatemala und 2016 in Mexiko statt. „Wenn im Chalco-See 300 Meter tief gebohrt wird, enthalten die Bohrkerne Sedimente aus den vergangenen 400.000 Jahren. Das ist für Paläoklimaforschende ein wertvoller Schatz“, sagt Liseth Pérez, die während beider Bohrungen vor Ort war. Die Sedimentkerne aus den Seen werden im LacCore-Labor der University of Minnesota (USA) archiviert und sind Forschenden weltweit zugänglich.

Dr. Liseth Pérez bei der Tiefbohrung 2006 im im Petén-Itzá-See in Guatemala. Bildnachweis: Liseth Pérez/TU Braunschweig

Der Petén-Itzá-See im nördlichen Guatemala. Hier wurden bereits 2006 Sedimente durch Tiefbohrungen gesichert. Bildnachweis: Liseth Pérez/TU Braunschweig

Blick auf den Petén-Itzá-See. Bildnachweis: Liseth Pérez/TU Braunschweig

In der Umgebung des Chalco-Sees befinden sich aktive Vulkane, wie zum Beispiel der Popocatépetl. Oft finden sich vulkanische Aschen auch in den Seesedimenten des Chalco-Sees, was für die Altersbestimmung der Sedimentkerne sehr hilfreich ist. Bildnachweis: Iván Martínez

Rodrigo Martínez-Abarca, Doktorand des IGeo, im November 2017 bei der Beprobung der Sedimentkerne des Chalco-Sees. Die Sedimentkerne werden in der Kernbibliothek des LacCore-Labors der University of Minnesota (USA) aufbewahrt und weiter ausgewertet. Bildnachweis: Lozano

Sedimentkerne der Chalco-Sees in Zentralmexiko und des Petén-Itzá-Sees in Guatemala dienen als Klimaarchive für die nördlichen Neotropen. Trotz ihrer geografischen Lage zeigen beide Archive unterschiedliche Bedingungen während des Übergangs vom Pleistozän zum Holozän. Niedrige Werte der Magnetische Suszeptibilität (Gelbe Linie) zeigen trockene Bedingungen an. Bildnachweis: Rodrigo Martínez & Liseth Pérez/TU Braunschweig

„Für unsere aktuelle Studie bestellen wir Proben der Seesedimente, um diese mit einem Multi-Proxy-Ansatz zu analysieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Dabei kommt auch ein neuer organischer Temperatur-Proxy, ein Temperatur-Indikator, zum Einsatz: Der HDI26 (heterocyte diol index of 26 carbon atoms) wurde von einem internationalen Forschungsteam um Dr. Thorsten Bauersachs vom Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) entwickelt, der ebenfalls am Projekt beteiligt ist. 

Neu entwickelter Temperatur-Proxy im Einsatz

Dieser Proxy ermöglicht erstmals, die Wassertemperaturen kontinentaler Gewässer nachzubilden. Mit Hilfe des HDI26 ist es einem Team von Forschenden – zu dem auch Thorsten Bauersachs und Antje Schwalb gehören – gelungen, die Klimageschichte Ostafrikas anhand von Sedimentablagerungen des Tanganyikasees, dem zweitgrößten Sees Afrikas, zu rekonstruieren – und das über die letzten 40.000 Jahre. Die internationale Studie, unter Leitung der CAU, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Zurück in die Tropen Nord- und Mittelamerikas: Das Forschungsteam, zu dem seit diesem Jahr auch der Doktorand Rodrigo Martínez-Abarca gehört, hat mit der Auswertung der Daten bereits begonnen. Im nächsten Schritt werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie ihre Ergebnisse aus den Klimarekonstruktionen der Ablagerungen der Seen Chalco und Petén-Itzá mit denen anderer kontinentaler und mariner Klimaarchive aus den Neotropen vergleichen, um beispielsweise zu klären, ob und wann die Wetterküche eher im Atlantik oder im Pazifik aktiv war.