Bild des Monats: Kunststoff mit Formgedächtnis aus dem 4D-Drucker Institut für Mechanik und Adaptronik untersucht gedruckte Formgedächtnisstrukturen aus thermoplastischen Polymeren
Das Bild zeigt die Ablage eines Stranges beim 4D-Druck. 4D-Druck? Der Begriff steht für die Additive Fertigung von aktiven Strukturen, in diesem Fall einer Struktur mit Formgedächtnis. Dieses entsteht durch Prozessparameter, die eine Streckung des Materials – hier ein thermoplastisches Polymer, also Kunststoff – bewirken und durch die Abkühlung einfrieren. Eine spätere Aktivierung durch Erwärmung der Struktur löst die Streckung und die Struktur verändert ihre Form. Die Detailaufnahme veranschaulicht, was mit der Polymerschmelze während des Drucks passiert.

Ablage eines Stranges beim 4D-Druck. Bild: Ferdinand Linus Maria Cerbe/TU Braunschweig
Das Formgedächtnis ermöglicht eine Formänderung in Abhängigkeit von äußeren Stimuli. Die Stimuli können Temperatur, elektrische oder magnetische Felder oder Strahlung bzw. Licht sein. In dem von der DFG geförderten Forschungsprojekt „Gedruckte, polymere Formgedächtnisstrukturen“ untersucht das Institut für Mechanik und Adaptronik gezielt den Einfluss verschiedener Parameter auf die Formänderung von thermoplastischen Polymeren. Thermoplaste sind Kunststoffe, die durch Erwärmung weich und formbar werden und bei Abkühlung wieder aushärten, ohne dass ihre chemische Struktur verändert wird. Diese Eigenschaft macht sie wiederholbar formbar.
Um ein verlässliches Formgedächtnisverhalten zu garantieren, wird das Material anhand thermo-mechanischer Tests charakterisiert. Während des 4D-Druckprozesses wird das Polymer aufgeschmolzen, eine Vorspannung eingebracht und abgekühlt. Dies erfordert Kenntnisse über das Verformungs- und Fließverhalten – also die Rheologie des Materials.
Das Ziel der TU-Wissenschaftler*innen ist das Formgedächtnisverhalten simulativ abbilden zu können und das konstruktive Design sowie die Identifikation der Prozessparameter von 4D-gedruckten Formgedächtnisstrukturen zu ermöglichen. Hierfür soll die Prozesskette von der Materialauswahl, des Designs, der Prozessparameter des Drucks und der Aktivierungsparameter des Stimulus betrachtet werden. Dies soll es ermöglichen, den 4D-Druck einen Schritt näher an die industrielle Prozesskette zu bringen.
Die Technologie ist heute noch in den Kinderschuhen, doch es gibt bereits theoretische Applikationen auf verschiedenen Größenskalen. In der Medizintechnik können, in der Größenordnung Millimeter bis Zentimeter, patientenspezifische Stents (Implantat als Gefäßstütze) aus Polymeren einen Vorteil bei der Verträglichkeit und Adaptierbarkeit bewirken. Im Bereich der Luft- und Raumfahrt könnte der Effekt für die Ausfaltung großflächiger Strukturen mit mehreren Metern von Solarsegeln oder Satelliten genutzt werden. Solche Faltmechanismen lassen sich auch auf die Textiltechnik, beispielsweise für Zelte, ausweiten. Im Gravitationsfeld der Erde liegt jedoch eine große Herausforderung in den kleinen Kräften, mit denen sich die Formgedächtnispolymere verformen. Entsprechend sind die potentiellen Anwendungsgebiete gedruckter, polymerer Formgedächtnisstrukturen vielfältig, aber noch mit spannenden wissenschaftlichen Fragestellungen versehen.