Auswirkungen der Raumfahrt auf Umwelt und Klima Schub für die Forschung: Wie beeinflussen Raketenemissionen und Weltraumschrott die Erdatmosphäre?
Raketenemissionen sowie Trümmer von ausgemusterten Satelliten, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühen, können sich nachteilig auf die Erdatmosphäre auswirken. „Das wachsende Ausmaß und Tempo der Weltraumaktivitäten kann zu neuen unvorhergesehenen Auswirkungen auf Umwelt und Klima führen“, sagt Professor Karl-Heinz Glaßmeier, ehemaliger Leiter der Forschungsgruppe Weltraumphysik und Weltraumsensorik am Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGEP) der Technischen Universität Braunschweig. Die Forschung müsse dringend intensiviert werden, um den Einfluss der Raumfahrt auf die Atmosphäre zu verstehen und zu quantifizieren.
Die Raumfahrt boomt. Jahr für Jahr werden mehr und mehr Objekte in den Weltraum befördert. Haben sie ausgedient, verschwinden sie jedoch nicht in den unendlichen Weiten. Partikel und Gase von Raketenkörpern und Satellitentrümmern gelangen nach Wiedereintritt in alle Schichten der Atmosphäre – auch in die Stratosphäre mit der Ozonschicht, die die Erde vor UV-Strahlung schützt. „Die Effekte sind nicht mehr vernachlässigbar“, sagt Glaßmeier. Zusammen mit Leonard Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IGEP, hat er in einer Studie, die in dem Scientific Journal „Advances in Space Research“ erschienen ist, die Masse, Zusammensetzung und Ablation der eintretenden Materie quantitativ untersucht.
Vom Menschen verursachter Eintrag von Material in der Atmosphäre nimmt zu
Zwar findet sich in der Atmosphäre vor allem Materie natürlichen Ursprungs: Sie stammt von Meteoren, die in den dichteren Schichten verglühen. Rund 34 Tonnen kosmisches Material erreichen täglich die Erde. „Derzeit macht der vom Menschen verursachte Eintrag von Material rund drei Prozent der jährlich injizierten Masse natürlichen Ursprungs aus“, sagt Schulz. Da sich jedoch die Startrate in der Raumfahrt in den nächsten vier Jahren voraussichtlich vervierfachen wird, rechnen die Forschenden damit, dass sich der Anteil des vom Menschen verursachten Eintrags von Material in der Erdatmosphäre vergrößern wird – mit noch unbekannten Folgen für unsere Atmosphäre und das globale Klima.
In ihrer Studie haben die beiden Wissenschaftler anhand von Modellen zwei unterschiedliche Zukunftsszenarien betrachtet. Unter Berücksichtigung geplanter und bereits teilweise installierter Mega-Satellitenkonstellationen erhöht sich der vom Menschen verursachte Eintrag von Material auf knapp 13 bzw. 40 Prozent. „Hierbei überwiegt schon jetzt der vom Menschen verursachte Eintrag einiger Metalle den aus natürlichen Quellen bei Weitem“, so Schulz.
Methoden erforderlich, um Auswirkungen quantifizieren zu können
Satelliten bestehen aus Metallen, vor allem aus Aluminium. Aluminiumpartikel von verglühten Satelliten können von der Mesosphäre in 50 bis 85 Kilometern Höhe in die darunter liegende Schicht der Stratosphäre gelangen und dort infolge chemischer Reaktionen den Abbau von Ozon fördern. Zum Ozonabbau tragen auch Stickoxid- und Rußemissionen der Raketenantriebe bei, ebenso Schockwellen, die durch den Wiedereintritt der Weltraumtrümmer entstehen.
Noch gilt es für die Forschenden, wichtige Wissenslücken zu schließen, in welchem Ausmaß Raketenemissionen und Weltraumschrott die Atmosphärenphysik und -chemie beeinflussen. Dazu werden unter anderem Daten über die in Trägerraketen und Satelliten verbauten Materialien benötigt. Schulz und Glaßmeier sprechen sich daher dafür aus, Methoden zu entwickeln, um die Belastung der Atmosphäre durch die Raumfahrt besser verstehen, quantifizieren und bewerten zu können.
Dabei gelte es, keine Zeit zu verlieren, wie beide Wissenschaftler betonen: „Gezielte Forschung ist jetzt gefragt, um die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine erfolgreiche, nachhaltige Raumfahrt ermöglichen.“ Denn die Raumfahrt liefert – trotz der Herausforderungen gerade auch für die Wissenschaft – viele wertvolle Erkenntnisse. Nicht zuletzt lassen sich mit Satelliten Klimaveränderungen der Erde besser beobachten und erforschen.
Weltraumphysik und Weltraumsensorik im IGEP
Die Forschungsgruppe Weltraumphysik und Weltraumsensorik des IGEP unter der Leitung von Professor Dr. Ferdinand Plaschke beschäftigt sich mit der Erforschung physikalischer Prozesse im Sonnensystem, insbesondere mit Fragen der Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwindplasma und planetaren Körpern. Als planetare Körper werden hier Planeten und ihre Monde sowie Asteroiden und Kometen betrachtet.