Als ukrainische Geflüchtete an die TU Braunschweig Über die Biologin Alona Velynska und ihre Begegnungen in Deutschland
Nach ihrer Flucht aus Kiew hat Alona Velynska an der TU Braunschweig die Möglichkeit bekommen, ihre Promotion fortzusetzen. Am Braunschweiger Zentrum für Systembiologie (BRICS) untersucht sie die Effekte des Fungizids Tebuconazol auf das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, von Mäusen und Regenwürmern. Vor allem die Begegnungen mit Menschen haben ihr geholfen, ihre wissenschaftliche Karriere weiterführen zu können.
Alona Velynska lebte bis Februar 2022 in der Ukraine. Seit Mai 2022 ist sie in Deutschland, und seit März dieses Jahres forscht sie wieder – am BRICS der TU Braunschweig – an den Auswirkungen von Pestiziden auf das Mikrobiom von Regenwürmern und Mäusen. Dass sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin hier an ihrer Doktorarbeit weiterarbeiten kann, liegt an vielen eher zufälligen Begegnungen. Als Alona Velynska in Deutschland ankam, hatte sie sich innerlich längst von ihrem Leben als Wissenschaftlerin verabschiedet:
„Ich war sicher: ohne Deutschkenntnisse und ohne deutschen Abschluss komme ich niemals an eine Uni. Und ich hätte auch nie gewusst, an wen ich mich wenden kann.“
Aber als der Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Sprecher des BRICS, Prof. Dieter Jahn, von Alona Velynksa erfährt, ist für ihn und seine Frau Dr. Martina Jahn schnell klar: „Wir wollen ihr helfen, an der TU Fuß zu fassen, und dass sie mit ihrer Forschung weitermachen kann.“
Von Kiew nach Braunschweig
In der Ukraine steckt die damals 25-Jährige mitten in ihrer Doktorarbeit und arbeitet daran, sich als Wissenschaftlerin zu etablieren. Als der Krieg ausbricht, verbringt sie zwei Wochen in Kiew in Angst um ihr Leben, bevor sie dann mit dem Zug nach Polen flüchtet. Sie reist von Poznań weiter nach Berlin und von dort nach Hannover, bis sie in Wolfenbüttel landet. Hier fühlt sie sich zum ersten Mal seit der Flucht sicher und kann sich ausruhen. Aber sie muss bald eine Wohnung finden, einen Job, denn in der Sammelunterkunft für Geflüchtete kann sie nicht bleiben.
Bei einer Beratung beim Roten Kreuz erfährt sie von Prof. Reza Asghari, Leiter des Entrepreneurship Hub der TU Braunschweig und Ostfalia Hochschule. Sie schickt ihm ihren Lebenslauf und wissenschaftlichen Werdegang zu. Prof. Asghari stellt daraufhin den Kontakt zu Prof. Dieter Jahn her. Nach einem ersten Kennenlernen entscheidet das Ehepaar Jahn, Alona Velynska auf ihrem Weg zurück in die Forschung zu unterstützen.
Auf einen Minijob im Februar folgt die Anstellung für ein Jahr als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin am BRICS. Die Jahns helfen auch bei der Wohnungssuche, beim Umzug, bei Behördengängen und Übersetzungen. Das Studierendenwerk OstNiedersachsen stellt sofort eine Wohnung zur Verfügung, der Braunschweiger Hochschulbund finanziert schnell und unkompliziert die Kaution und erste Miete, als Alona Velynska noch kein Gehalt bekommt.
Forschung zu den Effekten von Pestiziden
Mittlerweile ist die Wissenschaftlerin gut in ihrem neuen Alltag angekommen. Sie macht einen Deutschkurs am International House, einer Einrichtung der TU Braunschweig, die sich um internationalen Aktivitäten kümmert. In ihrem Labor an der TU Braunschweig fühlt sie sich richtig wohl. „Meine Kolleg*innen sorgen für eine tolle Arbeitsatmosphäre und unterstützen mich bei allen beruflichen und privaten Fragen.“
Alona Velynska konnte das Thema ihrer Doktorarbeit aus der Ukraine wieder aufgreifen und forscht weiter an dem Fungizid Tebuconazol. Dieses Fungizid ist als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln in vielen Staaten der EU zugelassen, darunter auch Deutschland. Um beim Einsatz der Pflanzenschutzmittel mögliche und bisher unerforschte Auswirkungen von Tebuconazol aufzuklären, untersucht Alona Velynska die Effekte des Fungizids auf das Mikrobiom von Mäusen und Regenwürmern. Das Mikrobiom scheint eine wichtige Rolle bei den unerwünschten Nebeneffekten der Substanz zu spielen.
Integration braucht die Hilfe vieler Menschen
Was ihr an Braunschweig gefällt? Die vielen Kirchen, Kulturangebote und die Parks, sagt sie. Vor allem aber sei sie sehr dankbar für die Hilfe, die sie von den Menschen hier bekommt. „Ich bin doch nichts Besonderes, warum wird mir so viel geholfen?“, fragt sie sich immer wieder. Dazu sagt Prof. Jahn:
„Integration ist ein Prozess, der die Hilfe vieler Menschen benötigt. Dafür wollen wir nichts zurückbekommen, sondern einfach junge Ukrainer*innen unterstützen und gut ausbilden, sodass sie eines Tages beim Wiederaufbau ihres Landes helfen können. Diese Chance sollten noch viel mehr Geflüchtete bekommen, denn es ist doch das einzig Richtige, wenn Menschen in solchen Situationen geholfen wird!“
Autorin: Dorothea Hinz