„Alles, was das Festkörperphysiker-Herz begehrt“ Farsane Tabataba-Vakili ist neue Juniorprofessorin für Experimentelle Physik, Quantenmaterie
Seit September 2024 lehrt und forscht Farsane Tabataba-Vakili an der TU Braunschweig am Institut für Physik der Kondensierten Materie. Zuvor war sie als Postdoc an der LMU München tätig und promovierte an der Université Paris-Saclay. Die Berlinerin beschäftigt sich in ihrer Forschung mit zweidimensionalen Quantenmaterialien. Einer der prominentesten Vertreter ist das Graphen, das nach seiner Entdeckung 2004 als „dünnstes Material der Welt“ bekannt wurde. Inzwischen können viele neue Materialien mit herausragenden Eigenschaften hergestellt werden. „Wir machen Grundlagenforschung mit möglichen Anwendungen in der Sensorik und Metrologie, in der Spintronik und in der (Quanten-)Optoelektronik“, sagt Professorin Tabataba-Vakili, die für uns einen Fragebogen beantwortet hat.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Die Fakultät 5 der TU Braunschweig hat mit Themenschwerpunkten wie Quantenphysik, Quantentechnologien und Nanometrologie sowie dem Exzellenzcluster „QuantumFrontiers“ eine sehr starke Festkörperphysik. Dazu zählen mehrere Institute aus der Physik und der Elektrotechnik. Dies stellt ein hervorragendes Umfeld für meine Forschungsvorhaben dar – mit vielen Kollaborationsmöglichkeiten mit den Kollegen und Kolleginnen hier. Meine Forschung passt auch gut zu dem Forschungsschwerpunkt Metrologie der TU. Da ich ursprünglich aus Berlin komme, war auch die Nähe zur Heimat ein großer Pluspunkt.
Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Wir beschäftigen uns mit neuartigen zweidimensionalen Quantenmaterialien. Das sind Materialien, in denen die einzelnen Lagen nur schwach aneinander gebunden sind durch van der Waals-Kräfte, deswegen werden sie auch van der Waals-Materialien genannt. Man kann einzelne Lagen von diesen Materialien, die dann nur wenige Atome dünn sind, mit Klebeband auseinanderziehen aufgrund dieser schwachen Kräfte zwischen den Lagen. 2010 ging der Physiknobelpreis an Andre Geim und Konstantin Novoselov für bahnbrechende Experimente mit Graphen, dem ersten dieser 2D-Materialien. Inzwischen können mehrere hunderte dieser Materialien hergestellt werden und tausende wurden vorhergesagt. Unter diesen Materialien gibt es Metalle, Isolatoren, Halbleiter, Magnete, topologische Isolatoren, Supraleiter … alles, was das Festkörperphysiker-Herz begehrt.
Wenn man nun einzelne Lagen dieser 2D-Quantenmaterialien exfoliert hat, dann kann man diese beliebig aufeinanderstapeln, wodurch man Materialien mit völlig neuen physikalischen Eigenschaften oder erhöhten Empfindlichkeiten erzeugen kann. Plötzlich spielt es in der Herstellung einer solchen Heterostruktur keine Rolle mehr, wenn Gitterkonstanten nicht zusammenpassen, wie das z.B. bei „normalen“ Halbleitern wie Galliumarsenid oder Galliumnitrid, die epitaktisch gewachsen werden, der Fall ist. Es ändern sich z.B. die Eigenschaften in so einer 2D-Heterostruktur auf verblüffende Weise, wenn man den Winkel zwischen zwei benachbarten Lagen ändert. Dann entstehen sogenannte Moiré-Effekte, die Potentiallandschaften erzeugen.
Konkret interessieren uns die gekoppelten optischen, elektronischen und magnetischen Eigenschaften von 2D-Halbleitern und ihren Heterostrukturen bei tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (bei ca. -270 °C). Diese Eigenschaften untersuchen wir dann, in dem wir mit Laserlicht auf die Proben leuchten und schauen, was als Antwort vom Material zurückkommt. Zudem haben wir eine Reihe von Kontrollparametern im Experiment, z.B. Magnetfeld oder Temperatur, in deren Abhängigkeit wir diese Eigenschaften untersuchen können.
Mit welchen Forschungsschwerpunkten und Projekten werden Sie sich an der TU Braunschweig auseinandersetzen?
Meine Arbeitsgruppe wird sich im Wesentlichen mit der magneto-optischen Tieftemperatur-Spektroskopie an neuartigen 2D-Quantenmaterialien befassen. Uns interessieren insbesondere die Exzitonen in diesen Materialien. Das sind gebundene Elektronen-Loch-Paare im Halbleiter, die Licht emittieren können. Wir machen grundlagenorientierte Forschung zum besseren Verständnis gekoppelter Quantenphänomene in Heterostrukturen aus diesen Materialien und untersuchen völlig neue 2D-Quantenmaterialien für zukünftige Anwendungen in der Quantenmetrologie und im Quantensensing.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Ich denke, wie bei vielen Dingen im Leben war da viel Zufall dabei. Es gibt ja unheimlich viele sehr spannende Forschungsgebiete. Ich komme ursprünglich aus Berlin und habe dort an der TU studiert, wo die Festkörperphysik ebenfalls sehr stark vertreten ist. So bin in über Experimente im Fortgeschrittenenpraktikum schon im Bachelor in diese Physikrichtung geraten. Nach meinem Doktor in Paris habe ich innerhalb der experimentellen Festkörperphysik mein Forschungsfeld gewechselt, weil mir mein Doktorvater damals empfohlen hatte, an einem „hot topic“ zu arbeiten, wenn ich eine Karriere in der Wissenschaft anstrebe. Dieses heiße Thema waren dann gerade diese 2D-Quantenmaterialien, womit ich mich dann vier Jahre während meines Postdocs in München beschäftigt habe. Und offensichtlich lag mein Doktorvater in seiner Einschätzung goldrichtig, sonst wäre ich heute nicht hier. In diesem Feld gibt es viele interessante Fragen, auf die wir versuchen wollen, Antworten zu finden. Oft findet man auch erstmal noch mehr interessante Fragen statt Antworten. Hoffentlich können diese Materialien in Zukunft auch für nützliche Anwendungen verwendet werden. Aber erstmal bedarf es noch an weiterer Grundlagenforschung. Schließlich gibt es ohne die Grundlagenforschung von heute keine neue Anwendung von morgen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten aus?
Ich bin erst seit fast zwei Monaten Juniorprofessorin. Aktuell besteht mein Leben im Wesentlichen aus Anträgen, E-Mails und Anrufen. In naher Zukunft dann hoffentlich: Forschung, Lehre, Administratives.