Zukunftssicher durch Radare und sparsame Edge-KI-Anwendungen Doppelte EU-Förderung für Braunschweiger Mikroelektronik
Wie sieht Europas technologische Zukunft aus – und wo entstehen die Grundlagen dafür? In Braunschweig. Das Institut für CMOS Design der Technischen Universität Braunschweig konnte gleich mit zwei Forschungsideen die Europäische Union überzeugen. Mit insgesamt 1,7 Millionen Euro Fördermitteln und in Kooperation mit Partnern aus ganz Europa gestalten die Wissenschaftler*innen um Professor Vadim Issakov und Professor Thomas Kämpfe den Weg hin zu einer sicheren, energieeffizienten und unabhängigen Mikroelektronik.
Beide Projekte – „MOSAIC“ und „NeAIxt“ – stehen exemplarisch für das Vorhaben, Europas technologische Souveränität zu stärken. Insgesamt investieren Industrie und Forschung 150 Millionen Euro, davon 41 Millionen Euro EU-Förderung, in diese wegweisenden Vorhaben.
„MOSAIC“: Sichere Sensorik für Europa
Mit 49 Projektpartnern und 53 Millionen Euro Gesamtförderung geht das MOSAIC-Projektteam die Erforschung von Sensorik für automatisierte Systeme an. Gerade wenn es um Sicherheitsaspekte beim automatisierten Fahren, bei KI-Erkennung und ausfallsicherer Kommunikation geht, plant die EU, möglichst alle Bauteile auch in Europa entwickeln zu lassen. Das Braunschweiger Team um Institutsleiter Professor Vadim Issakov bringt hierbei seine Expertise in der Radarentwicklung ein (Teilprojekt: Highly-integrated digital radar at D-Band for resilient MIMO radar network). Die Forschenden entwickeln einen Demonstrator, der zu einer der zentralen Säulen des EU-Projekts, einem 360-Grad-Radar, beiträgt.
Ein solcher Radar könnte beispielsweise Fahrzeuge unabhängiger von Kamera-Sensoren machen, die durch schlechte Witterungsverhältnisse stark beeinträchtigt werden. Das Forschungsteam nimmt die Herausforderung an, eine bislang unerreichte Präzision auf kleinstem Raum zu realisieren und baut dabei auf den TU-Forschungsschwerpunkt Metrologie.
Professor Issakov bringt hierbei seine Expertise in der Entwicklung der integrierten Schaltungen für Radaranwendungen ein:
„In diesem Projekt erforscht das Institut für CMOS Design mit Projektpartnern Radarsysteme mit einem digitalen Modulationsansatz, zum Beispiel Phase-Modulated Continuous Wave (PMCW), eine neue Radartechnologie zur Objekterkennung. Davon versprechen wir uns große Vorteile im Vergleich zur herkömmlichen analogen Modulation (Frequency Modulated Continuous Wave, kurz FMCW). Das ist aber auch verbunden mit einigen großen wissenschaftlichen Herausforderungen, etwa die breitbandige TX/RX-Verkopplung auf dem Chip. Neue Modulationsansätze eröffnen eine neue Dimension von Radarsystemen – mit höherer Präzision beim Verfolgen mehrerer Objekte in komplexen Umgebungen.“
MOSAIC verfolgt das Ziel, die technologische Unabhängigkeit Europas im Bereich der Electronic Components and Systems (ECS) für automatisierte Systeme zu stärken – im Einklang mit dem EU Chips Act. Das Projekt entwickelt energieeffiziente, robuste und kognitive ECS der nächsten Generation, die modernste Sensor-Hardware integrieren und durch nahtlose Interoperabilität europäische Hersteller im globalen Wettbewerb unterstützen. Mit seiner Vision, Europa als weltweit führenden Standort für Automatisierung zu etablieren, setzt MOSAIC auf den Aufbau zuverlässiger europäischer Lieferketten, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie eine intelligente Integration europäischer Halbleitertechnologien.
„NeAIxt“: Für unabhängige und energieeffiziente Edge-KI-Anwendungen in Europa
Ein weiteres EU-Projekt unter Mitwirkung der TU Braunschweig ist „NeAIxt“, das sich mit dem Thema „Edge KI“ befasst. „Edge KI“ ist eine Kombination aus Künstlicher Intelligenz (KI) und Edge Computing, bei dem Daten direkt am „Rand“ des Netzwerks, also nah an der Datenquelle (z. B. einem Gerät), verarbeitet werden. Dies ermöglicht Echtzeit-Entscheidungen mit geringer Latenz, erhöhter Sicherheit und ohne ständige Internetverbindung. Allerdings ist der Energiehunger von KI sehr hoch. Um diesen zu verringern, arbeitet das Forschungsteam um Professor Thomas Kämpfe in diesem Projekt an leistungsstarken, sicheren KI-Beschleuniger-Schaltungen.
Die Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig machen sich dabei Strukturen und Funktiondes des Gehirns zum Vorbild bei der Entwicklung energieeffizienter Systeme – sogenanntes Neuromorphes Computing. Das Gehirn mit 80 Milliarden Neuronen benötigt die Leistung von 20 Watt – zum Vergleich: Grafikkartensysteme verbrauchen 10 Megawatt für ähnliche Fähigkeiten.
Für das neuromorphe Computing entwickelt das Team von Professor Kämpfe sowohl die Hardware (CMOS Chips) als auch die effizienten KI-Modelle – sogenannte Spiking Neural Networks. Durch hardwareangepasstes Training können die neuronalen Netze verkleinert werden und damit einfach in der Edge bzw. in Geräten genutzt werden. Konkret entwickeln sie ein System für Condition Monitoring von Maschinen mit Rotoren – ein Verfahren zur kontinuierlichen Überwachung von Anlagen, um deren technischen Zustand in Echtzeit zu erfassen und frühzeitig Abweichungen und potenzielle Probleme zu erkennen.
Ziel ist eine europäische Lösung für zuverlässige und unabhängige Edge-KI-Anwendungen. Forschung zu energieeffizientem Computing ist dringend geboten – denn ohne Fortschritte in diesem Bereich wird Computing Ende der 2030er-Jahre neben Mobilität und Heizen einen relevanten Anteil am weltweiten Energieverbrauch haben. Schon heute werden KI-Rechenzentren mit Leistungen im Gigawatt-Bereich geplant.
Projektdaten:
Das Projekt „A Mosaic Of Essential Electronic Components And Systems For Our Automated Digital Future In Industry And Mobility” startete September 2025 und endet im August 2028. Die Förderung durch die EU beträgt 16 Millionen Euro.
Das Projekt „NeAIxt – Next Generation of edge AI crossing technology fields” startete im September 2025 und läuft bis August 2028. Die Förderung durch die EU berträgt 25 Millionen Euro.