Wie man einen Zellkern zum Leuchten bringt TU Braunschweig entwickelt Farbstoffmoleküle auf Basis von Zucker
Sprechen wir von Zucker, meinen wir oft das süß schmeckende, kristalline Lebensmittel, das aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wird. Chemisch betrachtet gehört Zucker zur Stoffklasse der Kohlenhydrate, den sogenannten Sacchariden. Einem Team von Chemikerinnen und Chemikern der Technischen Universität Braunschweig ist es gelungen, neuartige Farbstoffmoleküle – GlycoBODIPYs – zu entwickeln, die auf Zucker basieren. Das Besondere: Die komplexe Struktur der Zuckermoleküle lenkt den leuchtenden Farbstoff zu bestimmten Zellorten. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht.
Zucker können aus unterschiedlich langen Ketten von Molekülen bestehen und werden in Mono-, Di-, Tri-, Oligo- und Polysaccharide unterteilt. Monosaccharide, also Einfachzucker, sind beispielsweise Traubenzucker oder Fruchtzucker; zu den Zweifachzuckern, den Disacchariden, gehören Kristallzucker oder Milchzucker. In einer gemeinsamen Forschungsarbeit haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Institute für Organische Chemie und für Physikalische und Theoretische Chemie aus Mono-, Di- und Trisacchariden neue Farbstoffmoleküle entwickelt, sogenannte GlycoBODIPYs.
Mit ihrer Hilfe können bestimmte Bestandteile von Zellen mikroskopisch angefärbt werden. Zellorganellen wie Zellkerne oder Mitochondrien werden sichtbar gemacht, indem die neuentwickelten GlycoBODIPYs vermutlich zielgerichtet an spezifische Bindungsstellen andocken oder an zellulären Metabolismusprozessen der Zelle teilnehmen und diese somit anfärben. Das kann in verschiedenen Forschungsfeldern der Biochemie und Medizin von Relevanz sein, in denen die mikroskopische Auflösung von Zellprozessen mittels Fluoreszenzfarbstoffen eine Schlüsselmethode im Werkzeugkasten von Biochemiker*innen und Biolog*innen ist.
Komplexität und Funktion der Zuckermoleküle bleiben intakt
Um diese Moleküle herzustellen, haben Lukas Patalag und Somayeh Ahadi gemeinsam mit Professor Daniel B. Werz vom Institut für Organische Chemie in vier effizienten Syntheseschritten die Struktur von unterschiedlichen Zuckermolekülen aufgebrochen und fluoreszierende Farbstoffmoleküle angebaut. „Dabei ist es uns gelungen, die hohe Komplexität der Zuckermoleküle unbeschadet durch den Syntheseprozess zu bringen“, sagt Lukas Patalag. „Wir konnten nachweisen, dass die in jener Komplexität verborgene Funktion, eine Rolle im Schlüssel-Schloss-Prinzip der Natur zu spielen, noch immer vorhanden war.“
Auf der Oberfläche von Zellen und ihrer Organellen befinden sich oftmals maßgeschneiderte Zuckerreste, die Glykane. Verschiedene Toxine, aber auch Oberflächenareale von anderen Zellen und sogar Viren können an diese „Ausweise“ der Zellen binden. Sie passen dabei wie ein Schlüssel ins Schloss und leiten darauffolgende, biochemische Prozesse ein. In mikroskopischen Untersuchungen konnten Olesia Lashchuk und Professor Simon Ebbinghaus vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie demonstrieren, dass die GlycoBODIPYs als sozusagen leuchtende Zucker zielgerichtet Zellbestandteile anfärben können und sich auch als neue Fluoreszenzmarker eignen.