18. September 2025 | Presseinformationen:

Talsperre trifft Bergbau Innovatives Harzer Kombi-Kraftwerk als Schlüssel für Energiewende und Klimaanpassung

Technologietransferprojekt für ein Verbundsystem gestartet, das die Themen Energiespeicherung, Hoch- und Niedrigwasserschutz, Trinkwassersicherung und Mehrfachnutzung bergbaulicher Infrastruktur vereint.

Die Energiewende wird nur mit großen Speichern für grünen Strom funktionieren. Zugleich stellt der Klimawandel mit zunehmenden Wetterextremen wie Hochwasser und Dürre die regionale Wasserwirtschaft vor immer größere Probleme. Angesichts dieser Herausforderungen muss der Energie- und Wasserspeicher Harz (EWAZ) mit seinen zahlreichen Talsperren fit für die Zukunft gemacht werden. Dieses Ziel verfolgt das Millionenprojekt „EWAZ-Transfer“, an dem fünf Hochschulen, darunter die Technische Universität Braunschweig, und fünf Wirtschaftsunternehmen beteiligt sind. Die Zukunftsregionen Südniedersachsen und Südostniedersachsen fördern das Verbundvorhaben aus Mitteln der Europäischen Regionalförderung (EFRE). Den Förderbescheid hat Niedersachsens Ministerin für Europa und Regionale Landesentwicklung Melanie Walter am 18. September auf der Staumauer der Okertalsperre im Harz übergeben.

„Mit dem EWAZ-Transfer-Projekt setzen wir ein starkes Zeichen für den Klimaschutz und die kommunale Daseinsvorsorge“, betonte Ministerin Walter bei dem Termin. „Die intelligente Verbindung von Energie- und Wassersystemen schafft neue Arbeitsplätze, fördert die regionale Wertschöpfung und schützt vor den Folgen des Klimawandels. Wir setzen dabei auf innovative und passgenaue Lösungen, die den Menschen im Westharz und weit darüber hinaus in ganz Niedersachsen zugutekommen werden. Dabei zeigt dieses Projekt eindrucksvoll, wie Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen von morgen entwickeln können.“

Unter Federführung der Technischen Universität Clausthal setzt das Projekt auf den Know-how-Transfer aus der im Jahr 2022 abgeschlossenen wissenschaftlichen EWAZ-Vorstudie. „Es freut uns sehr, dass dieses Projekt von gesamtgesellschaftlicher Dimension weitergeführt wird. Die TU Clausthal kann zum einen ihre ureigene Kompetenz im Bereich bergbaulicher Hohlräume einbringen, zum anderen impliziert die Nachnutzung bereits vorhandener unterirdischer Infrastruktur exakt den Nachhaltigkeitsgedanken, den wir mit unserem Leitthema Circular Economy adressieren“, so unisono Universitätspräsidentin Dr.-Ing. Sylvia Schattauer und Professor Jens-André Paffenholz, Direktor am Institute of Geotechnology and Mineral Resources (IGMR) der TU Clausthal. Das neue Transferprojekt greift den Systemgedanken auf und entwickelt daraus ein Leitprojekt zur Umsetzung eines Piloten für ein sogenanntes Kombi-Kraftwerk. „Es werden zwei intensive Projektjahre, in denen wir nun konkrete Schritte in Richtung der Umsetzung von Kombi-Kraftwerken unternehmen werden. Dabei spielen u.a. die geotechnischen Untersuchungen und Simulationen eine entscheidende Rolle“, sagt Professor Thomas Ulrich (IGMR, Department of Geosciences).

„Unter anderem aufgrund der Folgen des Klimawandels mit zunehmenden hydrologischen Extremen sind Anpassungen bestehender Systeme für eine höhere Flexibilität des wasserwirtschaftlichen Betriebs notwendig. Kombikraftwerke sind eine sinnvolle Ergänzung nicht nur zur Speicherung und Erzeugung von Energie, sondern gleichzeitig auch zur Verbesserung von Aspekten des Hochwasserschutzes, der ökologischen Wasserabgaben und Trinkwasserabgabe,“ erklärt Professor Kai Schröter, Leiter der Abteilung Hydrologie und Flussgebietsmanagement am Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) der Technischen Universität Braunschweig, die das Projekt mit Simulationen der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen des Speicherbetriebs unterstützt.

Konkreter Projektansatz ist es, bereits vorhandene bergbauliche Hohlräume mit den ebenfalls vorhandenen Talsperren des Westharzes zu verbinden. Auf diese Weise können neue Kapazitäten für Pumpspeicherkraftwerke mit minimalen zusätzlichen Eingriffen in die Umwelt geschaffen werden. Mit der Kopplung von energiewirtschaftlichen und wasserwirtschaftlichen Funktionen entstehen so Kombi-Kraftwerke, die sowohl zur Speicherung von regenerativer Energie als auch für die wasserwirtschaftlichen Funktionen Trinkwasserversorgung, Hochwasserschutz und Niedrigwasseraufhöhung eingesetzt werden können.

Derartige Bauwerke sind in der vorgeschlagenen Konzeption nicht nur im Westharz neu: Einerseits stellen sie eine Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel im Rahmen der Energiewende in Norddeutschland dar, andererseits dienen sie der Daseinsvorsorge in den Zukunftsregionen Südost- und Südniedersachsen. Insbesondere werden dazu folgende Aspekte adressiert:

  • Systemische Betrachtung der verschiedenen Standorte als kombiniertes energie- und wasserwirtschaftliches Verbundsystem
  • Anpassung der energie- und wasserwirtschaftlichen Infrastruktur an den Klimawandel
  • Konzeption und Voruntersuchung des ersten, innovativen Kombi-Kraftwerkes
  • Entwicklung, Ausführung, Simulation und Optimierung der Betriebsführung der Kombi-Kraftwerke im Verbund und Einzelbetrieb
  • Erbringung von Systemdienstleistungen für Hoch- und Niedrigwasserschutz, Trinkwassergewinnung und Speicherung regenerativer Energien

Das zu entwickelnde energie- und wasserwirtschaftliche Verbundsystem hat einen hohen Innovationsgrad und wird mit Kooperationspartnern aus der Wasser- und Energiewirtschaft bearbeitet. Sie unterstützen das Vorhaben durch eine integrative Mitarbeit sowie eine Mitfinanzierung, was die hohe praktische wirtschaftliche Relevanz des Themas unterstreicht. Zum interdisziplinären Projektverbund zählen neben der TU Clausthal vier weitere Hochschulen: die TU Braunschweig, die Hochschule Ostfalia, die Universität Göttingen und die Leibniz Universität Hannover. Hinzu kommen fünf Partner aus der Wirtschaft: die Harzwasserwerke, Uniper, Harz Energie, die VGH Versicherungen und die Öffentliche Versicherung Braunschweig.

Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren und verfügt über ein Gesamtvolumen von knapp 2,4 Millionen Euro. Davon wird knapp eine Million Euro aus EFRE-Mitteln der beteiligten Zukunftsregionen gefördert. Der erforderliche Kofinanzierungsanteil von rund 1,4 Millionen Euro wird im Wesentlichen durch die Industriepartner getragen, deren starkes Engagement eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung des Projekts bildet.