Künstliche Intelligenz in der Justiz Forschungsverbund unter Leitung der TU Braunschweig untersucht Chancen moderner Softwaretechnologien im Rechtswesen
Im jetzt gestarteten „Ladenburger Kolleg“ nimmt die Daimler und Benz Stiftung den Einsatz großer Sprachmodelle, sogenannter Large Language Models (LLM), im Justizwesen in den wissenschaftlichen Fokus. Für das Förderprojekt „Technologische Intelligenz zur Transformation, Automatisierung und Nutzerorientierung des Justizsystems (TITAN)“ stehen rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. An dem Forschungsverbund mit insgesamt sieben Universitäten ist federführend die Technische Universität Braunschweig beteiligt, die mit Professorin Anne Paschke das Projekt koordiniert und leitet.
Im Justizsystem geht es vornehmlich um die Erstellung, Auslegung und Anwendung rechtlich relevanter Texte. Vereinzelt nutzen Akteur*innen dafür bereits heute KI-Systeme wie ChatGPT – bislang jedoch weitgehend unkoordiniert. Das neue Förderprojekt soll dazu beitragen, den Umgang mit lernender Software zu systematisieren. Denn künstliche Intelligenz eröffnet ungeahnte Chancen: Routineaufgaben könnten automatisiert, komplexe Probleme einfach gelöst und individuelle Bedürfnisse vorausschauend erkannt werden. Gleichzeitig sind damit jedoch Risiken verbunden und auf der Anwenderseite gibt es Vorbehalte und Ängste, aber auch Hoffnungen.
„Im Ladenburger Kolleg TITAN wollen wir untersuchen, ob künstliche Intelligenz Funktionen im Justizsystem effizient erfüllen kann, sodass Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaat gestärkt werden“, erklärt Professorin Anne Paschke vom Institut für Rechtswissenschaften der TU Braunschweig. Eine wesentliche Voraussetzung sei etwa die Akzeptanz seitens Justizangehöriger, Rechtsanwält*innen sowie Akteur*innen der Rechtspflege.
Von der Rechtsinformatik bis zur Organisationspsychologie
Als wissenschaftliche Leiterin des Förderprojekts bringt Paschke Vertreter*innen unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammen: Rechtsinformatik, Betriebswirtschaftslehre, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Öffentliches Recht, Zivilrecht, Strafrecht und Rechtstheorie. Für den effizienten Einsatz von KI-Systemen wollen die Expert*innen zum einen konkrete Felder im Justizsystem identifizieren, in denen Softwaretechnologien den Menschen zielgenau unterstützen und entlasten können. Dabei gilt es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die jeweiligen Einsatzszenarien zu definieren und sicherzustellen.
Darüber hinaus widmen sich die Wissenschaftler*innen zentralen psychologischen Fragen, etwa der Vertrauenswürdigkeit, der Gestaltung von Arbeits- und Veränderungsprozessen und der gefühlten Verantwortlichkeit der einzelnen Akteur*innen. Zur künftigen Akzeptanz digitaler Transformationsprozesse tragen nach Einschätzung der Expert*innen auch agile Organisationsformen mit schnellen Entscheidungsprozessen, hoher Eigenverantwortung und Fehlerakzeptanz bei. Auch Sichtweisen externer Stakeholder wollen die Wissenschaftler*innen einholen und einen Blick aus internationaler Perspektive wagen. Die interdisziplinäre Forschung im Projekt TITAN findet über einen Zeitraum von drei Jahren statt.
Sieben Universitäten, ein Projektteam:
Technische Universität Braunschweig
Prof. Dr. Anne Paschke (Koordination und Projektleitung), Öffentliches Recht und Digitalrecht
Georg-August-Universität Göttingen
Prof. Dr. Philipp Reuß, MJur (Oxford), Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht
Universität Konstanz
Prof. Dr. Liane Wörner, LL.M. (UWMad), Strafrecht und Rechtstheorie
Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Dominik Brodowski, LL.M. (UPenn), Strafrecht und Digitalrecht
Technische Universität München
Prof. Dr. Matthias Grabmair, LL.M, Rechtsinformatik
Prof. Dr. Isabell M. Welpe, Strategie und Organisation
Universität Freiburg
Prof. Dr. Markus Langer, Arbeits- und Organisationspsychologie
Stanford University, USA
Prof. Dr. Daniel E. Ho, Rechtsinformatik und Politikwissenschaft
Im Rahmen des „Ladenburger Kollegs“ befasst sich die Wissenschaftler*innengruppe ab sofort mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz im Justizsystem. Die Daimler und Benz Stiftung fördert den Forschungsverbund für drei Jahre mit rund 1,5 Millionen Euro.