Klimawandel und Mikroorganismen in der unteren Atmosphäre Durch steigende Temperaturen: Natürliches Gleichgewicht in Troposphäre in Gefahr
Das Institut für Flugführung der Technischen Universität Braunschweig hat an einer Forschungsreihe teilgenommen, bei der Forschende der Nanyang Technological University in Singapur das Vorhandensein von Mikroorganismen im Höhenband bis 3.500 Meter untersucht haben. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass die Bakterien und Pilzsporen in der unteren Atmosphäre, der Troposphäre, eine sehr spezifische Verteilung aufweisen und stark von den jeweils vorherrschenden Temperaturen abhängig sind. Die durch die globale Erderwärmung verursachten höheren Lufttemperaturen werden diese Bakterien- und Pilzsporen-Populationen beeinträchtigt und damit auch das natürliche Gleichgewicht, das sich in tausenden von Jahren eingestellt hat, nachhaltig gestört.
Atmosphärische Mikroorganismen bestehen aus Bakterien und Pilzsporen. Diese verbleiben größtenteils in der freien Atmosphäre, sobald sie einmal von der Erdoberfläche in die Luft verbracht wurden. Von diesen Mikroorganismen kehren nur Bruchteile wieder auf die Erde zurück, zum Beispiel mit Regentropfen.
„Die Studienergebnisse zeigen eine vertikale Verteilung der Mikroorganismen in der Erdatmosphäre“, sagt Professor Stephan Schuster, der leitende Wissenschaftler der Untersuchung vom Singapore Centre for Environmental Life Sciences Engineering (SCELSE) an der Nanyang Technological University in Singapur. „Wir können zeigen, dass die Zusammensetzung der Mikroorganismen in unserer Atmosphäre ausschließlich von der Temperatur abhängig ist. Durch die steigenden Lufttemperaturen, hervorgerufen durch den globalen Temperaturanstieg, wird diese Zusammensetzung und Verteilung der Mikroorganismen nachhaltig gestört. Diese Änderungen können zu einem Problem für Mensch und Natur werden.“
Die jetzt entdeckte vertikale Verteilung der Mikroorganismen sowie deren Temperaturabhängigkeiten wird ein Startpunkt für weitere Untersuchungen sein, um die Auswirkungen auf Mensch und Natur, beispielweise in der Nahrungsmittelproduktion, zu untersuchen sowie um geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Bei der Untersuchungsreihe, die im Herbst 2018 stattfand, kam das Forschungsflugzeug der TU Braunschweig, die Dornier Do128-6 „D-IBUF“, für Messungen in unterschiedlichen Höhen (von 300 Meter bis auf 3500 Meter über Grund) zum Einsatz. „Wir haben die Messflüge durchgeführt, die dazugehörige Einrüstung und Zulassung organisiert sowie bei der Ausarbeitung aus meteorlogischer Sicht unterstützt“, sagt Dr. Thomas Feuerle von der TU Braunschweig.
Bei den Flügen wurde mit sogenannten „Luftmassenfiltern“ die Biomasse in den jeweiligen Luftschichten bei Flügen am Tage und in der Nacht gesammelt. Baugleiche Luftmassenfilter kamen parallel und synchronisiert auf einem 200 Meter hohen Messmasten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zum Einsatz. Insgesamt wurden 480 Luftproben in Deutschland gesammelt und nachfolgend in Singapur ausgewertet. Eine überraschende Erkenntnis war dabei, dass die Zusammensetzung der Mikroorganismen in Höhen größer als ca. 1000 Meter konstant war, unabhängig von Tag oder Nacht. Es wurden über 10.000 verschiedene Arten von Bakterien und Pilzspuren in diesen Höhen identifiziert. Die Zusammensetzung in solch großen Höhen unterschied sich stark von der Zusammensetzung der erdnahen Luftschichten (bis ca. 300 Meter Höhe). Diese Zusammensetzung schwankte sehr stark zwischen Tag und Nacht.
Die Studienergebnisse wurden Anfang Februar 2022 im Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS)” durch das interdisziplinäre Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Professor Stephan Schuster veröffentlicht.