Kleiner ist besser: Miniatur-Flugumgebung bewährt sich als Forschungsplattform Störpotenzial von Windenergieanlagen im Flugverkehr genauer erfassen
Ein Forschungsteam der Technischen Universität Braunschweig untersuchte das Störpotenzial von Windenergieanlagen für die Flugzeugnavigation. Nach 32 Monaten Entwicklungszeit und mithilfe ihrer verkleinerten Messumgebung stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt „min-VOR-Win“ ein neues Messverfahren vor. Damit ist es möglich, den Einfluss von vorhandenen oder geplanten Windrädern zu beschreiben.
Das Projekt-Akronym „min-VOR-Win“ setzt sich zusammen aus „miniaturisiertes VOR und Windenergieanlagen“ und zeigt an, worum sich die Untersuchungen drehten: Im Mittelpunkt standen sogenannte Drehfunkfeuer oder auch VOR, in der englischen Sprache kurz für „VHF Omni-directional Radio range“. Ein Drehfunkfeuer dient als elektronischer Streckenkompass für Flugzeuge. Da ihre Signale nicht verfälscht werden dürfen, sollen in ihrem Umkreis keine Windräder gebaut werden.
Im Rahmen des Forschungsprojektes des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit (IEMV) der TU Braunschweig kam eine miniaturisierte Messumgebung zum Einsatz. Diese Methode zur Bewertung von möglichen Störeinflüssen durch Windräder auf das VOR-System zeigte sich nach Abschluss der Analyse als erfolgreich.
Der Ausbau des Windenergie-Sektors mit weiteren oder moderneren Windenergieanlagen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verzögert. Einer der Gründe: Seitens der Deutschen Flugsicherung (DFS) werden unzulässige Störungen des VOR-Systems vermutet. Die bisherige Methodik zur Prognose des Störpotenzials wird inzwischen von Teilen der Wissenschaft angezweifelt, stellt jedoch noch immer die Grundlage für die Rechtssprechung dar.
„Mit unserem in nur 32 Monaten Projektlaufzeit entwickelten Messverfahren kann man nun Aussagen machen wie: Ein Windrad in Betriebszustand X (Drehzahl, Windrichtung, Flügelform) führt zu einem Winkelfehler Y beim Drehfunkfeuer“, sagt Projektleiter Robert Geise. „Wir sind bisher die einzige Forschergruppe weltweit, die überhaupt dynamische Szenarien realistisch analysieren konnte, zum Beispiel die Drehbewegung eines Windrades oder die Reaktion eines Empfängers.“
Ein weiterer Vorteil des Messverfahrens liege darin, dass man geplante Bauvorhaben vor deren Errichtung realitätsgetreu untersuchen kann. Außerdem können in der verkleinerten Messumgebung die wesentlichen Parameter gezielt und reproduzierbar eingestellt sowie ihr Einfluss mit sehr geringem Aufwand vermessen werden.
Drei wesentliche Ergebnisse des Projekts sind zu nennen:
- Die Winkelfehler in der Navigation durch Windenergieanlagen werden systematisch überschätzt. Das zeigt eine Vielzahl von Messungen in der verkleinerten Umgebung.
- Das Institut für Flugführung der TU Braunschweig validierte die Methodik des Messverfahrens, entwickelt im Miniaturmaßstab, erfolgreich durch Messflüge in Originalumgebungen.
- Insbesondere bei sehr großen Windparkanlagen ist die Frage entscheidend, wie sich Störungen einzelner Windenergieanlagen in der Summe auswirken. Auch hier sind im Projekt bereits wichtige Vorarbeiten erfolgt, die die derzeitig praktizierte Methodik widerlegen.
Bei der Fertigung der im Maßstab 1:144 verkleinerten Windradmodelle nach Originaldaten von Senvion und Siemens waren die Werkstätten des Instituts für Hochspannugstechnik und Elektrische Energieanlagen (elenia) und der Institute für Hochfrequenz- und Nachrichtentechnik der TU Braunschweig entscheidend mit eingebunden.
Derzeit widmen sich viele internationale Forschergruppen diesem drängenden Thema. „Dass wir mit unserem kleineren Team einen deutlichen wissenschaftlichen Vorsprung herausarbeiten konnten, ist ein gutes Beispiel dafür, dass gute Forschung nicht immer große Konsortien erfordert“, sind sich Institutsleiter Professor Achim Enders und Dr. Geise einig.