Junge Naturfilmer in der Schule Zeitlupenkameras verbessern Motivation und Merkfähigkeit im Unterricht
Eine Libellenlarve beim Beutezug, ein fallender Ahornsamen, ein Fußball im Moment des Abstoßes – viele Phänomene vollziehen sich so schnell, dass wir sie nur schemenhaft beobachten können. 73 Schülerinnen und Schüler aus Real- und Gesamtschulen in Braunschweig und Calberlah / Kreis Gifhorn sind jetzt auf naturwissenschaftliche Entdeckungsreisen gegangen – ausgerüstet mit modernen Zeitlupenkameras. Sie filmten Ereignisse, analysierten sie am Computer und belegten eigene Vermutungen mithilfe ihrer Aufnahmen. Im Rahmen eines Pilotprojekts haben Wissenschaftlerinnen an der Technischen Universität Braunschweig jetzt nachgewiesen, dass der Einsatz der Kameras Motivation und Merkfähigkeit steigern kann.
Die neue Unterrichtsmethode wurde von Dagmar Hilfert-Rüppell, Dagmar Hinrichs und Prof. Maike Looß am Institut für Didaktik der Naturwissenschaften entwickelt und erprobt. Die Wissenschaftlerinnen konnten jetzt belegen, dass die Schülerinnen und Schüler begeisterter bei der Sache waren. Sie behielten auch den Unterrichtsstoff besser als eine Vergleichsgruppe, die Filme ausschließlich ansah, ohne sie selbst hergestellt zu haben.
„Auch Forscher nutzen Hochgeschwindigkeitskameras, um wissenschaftliche Erkenntnisse über schnelle Vorgänge zu gewinnen“, erklärt Dagmar Hilfert-Rüppell, die selbst früher als Biologin und Naturfilmerin unter anderem Libellen erforscht hat. Dadurch, dass digitale Kameras inzwischen selbst für Schulen erschwinglich werden, können die Schülerinnen und Schüler wie echte Forscher arbeiten. Die neue Technik ermöglicht ihnen exemplarisch einen einfachen und attraktiven Zugang zur Wissenschaft, indem sie Hypothesen aufstellen, Experimente planen und ausführen und die daraus gewonnenen Daten analysieren und deuten. Die Digitalkameras sind leicht zu bedienen und filmen mit einer Bildrate von bis zu 1.200 Bildern pro Sekunde. Damit können die Schülerinnen und Schüler selbstständig schnellste Bewegungen sichtbar machen und exakt deren Zeit und Geschwindigkeit messen.
Im Rahmen dieses Projektes wurden insgesamt 144 Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen 8 bis10 in zwei Gruppen geteilt. Die erste Gruppe durfte selbst eine Zeitlupenkamera bedienen und damit Kurzfilme anfertigen. Anschließend übertrugen die 73 jungen Probandinnen und Probanden die Filme auf den Computer und untersuchten die Phänomene dort. Die Kurzfilme lieferten einen Einblick in sehr schnelle und daher sonst nicht sichtbare Bewegungsabläufe. Eine Vergleichsgruppe analysierte dieselben Phänomene anhand von fertigen Filmen ebenfalls am Laptop. Vor und nach dem Experiment erhoben die Wissenschaftlerinnen anhand von Fragebögen die Medienkompetenz, die Motivation und die längerfristigen Lernergebnisse der Jugendlichen. „Das Ergebnis hat uns positiv überrascht“, fasst Dagmar Hilfert-Rüppell zusammen: „Bereits nach der ersten Anwendung der Zeitlupenfilmmethode zeigten sich die Schülerinnen und Schüler aus sechs Klassen motivierter und interessierter als die Vergleichsgruppe. Und: Wenn Lernende motiviert sind, erlangen sie ein tieferes Verständnis.“ Auch die langfristigen Lerneffekte konnten gesteigert werden: Zwar erbrachte der Wissenstest direkt im Anschluss an den Unterricht etwa gleiche Werte für beide Gruppen. Drei Wochen später jedoch erreichten die Schüler, die selbst gefilmt hatten, bei demselben Test signifikant bessere Ergebnisse als die Vergleichsgruppe ohne den eigenen Einsatz der Zeitlupenkamera.
„Wir sind überzeugt davon, dass Zeitlupenkameras künftig bei vielen Lehreinheiten nützlich sein können, insbesondere in den Naturwissenschaften, aber auch bei der Analyse von Bewegungsabläufen im Sportunterricht,“ erläutert Dagmar Hinrichs. Die beteiligten Schülerinnen und Schüler geben ihr Recht: Mehr als 80 Prozent von ihnen würden gerne die Kameras häufiger und auch in anderen Schulfächern nutzen.
Beispiele für die Kurzfilme, die im Rahmen des Projektes entstanden, finden Sie unter
www.tu-braunschweig.de/presse/veroeffentlichungen/filme/zeitlupenprojekt
Kontakt:
Dr. Dagmar Hilfert-Rüppell
Technische Universität Braunschweig
Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abt. Biologie und Biologiedidaktik
Bienroder Weg 82, 38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391 94097
E-Mail: d.hilfert-rueppell@tu-braunschweig.de
www.ifdn.tu-bs.de/didaktikbio