Intelligentes Pflaster soll schonendere Atemunterstützung von Frühgeborenen ermöglichen TU Braunschweig und Neonatologie der Universitätsmedizin Göttingen beteiligt an Entwicklung eines adaptiven Beatmungssystems
Bei frühgeborenen Kindern, deren Lungen sich noch in der Entwicklung befinden, ist die lebensnotwendige Atemunterstützung besonders herausfordernd. Sie ist deswegen ein zentrales Forschungsgebiet der Neonatologie, einem Spezialbereich der Kinder- und Jugendmedizin. Studien haben gezeigt, dass eine Atemunterstützung, die sich an die Eigenatmung der Frühgeborenen anpasst, zu besseren Langzeitergebnissen führt. Das Verbundprojekt smartNIV hat zum Ziel, ein nicht-invasives Sensorsystem im Pflaster-Format zu entwickeln, das dabei hilft, Beatmungsgeräte besser und zuverlässiger als bisherige Systeme zu steuern. Neben der Universitätsmedizin Göttingen und industriellen Entwicklungspartnern ist auch das Institut für Mikrotechnik der Technischen Universität Braunschweig an diesem Projekt beteiligt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit über 1,2 Millionen Euro für 2,5 Jahre gefördert.
Damit sich Beatmungsgeräte optimal der Eigenatmung von Frühgeborenen anpassen können, müssen die einzelnen Phasen der Atmung millisekundengenau erfasst werden. Ziel von smartNIV ist es deshalb, ein nichtinvasives Beatmungssystem für Frühgeborene zu entwickeln, das die Atembewegungen der Kinder über ein hochelastisches, intelligentes Pflaster aufnimmt und an das Beatmungsgerät weitergibt. Das Institut für Mikrotechnik (IMT) hat in einem früheren Projekt zusammen mit der Universitätsmedizin Göttingen erste Versionen von intelligenten Pflastern hergestellt und baut nun im smartNIV Projekt auf diesen Ergebnissen auf.
Hochelastisches Sensor-Pflaster erfasst Atembewegungen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Mikrotechnik wollen das Sensorpflaster nun so weiterentwickeln, dass es durch den Einsatz hochelastischer Materialien optimal an die Frühgeborenen angepasst ist. Das Pflaster enthält ein dünnes Netzwerk von Sensoren und soll auf die Haut der Kinder zwischen Brust und Bauch angebracht werden. „Dort wird es die mechanischen Verformungen des Brustkorbs, die durch die Eigenatmung der Kinder verursacht werden, mithilfe der integrierten Sensoren messen. Ein System künstlicher Intelligenz wird die Sensordaten auswerten und ein adaptives, also ein sich anpassendes Steuersignal an das Beatmungsgerät senden. Eine derart schonende Beatmung, die durch ein dünnes und kostengünstiges Sensorpflaster ohne Bewegungseinschränkung gesteuert wird, gibt es bisher noch nicht“, sagt Professor Andreas Dietzel vom IMT.
Mit dem Beatmungssystem kann die gesamte Beatmungskurve, das heißt der Beginn der Ein- und Ausatmung und die Intensität der Atemanstrengungen dazwischen, aufgezeichnet werden. „Erstmals könnte es möglich sein, die Atemanstrengungen von Neugeborenen auch bei nicht-invasiver Beatmung millisekundengenau zu unterstützen. Zurzeit ist dies nur mit invasiver Beatmung möglich“, erklärt Dr. Helmut Küster, Leiter der Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Pädiatrische Kardiologie, Intensivmedizin und Pneumologie an der Universitätsmedizin Göttingen.
Viele Sensoren haben viele Vorteile
Im Sensor-Pflaster sollen parallel gleich mehrere Sensoren verwendet werden. Dadurch wird es einfacher, zwischen den Bewegungen des Kindes und den Atembewegungen zu unterscheiden und ein zuverlässiges Signal zu übermitteln. Das Multisensorkonzept hat noch einen weiteren Vorteil: Das gesamte System funktioniert auch dann noch, wenn einige Sensoren ausfallen.
Eine Besonderheit des gesamten Beatmungssystems ist außerdem die geplante Steuerung mithilfe künstlicher Intelligenz. „Zurzeit gibt es kein vergleichbares System, das sich automatisch an die Beatmungssituation anpassen kann. Herkömmliche Systeme sind fest programmiert und daher sehr störanfällig, wenn unerwartete Bewegungen auftreten“, erklärt Dr. Eugen Koch vom IMT.