Digitalisierung: Computer-Chips nach dem Fabrik-Prinzip Transatlantisches Projekt „Information Processing Factory“ gestartet
Autonomes Fahren, Industrieelektronik oder moderne Medizintechnik verlangen eine neue Generation von Computer-Chips, um die Versprechen der Digitalisierung einzulösen. Davon ist ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universitäten Braunschweig und München sowie der University of California überzeugt. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Information Processing Factory“ erforschen und entwickeln sie seit dem 01. Januar 2018 die Voraussetzung dafür. Mit rund 2 Million Euro wird das Projekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die US-amerikanische National Science Foundation (NSF) gefördert, die sich dafür zu einer ungewöhnlichen Kooperation zusammen gefunden haben.
„Die Versprechen der Digitalisierung werden mit der aktuellen Chip-Generation kaum technologische Realität“, erklärt Professor Rolf Ernst vom Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig. „Um den Anschluss zu bekommen, benötigen wir neue Forschungsansätze, die wir mit unserem neuen Forschungsprojekt verfolgen“, ergänzt Professor Andreas Herkersdorf vom Lehrstuhl für Integrierte Systeme der TU München.
Mehr Leistung für die Technologien der Zukunft
Planung, Logistik und Fertigungslinien greifen ineinander und werden über vernetzte Steuerungs- und Planungsebenen in einer Funktionshierarchie zusammengeführt. So funktionieren modernen Fabriken, in der eine Vielzahl komplexer Prozesse ablaufen. Dieses Prinzip überträgt das deutsch-amerikanische Forschungs-Team aus Braunschweig, München und Irvine/Kalifornien nun auf Computer-Chips. Wie in modernen Fabriken sollen im Ansatz der „Information Processing Factory“ eine Vielzahl an Überwachungs- und Kontrollfunktionen hohe Zuverlässigkeit und gleichzeitig hohe Flexibilität ermöglichen, um sich dynamisch auf Änderungen in der Produktion und auf Ausfälle einzustellen.
Intelligente, lernende Steuerung
Allerdings müssen in den Computer-Chips alle Vorgänge autonom ablaufen, der Chip beobachtet und steuert sich selbst. Dafür erforschen und entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine intelligente, lernende Steuerung, die auf einem ständig aktualisierten Selbstbild des Chips aufsetzt. Als Beispiele für den Einsatz ihrer „Information Processing Factory“ wollen sie Anwendungen im Bereich des autonomen Fahrens und der Medizintechnik verwenden.
Hintergrund: Kleiner, aber nicht besser
Computer-Chips vereinen viele Milliarden Transistoren auf einer einzigen Schaltung, die kleiner als ein Fingernagel ist. Das ist nur möglich, weil diese Schaltungen, auch „Chips“ genannt, über Jahrzehnte zu immer kleineren physikalischen Strukturgrößen vorgestoßen sind, die nur funktionieren, weil sie komplizierte physikalische Effekte im atomaren Bereich nutzen. Längst erfordern diese Schaltungen komplizierte Steuerungen, die ihre Schaltfrequenz, Energieverbrauch, und Temperatur regeln und gegebenenfalls reagieren, wenn der Chip überlastet wird und auszufallen droht.
Moderne Chips verfügen dazu über ein Netz von Sensoren, auf die diese Steuerungen zugreifen. Im Laufe der Entwicklung ist eine Vielzahl derartiger Steuerungen entstanden, die nebeneinander her, teilweise sogar gegeneinander arbeiten. Das wird problematisch, wenn die Chips in sicherheitskritischen oder hochzuverlässigen Anwendungen eingesetzt werden, wo immer Sicherheitsmargen vorzusehen sind. Solche Schaltungen werden daher sehr konservativ ausgelegt, weshalb viel Leistungspotential der Schaltungen verschenkt werden muss.
Zur Kooperation von NSF und DFG
Mit der Förderung des Forschungsprojektes „Information Processing Factory“ gehen die DFG und die NSF einen ungewöhnlichen Weg. Denn die Mittel werden nicht im Rahmen eines offiziell ausgeschriebenen, internationalen Programms, sondern außerhalb aller internationalen Kooperationsprogramme bereitgestellt. Die Initiative dafür ging von der transatlantischen Gruppe aus und traf in beiden Förderinstitutionen auf Unterstützung. „Mit einem solchen Schritt werden völlig neue Perspektiven einer weniger komplizierten, flexiblen Forschungsförderung eröffnet“, stellen die Professoren fest.