Baustelle Gleichstellung Architektinnen der TU Braunschweig beim „Women in Architecture“-Festival in Berlin
Mit der WIA 2021 findet in Berlin das erste Festival zu Frauen in der Architektur statt. Bis zum 1. Juli werden vier Wochen lang fast 100 Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten angeboten: Ausstellungen, Filmreihen, Führungen, Symposien, Vorträge, Workshops. Unter den Akteurinnen sind auch Architektinnen der Technischen Universität Braunschweig: Professorin Almut Grüntuch-Ernst und Anna Lemme Berthod vom Institut für Entwerfen und Gebäudelehre (IDAS) und Professorin Vanessa Miriam Carlow vom Institute for Sustainable Urbanism (ISU) sind an der Ausstellung „Architektinnen · BDA“, an Podiumsgesprächen und Seminaren beteiligt.
Das Festival soll Raum für die Auseinandersetzung mit Werken von Architektinnen bieten und dem Umbau des Berufsbildes. Doch was soll sich konkret ändern? „Die gebaute Umwelt ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, sie prägt unser Verständnis von Raum und Zeit. Architektur muss inklusiver, teamfähiger und diverser werden“, betont Professorin Almut Grüntuch-Ernst. „Um die Zukunft in ihrer Vielfalt zu gestalten, brauchen wir die Vielfalt der Entwerfer*innen.“ Darüber wird die Architektin auch beim Podiumsgespräch „Selbst ist die Frau“, organisiert vom Aedes Architekturforum, diskutieren.
„Wir stellen in der Lehre tagtäglich fest, dass mindestens 50 Prozent unserer Architektur-Studierenden weiblich sind. Wenn man sich aber die Welt der Architektur oder des Städtebaus ansieht, erkennt man, dass die Eigentümerschaft oder Geschäftsführung eines Büros eine absolute Männerdomäne ist. Es gibt verschwindend wenig Büros, die von Frauen oder nur einer Frau geleitet werden“, erklärt Professorin Vanessa Miriam Carlow. „Da muss sich ganz dringend etwas ändern.“ Der gesamte Architektur-Bereich sei sehr männlich geprägt, so die Architektin und Stadtplanerin. Auch die Jurys in Wettbewerben seien vor allem mit Männern besetzt. Junge Frauen erhielten dort oft das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
Präsenz und Sichtbarkeit von Role-Models
„Die Frage warum es weniger selbstständige Architektinnen gibt, empfinden wir als eine Generationenfrage, es ändert sich derzeit schon deutlich“, ergänzt Anna Lemme Berthod, die auch Co-Kuratorin des BDA Berlin-Beitrags für das WIA ist. „Die gut ausgebildeten Architektinnen sind da und der Anteil der „Architektinnen-Büros“ wird zunehmen. Dazu trägt auch eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung für Gleichberechtigung im Beruf bei.“ Bei „Women in Architecture“ gehe es um die Präsenz und Sichtbarkeit von Role-Models in der Öffentlichkeit. Was ändert sich, wenn Frauen als selbstständige Architektinnen präsenter sind? „Es entsteht ein anderer Blick auf räumliche Bedürfnisse und Lösungen“, so Anna Lemme Berthod. „Ganz allgemein verhält es sich in der Architektur wie in anderen Professionen auch, zum Beispiel der Medizin: Je mehr unterschiedliche Menschen den Beruf ausüben, desto mehr werden auch verschiedene Lebensrealitäten gespiegelt und im Ergebnis vertreten.“
Architektur-Absolventinnen, die sich entscheiden, ein eigenes Büro zu gründen, rät Professorin Carlow: „Der wichtigste Tipp ist, sich mit anderen zu verbünden, mit etablierten Büros zu kooperieren, um irgendwann ein Referenzen-Portfolio aufgebaut zu haben, das man zur Teilnahme an Wettbewerben benötigt. Hartnäckig sein und Durchhaltevermögen haben.“ In einem Seminar und Workshop des Deutschen Architekturzentrums zur Selbstständigkeit wird Professorin Vanessa Miriam Carlow ihre eigenen Erfahrungen am 26. Juni an Architekturstudentinnen weitergeben.
Prof. Vanessa Miriam Carlow
ist Architektin und Stadtplanerin. Sie studierte Architektur und Städtebau an der TU Berlin und der TU Delft. Sie hat einen gemeinsamen MA in Urban Management der Erasmus Universität Rotterdam, der Universität Kopenhagen, Ca Foscari Venedig, der Autonomen Universität Barcelona und der Universität Antwerpen (2003-2004) und ein PhD vom Center for Strategic Planning an der Königlich Dänischen Kunstakademie Kopenhagen (2012). Seit 2012 leitet sie das Institute for Sustainable Urbanism (ISU) der TU Braunschweig, das gerade das ISU Space Lab aufbaut. Zuvor war sie Mit-Gründerin von COBE in Kopenhagen (2005-2012) und Alleininhaberin von COBE Berlin (2012-2020), 2021 umbenannt in „Vanessa Carlow Urbanism Research Architecture“. Carlow hat an Universitäten weltweit unterrichtet, unter anderem hatte sie eine Gastprofessur an der Cornell Universität NY inne.
Prof. Almut Grüntuch-Ernst
hat 1991 mit Armand Grüntuch das gemeinsame Architekturbüro in Berlin gegründet. Sie hat an der Universität Stuttgart und der AA in London studiert, bei Alsop & Lyall in London gearbeitet und an der HdK Berlin gelehrt. Sie war 2006 Generalkommissarin des deutschen Beitrags für die 10. Internationale Architekturbiennale in Venedig und von 2010 bis 2015 Mitglied der Kommission für Stadtgestaltung München. Seit 2011 ist sie Professorin an der TU Braunschweig und leitet das IDAS Institute for Design and Architectural Strategies, seit 2016 ist sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Anna Lemme Berthod
gründete 2016 das Architekturbüro Lemme Locke Lux Architektinnen mit Cornelia Locke und Edna Lührs. Seit 2014 ist sie am Institute for Design and Architectural Strategies (IDAS) der TU Braunschweig tätig. Grundstein für die Bürogründung war das gemeinsame Studium an der TU Dresden. Das erste gemeinsame Projekt, die experimentellen Wohnhäuser für Studierende Norderoog + Süderoog, wurde zusammen mit Silvia Carpaneto realisiert und erhielt eine Nominierung für den DAM Preis 2021 und einen Shortlist-Platz für den Bauherrenpreis 2020.
Beiträge der Architektinnen der TU Braunschweig bei der WIA:
Eröffnung der Ausstellung „BDA Architektinnen“ mit Talk „3 Architektinnen – 3 Fragen“
4. Juni, 17 Uhr
BDA Galerie, Mommsenstraße 64, 10629 Berlin
Anmeldung erforderlich unter www.bda-berlin.de/events/
Die Vertreterinnen dreier Architektinnen-Generationen Helga Schmidt-Thomsen, Almut Grüntuch-Ernst und Pia Maier Schriever sprechen über Frauen in der Architektur, organisiert von Anna Lemme Berthod und Marika Schmidt, ehemals TU Braunschweig. Dazu wird der Katalog zur Ausstellung vorgestellt, der als Who‘s who der weiblichen Berliner BDA-Mitglieder parallel zu der Ausstellung im JOVIS Verlag erscheint.
Ausstellung „Architektinnen · BDA“
5. Juni bis 1. Juli
BDA Galerie, Mommsenstraße 64, 10629 Berlin
„Architektinnen · BDA“ präsentiert einen qualitativen Querschnitt aus dem Werk von rund 50 BDA-Architektinnen und außerordentlichen Mitgliedern. Zusätzlich gibt es eine digitale Präsentation im Schaufenster der BDA Galerie, die die Arbeiten der Teilnehmerinnen rund um die Uhr erlebbar macht. Im gesamten Berliner Innenstadtgebiet werden darüber hinaus Plakate mit Arbeiten der Architektinnen BDA gezeigt.
Selbst ist die Frau – Podiumsgespräch
Termin steht noch nicht fest
Livestream: www.aedes-arc.de/cms/aedes/de/programm?id=20110262
„Architektur ist die Mutter aller Künste“, das hat der Römische Architekt, Ingenieur und Architekturhistoriker Vitruvius im 1. Jahrhundert vor Christus gesagt. Aber wo sind ihre Töchter? Podiumsgespräch mit Almut Grüntuch-Ernst, Kristin Feireiss und Anna Heringer.
Selbstständig – Seminar für Architekturstudentinnen
26. Juni, ganztägig
Deutsches Architekturzentrum DAZ, Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, 10179 Berlin
Wer hat Angst vor der Selbstständigkeit? Seminar und Workshop zum Thema „Selbstständigkeit für Architekturstudentinnen“. Hier berichten erfolgreiche Architektinnen über ihre Gründung und Büropraxis, im Rahmenprogramm klären Expertinnen über Entwicklungen im Bereich Ökonomie und Geschlechterforschung auf. Unter anderem mit Vanessa Miriam Carlow und Anna Lemme Berthod; mit Impulsvorträgen von Stephanie Birkner und Lena Schürmann.