Baumgesundheit: Resistenter gegen Stress durch Schwefel Verbundprojekt erforscht bessere Immunabwehr von Waldbäumen
Pflanzenbiolog*innen der Technischen Universität Braunschweig untersuchen die Baumgesundheit von Eichen und Buchen unter dem Eindruck der globalen Klimaveränderungen. Ziel ist, Möglichkeiten für eine verbesserte natürliche Immunabwehr auf der Basis von Schwefel zu entwickeln. Dazu werden die Wissenschaftler*innen nicht nur im Labor Pflanzen unter die Lupe nehmen, sondern im großen Stil Experimente im Real-Labor Wald durchführen. Für das Projekt haben sich das Institut für Pflanzenbiologie der TU Braunschweig, das Julius Kühn-Institut sowie die Niedersächsischen Landesforsten und ein lokaler Industriepartner zusammengetan. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert die Forschung mit rund 1,1 Millionen Euro.
In den Zeiten der Industrialisierung bis weit über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus war – vor allem durch die Verwendung fossiler Brennstoffe – der Schwefeldioxid-Gehalt in der Atmosphäre in für Pflanzen schädliche Konzentrationen gestiegen. Das wasserlösliche Gas führte zu einem Absterben von Wäldern in exponierter Lage – bekannt unter dem Begriff „Saurer Regen“. Mit der Einführung von Entschwefelungsanlagen und durch die Nutzung von entschwefeltem Diesel konnten diese anthropogenen Umweltbelastungen auf nahezu Null gesenkt werden – ein großartiger Erfolg menschlichen Handelns für unsere Natur.
Für Pflanzen ist Schwefel jedoch nicht nur ein Gift, sondern in wohldefinierten Mengen ein essentieller Makronährstoff. In einem ungestörten Ökosystem wird eine Vielzahl an Nährstoffen in einem dauerhaften Kreislauf gehalten. Anders ist dies aber in einer durch uns Menschen genutzten Umwelt. In der Landwirtschaft wird mindestens einmal pro Jahr ein Großteil der Biomasse aus diesem Kreislauf entnommen. Mit dieser Entnahme werden Makro- und Mikroelemente unwiederbringlich aus dem Kreislauf entfernt; in der Landwirtschaft werden diese mit der regelmäßigen Düngung wieder zugeführt. Um die Fruchtbarkeit des Bodens langfristig zu erhalten wird in der Landwirtschaft schon seit Ende der 1980er-Jahre über eine gezielte Schwefel-Düngung dieses Missverhältnis ausgeglichen. Ohne einen externen Schwefel-Eintrag sind Feldfrüchte deutlich anfälliger gegenüber Krankheiten, da Schwefel in zahlreichen mit der Pathogenabwehr oder Stressbewältigung in Verbindung stehenden Molekülen enthalten ist.
Das Institut für Pflanzenbiologie (AG Hänsch) der TU Braunschweig beschäftigt sich bereits seit 2012 mit den antimikrobiellen pflanzliche Defensinen (PDF) in Bäumen – kleine, aus 48 bis 54 Aminosäuren bestehende Proteine, die zur Abwehr von mikrobiellen Erregern dienen. Die große Besonderheit der PDFs ist der hohe Anteil der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein, die vier Disulfidbrücken ausbildet und somit dem Molekül eine charakteristische und extrem stabile Struktur verleiht. Der Wirkmechanismus der PDF ist extrem mannigfaltig und hilft gegen so unterschiedliche Stressoren wie Pilz- oder Bakterieninfektionen, Insektenfraß, Trockenstress sowie Schwermetallbelastung. Neben den Defensinen ist auch eine ganze Reihe weiterer schwefelhaltiger Substanzen für die Pflanzengesundheit von Bedeutung.
Am Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, wurde bereits Mitte der 1990er-Jahre die Bedeutung des Schwefels für die Pflanzengesundheit im Bereich der Landwirtschaft umfassend untersucht und mit dem Akronym SiR für „Schwefel-indizierte-Resistenz“ beschrieben. Das Phänomen SiR scheint nun ganz offensichtlich auch in unseren einheimischen Forsten angekommen zu sein. Die zeitliche Verzögerung ist einfach zu erklären – das Wachstum der Bäume ist deutlich langsamer und eine Entnahme von Biomasse erfolgt in deutlich größeren Abständen. Die Auswirkungen sind dieselben: Die Vitalität der Einzelbäume verschlechtert sich zunehmend, die Anfälligkeit gegenüber biotischen und abiotischen Stressoren wird größer und kann bis zum Absterben des Einzelindividuums führen. Damit stellt sich für die Arbeitsgruppen im Verbundprojekt die wissenschaftlich spannende Frage: Kann eine gezielte Schwefelapplikation unseren heute bereits durch den globalen Klimawandel deutlich in Mitleidenschaft gezogenen Wäldern helfen, die Toleranz bzw. Resistenz gegen diverse Stressoren zu verbessern?
Projektdaten:
Beteiligt an dem Verbundprojekt „Verbesserung der Resilienz einheimischer Baumarten gegen Klimawandel-verursachten Stress durch Nutzung der Schwefel-induzierten Resistenz/Toleranz“ (Laufzeit 01.05.2024 bis 30.04.2027) sind neben dem Institut für Pflanzenbiologie (AG Prof. Robert Hänsch) der TU Braunschweig die JKI-Fachinstitute für Pflanzenbau und Bodenkunde (Prof. Elke Bloem) und für Waldschutz (Prof. Henrik Hartmann), die Niedersächsischen Landesforsten und ein lokaler Düngemittelhersteller. Finanziert wird das Projekt mit rund 1,1 Millionen Euro über Mittel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), verwaltet durch die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR).