Zwischen tibetischer Tradition und rosa Hüpfburg Leben mit Yak-Hirten in Tibet, Teil 4: Auf zum Pferderennfest!
Eine zweite Expedition führte Siran Liang, Doktorandin am Institut für Geosysteme und Bioindikation, jetzt wieder auf das tibetische Plateau. Dort besuchte sie verschiedene Dörfer auf dem Changtang-Weideland, um ihre ethnografische Feldforschung fortzusetzen. Sie tauchte in das tägliche Leben der tibetischen Hirten-Familien ein und nahm während ihres „Deep Hanging Out“ an zahlreichen Aufgaben teil. Im vierten Teil ihres Logbuchs berichtet sie über den Besuch eines besonderen Fests für Tibeter*innen.
„Zeit, um zum Pferderennfestival zu gehen!“ Am Morgen gegen 8 Uhr standen mein Gastgeber Tashi und seine Frau Konchok mit einem breiten Grinsen neben meinem Bett. Als ich das hörte, bin ich sofort aufgestanden.
Das Pferderennfest ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Nomad*innen aus den weit entfernten Hochlandsteppen des tibetischen Plateaus zusammenkommen. Nachdem alle ihre Haare gewaschen hatten, flocht Konchok die Haare ihrer Töchter. Tashi kämmte sein Haar zu einer Hochsteckfrisur. Dann holte Konchok für die Kinder schöne Kleider heraus, die sie für besondere Anlässe wie diesen aufbewahrt. Die Töchter zogen traditionelle koreanische Kleider an (sozusagen Globalisierung auf dem Weideland). Tashis Sohn bekam stilvolle tibetische Kleidung.
Nachdem sich alle schick gemacht hatten, standen wir vor dem Problem des Transports: Wir waren sechs Personen mit einem Motorrad. Also versuchten wir zunächst, uns alle auf das Motorrad zu setzen (siehe Foto 2). Es war offensichtlich, dass sie meine Größe unterschätzt hatten, und so klappte es nicht. Nach einigen Diskussionen beschlossen wir, dass die älteste Tochter und ich versuchen würden, zu trampen. Da viele Leute auf dem Weg zur Weide waren, dauerte es zum Glück nicht lange, bis wir ein Auto fanden, das uns zum Fest mitnahm.
Als wir uns dem Festivalgelände näherten, war das erste, was am Horizont auftauchte, eine riesige rosafarbene Hüpfburg. Das hatte ich nicht erwartet. Später stellte sich heraus, dass es beim Pferderennfest nur teilweise um Pferde ging.
Die Kinder waren nicht so sehr daran interessiert, die Rennen zu beobachten. Sie hatten ihre Augen auf die vielen Händler*innen gerichtet, die nur selten auf das Weideland kommen. Deshalb konnten sie es kaum erwarten, hier einkaufen zu gehen. Tashi gab dafür jedem seiner Kinder 5 Yuan (80 Cent). Nach reiflicher Überlegung kauften sie alle kleine Schlösser mit winzigen Schlüsseln. Sie wussten nicht, was sie damit abschließen sollten. Doch die Schlösser und Schlüssel waren schön und glänzend, und das war alles, was zählte.
So wie die Pferde miteinander konkurrierten, so taten es auch die Menschen. Neben der Pferderennbahn lachte in der Mittagszeit gelegentlich eine Gruppe von Männern, die im Steinheben wetteiferten. Am Nachmittag fand dann ein „ernstes“ Spiel statt: Tauziehen. Ganze Dörfer traten gegeneinander an, Männer und Frauen gleichermaßen. Anschließend erklang tibetische Musik – manchmal gemischt mit Technomusik – durch die dünne Luft auf der Alm, während die Jugendlichen in ihrer gut eingeübten Choreographie tanzten.
Langsam verdunkelte sich der Himmel und am späten Nachmittag begann es zu regnen. Wir mussten zurück nach Hause. Einige Hirten gingen in ihre Zelte, die sie für die nächsten Tage aufstellten. Auf dem Rückweg wollte Tashi niemandem auf dem Motorrad mitfahren lassen, damit die Kinder nicht frieren. Er hielt einen Lieferwagen an und bat den Fahrer, die Kinder und mich zurückzubringen. Ich schaute durch die Heckscheibe des Wagens. Tashi zog seinen tibetischen Mantel enger um sich, stieg auf das Motorrad und fuhr auf der Wiese in Sichtweite neben dem Lieferwagen her.
Text: Siran Liang. Der Beitrag wurde im Original auf Englisch geschrieben. Bei der deutschen Version handelt es sich um eine Übersetzung.