Wenn Bäume leiden Was uns fallende Blätter über die Klimakrise verraten
Hitze, Trockenheit und Nährstoffmangel setzen unseren Bäumen zunehmend zu – sichtbar in Braunschweiger Stadtgebieten wie rund um die Katharinen-Mensa, aber auch in unseren Wäldern. Forschende der Technischen Universität Braunschweig untersuchen, wie sich die Widerstandskraft heimischer Baumarten durch gezielte Nährstoffgaben stärken lässt. Ihre Arbeit zeigt: Der Klimawandel ist längst Realität – mit teils dramatischen Folgen für unsere Vegetation.

) Insbesondere Stadtbäume verlieren bedingt durch die große Trockenheit bereits massiv Blätter – hier Platanen vor der Katharinen-Mensa in Braunschweig. Bildnachweis: Institut für Pflanzenbiologie/TU Braunschweig
Endlich ist er da – der lang ersehnte Regen. Nach Monaten ohne nennenswerte Niederschläge war es höchste Zeit, denn viele Bäume im Stadtgebiet zeigen bereits deutliche Zeichen von Trockenstress. Insgesamt fielen in den letzten drei Monaten knapp 40 mm Niederschlag im Braunschweiger Raum, was etwa 25 Prozent des üblichen Wertes entspricht. Normalerweise wären in diesem Zeitraum rund 160 mm zu erwarten. Diese anhaltende Trockenheit hat erhebliche Auswirkungen auf die lokale Vegetation. Bäume zeigen vermehrt Stresssymptome wie frühzeitigen Blattfall und verminderte Vitalität. Insbesondere Stadtbäume leiden durch die starke Bodenversiegelung und -verdichtung. Besonders sichtbar ist das an den Platanen vor unserer Katharinen-Mensa: Abgeworfene Blätter liegen zu Hunderten auf dem Boden. Auch in den Baumkronen zeigen sich Bereiche mit abgestorbenen Blättern – ein deutliches Warnsignal.

Einzelne Blätter vertrocknen bereits in der dichten Krone der Bäume. Bildnachweis: Institut für Pflanzenbiologie/TU Braunschweig
Wälder im Wandel: Der Gesundheitszustand unserer Bäume
Unsere Wälder stehen unter Druck – nicht punktuell, sondern flächendeckend und zunehmend dramatisch. Der Klimawandel ist längst kein abstraktes Zukunftsszenario mehr, sondern spürbare Realität, auch in Mitteleuropa. In Deutschland ist die Jahresdurchschnittstemperatur seit 1881 um rund 2°C gestiegen – ein Wert, der deutlich über dem globalen Mittel liegt. In den letzten Jahren kamen wiederholt extrem heiße und trockene Sommer sowie wasserarme Winter hinzu. Selbst der Schnee, der früher in gerade in unserer Gegend zuverlässig fiel und wichtige Wasserreserven schuf, bleibt inzwischen oft aus.
Die Folge: Böden trocknen nicht nur im Sommer, sondern bereits im Frühjahr tiefgründig aus. Gerade Buchen, Eichen und andere heimische Laubbäume geraten damit in existenziellen Stress – besonders dann, wenn sie in urbanen oder flachgründigen Standorten stehen. Die Wasserknappheit verringert nicht nur das Wachstum, sondern schwächt auch das Immunsystem der Bäume.
Gleichzeitig nutzen Schädlinge und Krankheitserreger die Situation aus. Neben dem Borkenkäfer können sich Insekten wie der Eichenprozessionsspinner oder der Schwammspinner, ursprünglich in südlicheren Regionen beheimatet, infolge der Erwärmung inzwischen in Norddeutschland sehr gut etablieren – mit zum Teil massiven Fraßschäden. Auch pathogene Pilze, wie z. B. der Diplodia-Triebsterben-Erreger bei Kiefern oder Phytophthora bei Buchen, breiten sich stärker aus. Viele dieser Organismen profitieren vom warmen, trockenen Klima – und treffen auf geschwächte Wirte.

Buchen – hier auf dem Gelände des Thünen-Instituts in Braunschweig – zeigen massive Schädigungen oder sterben komplett ab. Bildnachweis: Institut für Pflanzenbiologie/TU Braunschweig
Diese Entwicklungen zeigen: Der Wald ist nicht nur von außen bedroht, sondern kämpft an mehreren Fronten zugleich – Hitze, Trockenheit, Schädlinge und Nährstoffmangel wirken gemeinsam. Die Auswirkungen reichen von frühzeitigem Blattverlust über Kronenschäden bis hin zum flächigen Absterben ganzer Bestände. Der aktuelle Waldzustandsbericht zeigt: Nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland gilt als gesund. Die globale Klimakrise trifft den Wald in Mitteleuropa also mit voller Wucht – und damit ein Ökosystem, das für uns und unsere Umwelt unverzichtbar ist. Eine klimaangepasste, standortgerechte und nährstoffsensitive Waldbewirtschaftung ist deshalb dringlicher denn je.
Schwefelmangel: Ein unterschätzter Faktor
Doch nicht nur Wasser fehlt. Auch essentielle Nährstoffe wie Schwefel sind knapp geworden. Durch strengere Luftreinhaltegesetze hat sich der früher reichliche atmosphärische Schwefeleintrag drastisch reduziert – mit spürbaren Folgen für viele Pflanzen, die auf eine ausreichende Schwefelversorgung angewiesen sind, um Abwehrstoffe gegen die immer erfolgreicheren Krankheitserreger zu bilden. Schwefelmangel wurde bereits Mitte der 1990er-Jahre in landwirtschaftlichen Kulturen entdeckt und intensiv beforscht. Heute begegnen unsere Landwirte diesem Phänomen mit einer regelmäßigen Applikation von Schwefel ganz in Abhängigkeit der jeweiligen angebauten landwirtschaftlichen Kultur.
Forschung im Einsatz: Das Schwefelprojekt der TU Braunschweig
Hier setzt ein aktuelles Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe für Stressphysiologie am Institut für Pflanzenbiologie der TU Braunschweig an. Gemeinsam mit dem Julius Kühn-Institut und weiteren Partnern wie den Niedersächsischen Landesforsten und den Kalkwerken Söhlde untersuchen die Forschenden, ob gezielte Schwefelapplikation die Stressresistenz heimischer Baumarten wie Buche und Eiche verbessern können. In aufwendigen Topf- und Feldversuchen testen sie, wie sich Schwefelmangel auf die Pflanzengesundheit auswirkt – und ob die Resilienz gegenüber Trockenheit und Schädlingen durch Schwefeldüngung wiederhergestellt werden kann.

Versuchsfläche im Erweiterungsteil des Botanischen Gartens: Junge Buchen und Eichen in Topfexperimenten mit unterschiedlicher Schwefelzugabe. Bildnachweis: Institut für Pflanzenbiologie/TU Braunschweig
Ein Blick in die Zukunft: Nachhaltige Waldpflege
Die Ergebnisse dieser Forschung könnten wegweisend für die zukünftige Waldpflege sein. Durch das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Nährstoffverfügbarkeit und Baumgesundheit können gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um unsere Wälder widerstandsfähiger gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu machen.
Autoren: Dr. David Kaufhold und Prof. Robert Hänsch, Institut für Pflanzenbiologie, TU Braunschweig