Volle Tonnen Professor Klaus Fricke über Abfallentsorgung während der Corona-Pandemie
Die Corona-Krise stellt auch die Abfallentsorgung vor neue Schwierigkeiten. Einer der Gründe: Mehr Menschen halten sich momentan länger als üblich zu Hause auf. Deshalb sind die Mülltonnen vieler Mehrfamilienhäuser so voll wie lange nicht mehr. Hinzu kommt die besondere Müllentsorgung in Haushalten mit infizierten Menschen. Wir haben darüber mit Professor Klaus Fricke von der Abteilung Abfall- und Ressourcenwirtschaft des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau an der TU Braunschweig gesprochen.
Da wegen der Corona-Pandemie mehr Menschen im Home-Office arbeiten oder in der Quarantäne ausharren, die Kinder wegen der geschlossenen Kitas und Schulen auch zu Hause bleiben, sind die Mülltonnen gerade gefüllter als sonst. Können Sie das bestätigen?
Viele Menschen haben vor der Pandemie in der Stadt oder in der Kantine gegessen. Jetzt wird stattdessen zu Hause gekocht. Dabei entsteht einfach mehr Abfall. Außerdem scheinen zahlreiche Leute nicht mehr ganz so viele frische Sachen zu kaufen, sondern greifen lieber aus Sicherheitsgründen zu intensiv verpackten Produkten, die wiederum vor allem zu mehr Plastikmüll führen. Das ist schon auffällig, aber belastbare Daten gibt es dazu noch nicht.
Der Abfall, der sonst in den Restaurants, Kantinen und Mensen entsteht, wird jetzt in den Hausmüll verlagert?
Ja. Und je kleiner die Portionen sind, die man zubereiten muss, desto größer sind die Abfallmengen. Viele befürchten, dass über unverpacktes Gemüse oder Obst das Virus übertragen werden könnte. Wer diese Angst hat, nimmt eher eingeschweißte Produkte.
Schon in „normalen“ Zeiten werden jährlich Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland weggeworfen. Wenn dann die Leute Panikeinkäufe starten und leicht verderbliche Komponenten hinzunehmen, werden wir vermutlich größere Mengen verdorbener Abfälle haben, die letztendlich wieder im Abfall landen. Schon jetzt werden in Deutschland pro Person jährlich 85 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen, dies sind immerhin knapp 13 Millionen Tonnen Abfall.
Zusätzlich zum normalen Hausmüll entsteht gerade viel Sperrmüll.
Eine Menge Menschen nutzen die Zeit zu Hause zum Aufräumen – sozusagen als Beschäftigungstherapie. Dabei entdecken sie unglaublich viel Müll, den sie entsorgen möchten. Die Wertstoffhöfe hatten aber für Privatanlieferer bislang geschlossen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Die beiden Wertstoffhöfe in Watenbüttel und in der Frankfurter Straße sind ab dem 15. April wieder für Privatanlieferer aus Braunschweig geöffnet. Mit entsprechenden Sonderregelungen. Wer seine alten Möbel noch ein wenig länger in der Wohnung oder im Keller lagern kann, sollte sich überlegen, ob er die Fahrt zum Wertstoffhof noch aufschieben kann.
Das gute Wetter lädt außerdem dazu ein, im Garten zu arbeiten. Dabei entstehen Unmengen von Bio- und Grünabfall. Einige Kommunen, machen inzwischen ziemlich klare Vorgaben und fordern die Gartenbesitzer auf, ihre Abfälle aus dem Garten zwischenzulagern und auch die Eigenkompostierung zu betreiben, natürlich nur dort wo es möglich ist.
Was muss man in einem Haushalt mit infizierten Personen oder begründeten Verdachtsfällen bei der Abfallentsorgung beachten?
Das Bundesumweltministerium orientiert sich an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und empfiehlt diesen privaten Haushalten, nicht mehr den Abfall zu trennen. Neben dem Restmüll sollten sie also auch Verpackungen, Altpapier und Biomüll über die Restmülltonne entsorgen. Es wird empfohlen, den gesamten Abfall in stabile, möglichst reißfeste Abfallsäcke zu verpacken und zugeknotet in den Restmüll zu werfen. Auch Taschentücher sollten nicht lose in die Abfalltonne geworfen werden.
Damit werden sowohl Nachbarinnen und Nachbarn als auch Hausmeister und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abfallentsorgung, wie das Sammel- und insbesondere das Sortierpersonal, geschützt.
Auch im Krankenhaus wird dieser Müll extra entsorgt.
Der Abfall wird als gefährlich eingestuft und muss entsprechend mit hohem Aufwand entsorgt werden. Und es gibt entsprechende Behältnisse, die verschlossen sind, die nicht umgelagert werden dürfen, um einen höchstmöglichen Grad an Sicherheit zu gewährleisten. Diese Abfälle werden dann der Verbrennung zugeführt.
Neben Ihrer Forschung bereiten Sie sich gerade auf die Online-Lehre vor. Funktioniert alles?
Wir Deutsche müssen in der digitalen Kommunikation und auch in der Lehre noch lernen. Uns geht diese Art der Mediennutzung noch nicht so flott von der Hand, wir mussten uns aber zwangsweise damit auseinandersetzen.
Wir haben verschiedene Hörsäle an der TU Braunschweig, die mit entsprechenden Aufnahmeinstrumenten versehen sind – also Kameras mit mehreren Perspektiven, Mikrofonen. Man kann natürlich auch die Folien mit einbauen. Wir werden die Vorlesungen auf Vorrat aufzeichnen und auf Stud.IP einstellen, so dass die Studierenden die Veranstaltung ansehen können. In unserem Institut haben wir es so eingerichtet, dass wir in der Zeit, in der die regulären Vorlesungen sind, als Gruppe über Internet bereitstehen, um den Studierenden Fragen zu beantworten. Man kann also den Lehrbetrieb weitestgehend aufrechterhalten. Diese Art der Lehre praktizieren wir seit mehreren Jahren mit fünf brasilianischen Universitäten. Mit Praktika wird es etwas schwieriger.
Wo nehmen Sie Ihre Vorlesungen auf?
Wir können entweder die diesbezüglich ausgestatteten Hörsäle nutzen. Mittlerweile verfügt jeder Laptop über Kamera und Mikrofone. In Verbindung mit geeigneten Programmen sind somit Aufzeichnungen der Vorlesungen einfach zu realisieren. Ich bin froh, dass wir jetzt Wege finden und das gesamte Semester per digitaler Präsentation realisiert werden kann. Es ist allerdings etwas ungewöhnlich, wenn man als Professor in eine Linse hineinschaut und nicht – wie sonst – die Gesichter der Studierenden sieht.
Was können wir aus der Coronakrise lernen?
Jede Krise stellt die Gesellschaft vor neue Herausforderung zu deren Lösung und birgt somit auch neue Chancen. Digitale Kommunikation in der Lehre und im Home-Office wird uns zeigen, dass Mobilität nicht zwangsweise mit Reisen im Auto, in der Bahn und im Flugzeug sichergestellt werden muss. Somit bietet sich die Chance, den Personenverkehr deutlich zu reduzieren.