Präsenzlehre ist wie ein Livekonzert in der Musik Gelassenheit, Hilfsbereitschaft und Verständnis bei der Umstellung auf digitale Lehre
Am 20. April startet das Sommersemester online. Wie bereiten sich die Fakultäten auf die Umstellung der Präsenzlehre auf digitale Lehre vor? Wir sprachen mit dem Studiendekan Professor Georg Ostermeyer. Seine Fakultät für Maschinenbau ist mit mit fast 4.700 Studierenden die größte der Technischen Universität Braunschweig.
Wie läuft die Umstellung der Präsenzlehrveranstaltungen auf digitale Formate in der Fakultät für Maschinenbau?
Die Corona-Pandemie hat große Änderungen insbesondere in und um die Lehre angestoßen. Der plötzliche Wechsel von der Präsenzlehre zur digitalen Lehre fordert von allen große Anstrengungen. Zum einen haben wir extreme Herausforderungen an die IT-Struktur der Universität und die Kommunikationssoftware, zum anderen müssen gut eingespielte Lehrteams mit bezüglich der Hörsaalpräsenz hochoptimierten Vorlesungsveranstaltungen ohne Übergangs- und Entwicklungszeiten auf virtuelle Lehre umschalten.
Die Universitätsleitung, die Verwaltung und die zentralen Einrichtungen leisten hier hervorragende Arbeit. Stellvertretend für den ganzen Lehrkörper möchte ich auch auf die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen in der Fakultät für Maschinenbau verweisen. Sie leisten Beispielhaftes, um am 20. April mit der rein digitalen Lehre für die Studierenden beginnen zu können.
Sind Sie gut vorbereitet, auf welche Erfahrungen können Sie zurückgreifen? Wie reibungslos schätzen Sie den Übergang auf die digitalen Veranstaltungen ein?
Ein Vorteil im Maschinenbau ist die große IT-Affinität der Forschung. Jede Fachrichtung arbeitet am Rande des technisch Machbaren oder Bekannten mit hochkomplexen Softwarewerkzeugen. Sie versuchen etwa durch die Virtualisierung mit Digital Twins, Fragen an die Welt zu stellen, um schneller und ressourcenschonender technische Probleme und Bedürfnisse der Gesellschaft umweltfreundlich zu lösen. Auch ist im Maschinenbau schon vor Längerem mit Digitalisierungsangeboten sehr erfolgreich experimentiert worden, wie die vielen Teach4TU Projekte im Maschinenbau zeigen.
Völlig neu ist jetzt der abrupte Wechsel von Präsenz- zu Onlinelehre. Wir haben beim Lehren und Lernen noch keine kontinuierlich steigenden Erfahrungswerte. Auch mit der benötigten Hard- und Software müssen wir erst einmal Erfahrungen sammeln, um den Übergang optimiert und reibungsfrei gestalten können. Wollte man etwa alle Veranstaltungen einfach nur durch Videos ersetzen, müssten unglaublich viele Stunden Video jede Woche neu produziert und gespeichert werden. Und man hätte nicht mal eine rudimentäre Rückmelde- und Kommunikationsstruktur mit den Studierenden. Auch ist die aktuelle Didaktik der Präsenzveranstaltung nicht immer in ein Fernsehformat übertragbar. So einfach geht es also nicht.
Innerhalb von wenigen Tagen müssen wir eine vollständig virtuelle Lehre bereitstellen. Dies erfordert ungeheure Anstrengungen von den Lehrenden, aber sicher auch von den Studierenden. Pleiten, Pech und Pannen wird es geben. Hier wünsche ich mir Gelassenheit, Hilfsbereitschaft und Verständnis von allen Seiten.
Haben sich Ihre Aufgaben als Studiendekan zurzeit verändert?
Studiendekane haben die Aufgabe, die Lehre und Lehrdurchführung, die Prüfungen und das studentischen Arbeiten im Blick zu haben und den korrekten Ablauf zu garantieren. In dieser Pandemie-Zeit ändert sich unsere Aufgabe deutlich: Vereinfachte Abläufe sowie temporär fachlich und formal modifizierte Prüfungsabläufe sind gefragt, die den Studierenden Corona bedingte Härten im Studium ersparen sollen. Hier sind insbesondere die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen in besonderer Weise aktiv, jeden einzelnen Fall zu berücksichtigen.
Inwiefern wird die Corona-Krise die Lehre dauerhaft verändern?
Meine Einschätzung ist, dass es nach der Corona-Pandemie dauerhaft sehr viel mehr digitale Lehre als bisher im Curriculum der universitären Ausbildung geben wird.
Aber auch die Präsenzlehre wird wiederkommen. Sie ist das, was Livekonzerte in der Musikwelt sind. In Präsenzlehrveranstaltungen erleben die Studierenden eine Vielfalt an Lehrpersönlichkeiten,die zum Beispiel einen breiten Reigen an Führungs- und Kommunikationsstilen garantieren und so die Studierenden auf die heterogenen Team- und Führungsstrukturen in der Gesellschaft vorbereiten. Und für die Lehrenden bieten sich dann wieder Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Lehre durch Momente, in denen sie in den Augen der Studierenden Kritik, Fragen und – am schönsten – Erkenntnis sehen.