12. November 2025 | Magazin:

Post aus … Vancouver TU-Mitarbeiter Jan Göing forscht seit Juni 2025 an der University of British Columbia

Allgemeine Informationen

Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:

In meiner Forschung am Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen (IFAS) der TU Braunschweig verknüpfe ich Luftfahrtantriebe und Emissionen, um herauszufinden, welche Minderungsstrategien und alternativen Kraftstoffe wirksam sind. Ein entscheidender Unterschied in der nachhaltigen Luftfahrt zwischen Europa und Nordamerika liegt in der politischen Ausrichtung: Während Europa in den letzten Jahren verstärkt auf Wasserstoff gesetzt hat, dominieren in Nordamerika Drop-In-Kraftstoffe, da sich diese ohne Anpassungen an Triebwerken oder Infrastruktur einsetzen lassen.

Ich habe mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden, weil ich einerseits direkten Zugang zu Drop-In-Kraftstoffen und der dafür notwendigen Messtechnik erhalten wollte und andererseits meine persönliche Weiterentwicklung fördern, mein internationales Netzwerk ausbauen sowie mit Emissionsmesstechnik arbeiten möchte.

So habe ich den Auslandsaufenthalt organisiert:

Für meinen Auslandsaufenthalt habe ich intensiv nach geeigneten Kooperationspartnern recherchiert und bin dabei auf Professor Steven Rogak und Professor Patrick Kirchen vom Clean Energy Research Center (CERC) der University of British Columbia (UBC) gestoßen. Mit ihrer Expertise in Emissionsmessung sowie in Partikel- und Gasanalytik boten sie ideale Rahmenbedingungen. Nach den ersten Absprachen bewarben wir uns gemeinsam mit MTU Canada, einem langjährigen Partner meines Instituts, auf ein MSCA-Postdoc-Fellowship – leider ohne Erfolg. Dennoch entwickelte sich aus den anfänglichen Treffen eine regelmäßige und wachsende Kollaboration mit konkreten Ideen und Plänen für zukünftige gemeinsame Forschung, an der unter anderem auch die Industrie, wie zum Beispiel Boeing, beteiligt ist. Zusammen mit Institutsleiter Professor Jens Friedrichs entschied ich schließlich, den Austausch durchzuführen, um die Kooperation wirklich ins Rollen zu bringen.

Diese Herausforderungen oder besonders positive Erlebnisse gab es bei der Organisation:

Da ich zusammen mit meiner Familie in Vancouver bin, stellten sich bei der Organisation besondere familiengerechte Herausforderungen. Besonders positiv hervorheben möchte ich dabei die große Flexibilität und Unterstützung beider Universitäten: Der Starttermin wurde um zehn Monate verschoben, man half uns bei der Organisation von vielen privaten Themen und begleitete alle Schritte mit großem Verständnis. Hier kann man wirklich von Familienfreundlichkeit sprechen!

So habe ich mich auf den Auslandsaufenthalt vorbereitet:

Zur Vorbereitung habe ich zunächst konkrete Forschungsziele definiert sowie Meilensteine und Zeitpläne festgelegt. Parallel dazu erfolgten in regelmäßigen Abständen Online-Austausche mit den Kolleg*innen an der UBC, um den Planungsfortschritt zu besprechen und offene Fragen zu klären. Außerdem habe ich den Versand der erforderlichen Messgeräte und Laborkomponenten nach Vancouver organisiert, damit alle Instrumente rechtzeitig einsatzbereit sind. Besonders herausfordernd war der Transport von Gefahrengütern, der viel Recherche benötigte. Parallel klärte ich die Visa- und Einreiseformalitäten und schloss eine geeignete Krankenversicherung ab.

Wie lange dauert der Aufenthalt und mit welchem Programm wird er durchgeführt?

Mein Aufenthalt in Vancouver dauert zwölf Monate und wird durch das TUBS Postdoc Grant, den Exzellenzcluster SE²A und das IFAS gefördert.

Alles aufgeräumt und verpackt. Die Reise für das Mikroturbojet-Labor konnte beginnen. Bildnachweis: Jan Göing/TU Braunschweig.

Die Ankunft des Labors an der UBC haben wir direkt für ein Teamfoto genutzt. V.l.: Simon Jobst, Patrick Kirchen, Jan Göing, Sid Sharma, Steven Rogak, Nishan Sapkota. Bildnachweis: Jan Göing/TU Braunschweig.

Bis alles aufgebaut war, hat es dann doch eine Weile gedauert, aber inzwischen steht das Mikroturbojet Labor an der UBC. Bildnachweis: Sid Sharma/TU Braunschweig.

Die beeindruckende Skyline von Vancouver Downtown. Bildnachweis: Jan Göing/TU Braunschweig.

Als Gastprofessor gebe ich hier an der UBC ein Seminar über das Forschungstriebwerk an der TU Braunschweig. Bildnachweis: Felipe Bezerra/TU Braunschweig.

Im Indian Summer ist Vancouver richtig bunt geworden - die Bäume strahlen in allen Farben. Bildnachweis: Jan Göing/TU Braunschweig

Leben vor Ort

Das mache ich in Vancouver:

Ich baue gemeinsam mit kanadischen Kolleg*innen ein internationales Kooperationslabor auf, in dem sowohl Forschung als auch Lehre stattfinden. In diesem Labor führe ich systematische Emissionsmessungen hinter einem Mikroturbojet-Triebwerk durch, um Partikel- und Gasemissionen zu charakterisieren. Gleichzeitig bin ich an der UBC als Gastprofessor tätig und halte Seminare. Parallel dazu erarbeite ich gemeinsam mit der UBC und Industriepartnern mehrere Projektanträge, um langfristige Forschungsvorhaben zu initiieren und die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft weiter zu vertiefen.

Wie unterscheidet sich der Arbeitsalltag in Vancouver von dem in Deutschland?

Im Gegensatz zur TU Braunschweig ist die UBC eine echte Campus-Universität: Fast alle Gebäude, Hörsäle, Labore, Restaurants, Supermärkte und Wohnheime liegen eng beieinander. Der Campus ist vom Pacific Spirit Regional Park umgeben und grenzt ans Wasser – eine wunderschöne Kulisse! An der UBC verbringe ich deutlich mehr Zeit im Labor als in Braunschweig. Das Arbeitsumfeld ist ausgesprochen interdisziplinär, denn im CERC arbeiten Chemiker*innen, Umweltingenieur*innen und Maschinenbauer*innen gemeinsam. Die Versuchsanlagen stehen mitten auf dem Campus, was zwar kurze Wege garantiert, aber auch gelegentlich zu Lärm- und Geruchsbelästigungen führt. Das erfordert deutlich mehr Kompromissbereitschaft und Abstimmungen als im Norden von Braunschweig, wo die Autobahn der lauteste Nachbar unseres Instituts ist.

So wohne ich in Vancouver:

Vancouver ist sehr teuer und freie Mietobjekte sind rar. Wir wohnen in einer Wohnung im Stadtteil Sunset, die wir von äußerst freundlichen Vermietern gemietet haben. Sunset ist bekannt für den Mix aus indischer und asiatischer Kultur, was unter anderem eine Vielzahl an tollen Restaurants mit sich bringt.

Wie sieht der Feierabend in Vancouver aus?

In Vancouver sind die Möglichkeiten für Familien nahezu grenzenlos: Ein Spaziergang auf dem Seawall entlang der Küste, ein Besuch in einem der zahlreichen Fusion-Cafés oder das Ausprobieren von Gerichten aus einer der vielen bislang unbekannten Küchen – hier kommt jeder auf seine Kosten.

Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes:

Die bislang größte Herausforderung meines Aufenthalts stand unter dem Motto „Never change a running system“: Ein funktionierendes Labor komplett zu demontieren, in Kisten zu verpacken und ans andere Ende der Welt zu verschiffen, bringt enormen Aufwand mit sich. Zwar war das Labor an der UBC vergleichsweise schnell wieder einsatzbereit, doch es dauerte deutlich länger als erwartet, bis das Triebwerk zuverlässig lief und die Ergebnisse reproduzierbar waren.

Gut zu wissen

Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:

Poutine (Pommes frites mit Bratensoße und Käse) stammt zwar ursprünglich aus Québec, ist in Vancouver aber ebenfalls sehr beliebt. Besser finde ich hier in Vancouver aber die japanische Ramen-Suppe, indisches Dosa und authentische asiatische Fusion-Gerichte.

Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:

Vancouver hat mich mit einem herrlichen, sonnigen und beständigen Sommer überrascht, der aber typisch ist – wie ich hier gelernt habe. Außerdem ist Kanada natürlich für den Indian Summer bekannt, in dem die Ahornbäume auch hier in Vancouver in allen erdenklichen Farben leuchten. Die Stadt ist außerdem ausgesprochen international. Besonders praktisch ist, dass man kein Auto benötigt, weil der öffentliche Nahverkehr hervorragend funktioniert und überall gut ausgebaute Fahrradwege verfügbar sind – sehr ungewöhnlich für Nordamerika.

Welches Fettnäpfchen sollte man in Vancouver vermeiden:

Die Unkenntnis der Nationalsportarten Baseball und Eishockey könnte man als Fettnäpfchen bezeichnen. Wer sich mit ihren Grundregeln vertraut macht, hat nicht nur Gesprächsstoff, sondern findet auch leichter neue Freund*innen.

Fazit

Wie helfen Ihnen die im Ausland erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen in Ihrer aktuellen Position an der TU Braunschweig?

Während meines Aufenthalts in Vancouver habe ich praxisnah alle Schritte der Emissionsmessung, von der Probenahme über die Kalibrierung der Sensoren bis hin zur Auswertung der Partikel- und Gasdaten hinter einem Mikroturbojet-Triebwerk erlernt. Die Daten werden einerseits genutzt, um bestehende Modelle zu validieren, anderseits hilft mir das Wissen bei der Planung von neuen Projekten in diesem Bereich. Wichtiger sind aber die Kontakte, die ich hier knüpfe, um zukünftige Forschungsprojekte im Bereich nachhaltige Luftfahrt anzustoßen.

Das bringt mir der Auslandsaufenthalt persönlich:

Der Auslandsaufenthalt in Vancouver bietet mir völlig neue Perspektiven: Ich lerne Kanadas beeindruckende Natur und die vielfältige Kultur kennen – von der Küste und den Regenwäldern bis zu den Städten und den Traditionen der First Nations. Gleichzeitig arbeite ich in einem anderen Uni-System mit flachen Hierarchien, enger Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und starker Industrieanbindung. Dadurch gewinne ich neue Einblicke in andere Arbeits- und Denkweisen, werde flexibler und lerne, kreative Lösungen schneller umzusetzen.

Das werde ich von hier mit nach Hause nehmen:

Ohje – die Koffer sind jetzt schon zu voll…

Diesen Tipp gebe ich anderen Mitarbeitenden, die ins Ausland gehen möchten:

Man sollte sich nicht entmutigen lassen, wenn in der Planung mal etwas nicht klappt oder man erstmal keinen Erfolg hat. Die ersten Schritte sind oft die schwersten, aber meistens gibt es viele Möglichkeiten und hilfsbereite Menschen, die einen unterstützen.