Post aus … dem Kosovo Lehramtsstudentin Michaela Görg berichtet über ihr Schulpraktikum im Ausland
Allgemeine Informationen
Hier lebe ich momentan:
Momentan lebe ich im Kosovo in der – wie man hier sagt – schönsten Stadt des Landes: Prizren.
Das mache ich in Prizren:
Ich mache hier in Prizren ein Praktikum in der „Asociation Loyola-Gymnasium“, einem aus Deutschland vereinsgestützten Bildungsprojekt im Kosovo. Der Verband besteht aus einer Grundschule, einem Gymnasium, einem Internat und einer Berufsschule für den Ausbildungslehrgang als Mechatroniker*in.
Da ich an der TU Braunschweig im dritten Mastersemester Grundschullehramt studiere, hospitiere und unterrichte ich auch die meiste Zeit an der Grundschule. Bereits in der ersten Woche bekam ich die Möglichkeit, im Musikunterricht Teile einer Unterrichtsstunde selbst anzuleiten. Im Oktober war ich außerdem an der musikalischen Umsetzung für das Programm am „Tag der offenen Tür“ der Grundschule beteiligt. Mittlerweile plane ich vor allem die Stunden im Deutschunterricht für die dritte bis fünfte Klasse und führe diese eigenständig durch.
Mein Aufenthalt dauert insgesamt:
… drei Monate, von Mitte September bis Mitte Dezember. Ich habe mein Praktikum selbst organisiert, indem ich die Schule zum „Tag der offenen Tür“ im April besucht und mich dort vorgestellt habe. Danach war für mich relativ schnell klar, dass ich auch den Schulalltag dort kennenlernen möchte.
Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:
Ich habe mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden, weil ich unbedingt das Schulsystem eines anderen Landes kennenlernen und darin unterrichten wollte, bevor ich in Deutschland ins Referendariat starte. Mit dem direkten Vergleich zwischen dem deutschen und dem kosovarischen Schulsystem kann ich meine hier gewonnenen Erfahrungen in meine Lehrtätigkeit an deutschen Grundschulen einbringen. Gleichzeitig hilft mir das Verständnis für die Kultur auch, später sensibler auf bestimmte Klassenzusammensetzungen einzugehen mit Kindern, deren Herkunftsland auch der Kosovo sein kann.
Besonders wichtig war es mir außerdem, Deutsch als Fremdsprache unterrichten zu können. Kindern ab einem Alter von acht Jahren eine ihnen bisher völlig unbekannte Sprache näherzubringen, erfordert viel Geduld, Motivation und gute Ideen. Besonders geholfen haben mir bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung die Inhalte aus dem DaF/DaZ-Studienprogramm.
Leben vor Ort
So wohne ich in Prizren:
Ich wohne in einem Gästeapartment auf dem Campus des Loyola-Gymnasiums. Ebenfalls in dem Gebäude befindet sich das Internat für die Schüler und Schülerinnen, hier ist also immer was los. Ende Oktober hatten die Erzieherinnen und Erzieher des Internats eine richtig große Halloween-Party in der Aula der Schule organisiert. Zurzeit proben wir das Weihnachtsprogramm für das Internatsfest vor den Weihnachtsferien.
Was unterscheidet das Unterrichten an einer Schule im Kosovo von dem in Deutschland?
Hier an einer kosovarischen Grundschule ist die Klassenzusammensetzung im Gegensatz zu Grundschulklassen in Deutschland viel homogener, der Unterricht ist oft lehrkraftzentriert. Die Kinder verfolgen den Unterricht sehr aufmerksam und melden sich häufig. Nach dem Unterricht verabschieden sich die Kinder häufig bei der Lehrkraft mit einer Umarmung und bedanken sich für die Unterrichtsstunde. An den Schulen im Kosovo wird generell großer Wert auf gegenseitigen Respekt, Toleranz und Akzeptanz gelegt. Hierfür gibt es sogar ein eigenes Unterrichtsfach. Die Lehrkräfte hegen untereinander ein sehr freundschaftliches Verhältnis und greifen sich in Stresssituationen gegenseitig unter die Arme. Viele Lehrkräfte nehmen ihren Beruf sehr ernst und sehen es als Lebensaufgabe, Kindern durch Bildung eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:
Die kosovarische Gastfreundschaft! Ob zum Pite-Essen im Garten der Schwiegereltern, zu einem Badeausflug an die albanische Adria, zum Ajvar-Einkochen (in schier unvorstellbaren Mengen) oder zum Pflaumenschnaps-Trinken mit der Sportlehrkraft – bereits nach einer Woche hatte ich das Gefühl, in mindestens drei Familien aufgenommen worden zu sein.
Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:
In den ersten drei Tagen habe ich – neben der kosovarischen Gastfreundschaft – besonders auf dem Weg in die Schule gelernt, dass Straßenschilder völlig überbewertet werden. Autofahren hier im Kosovo ist eine Kunst, bei der es nur eine Regel gibt: Nutze! Jede! Lücke! Und: Vertraue darauf, dass deine Mitmenschen dich trotz der engen und unübersichtlichen Straßen sehen.
Eine weitere Sache, die ich schnell gelernt habe, ist den Menschen hier genau zuzuhören. Viele Kosovarinnen und Kosovaren haben Krieg, Vertreibung und Flucht miterlebt. Die meisten können noch immer nicht offen darüber sprechen. Sie wollen aber gehört werden, erzählen von ihrer Zeit, die sie in Deutschland, der Schweiz oder in Albanien verbracht haben, von ihrer Abschiebung und von ihren Familienmitgliedern in anderen Ländern Europas.
Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes war …
Die größte Herausforderung hier während meines Aufenthaltes ist die starke Umweltverschmutzung, die mich jeden Tag sehr betroffen macht. Jeden Tag auf dem Weg zur Schule sehe ich am Straßenrand ganze Müllberge. Durch das fehlende Müllentsorgungssystem und fehlende Strukturen in der Abfall- und Abwasserwirtschaft landet der in den Städten und Dörfern produzierte Müll meistens in den Wäldern. Die Wälder selbst werden jetzt im Herbst und Winter im großen Stil abgeholzt. Doch häufig heizen die Menschen auch mit alten Kleidungsstücken, Schuhen oder Plastik, weshalb im Winter hier die Luftverschmutzung sehr hoch ist. Die 60 Jahre alten Braunkohlekraftwerke in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, tragen außerdem einen großen Teil zu den viel zu hohen Treibgasemissionen bei.
Das nehme ich von hier mit nach Hause:
Die Offenheit der Kosovaren gegenüber Neuem! Und vier Kilo Ajvar.
Gut zu wissen
Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:
Flia – das Nationalgericht des Kosovo. Flia ist eine Art geschichteter Pfannkuchen, der in einer großen runden Metallform mit einem ebenso großen Metalldeckel über dem offenen Feuer von beiden Seiten gebacken und anschließend mit geschmolzener Butter übergossen wird. Das beste Flia gibt es hoch oben in den Bergen, dort wird es noch ganz traditionell zubereitet. Aber auch das Obst und Gemüse auf dem Markt ist hier immer frisch und sehr lecker.
Welches Fettnäpfchen sollte man im Kosovo vermeiden?
Fragt man im Kosovo nach dem Weg, sollte man unbedingt auf eine konkrete Längenangabe zum gewünschten Ziel bestehen. Ich habe während eines Spazierganges durch die Stadt einmal jemanden gefragt, wo sich der nächste Supermarkt befindet. Er beschrieb mir den Weg so, als wäre mein Ziel um die nächste Ecke, ich müsse nur ein „bisschen“ die Straße in eine Richtung gehen und dann rechts abbiegen. Ich bin sechs Kilometer gelaufen.
Diesen Tipp gebe ich anderen Studierenden, die ins Ausland gehen möchten:
Seid offen für neue Erfahrungen! Häufig halten uns unsere eigenen Vorurteile davon ab, in Länder zu reisen, die touristisch noch nicht so erschlossen sind. Informiert Euch vorher beim Auswärtigen Amt, ob ein Land sicher ist, nehmt Kontakt zu Einheimischen auf und habt keine Angst. Nur wenn wir verstehen, wie andere Kulturen funktionieren, können wir selbst langfristig für ein friedliches Miteinander sorgen.