Post aus… Japan Biologiestudent Benjamin Harder absolviert ein Forschungspraktikum in Hamamatsu
Allgemeine Informationen
Hier lebe ich momentan:
In Hamamatsu. Das liegt in der japanischen Präfektur Shizuoka.
Das mache ich in Hamamatsu:
Ich absolviere ein Forschungspraktikum in der Abteilung für Optische Neuroanatomie an der Hamamatsu University School of Medicine (HUSM). Ich habe meinen Aufenthalt in der Arbeitsgruppe von Professor Satoru Yamagishi verbracht. Diese Arbeitsgruppe erforscht sogenannte Axon-Guiding-Moleküle. Das sind Wegweisermoleküle, die von Nervenzellen genutzt werden, um ihre Zielzellen zu finden. Die Universität ist eine rein medizinische Hochschule. Deshalb forscht die Gruppe auch zusammen mit anderen klinischen Abteilungen zum Zusammenhang der Wegweisermoleküle bei Rückenmarksverletzungen, Autismus, Alzheimer und anderen Krankheiten.
In meinem Projekt geht es darum, das vorübergehende Zusammenwirken von vermuteten Wegweisermolekülen zu analysieren und ihre Funktion zu charakterisieren. Das Ganze analysieren wir dann im Neocortex, also dem Bereich der Großhirnrinde im Gehirn. Mit der Methode der in utero Elektroporation können wir untersuchen, wie sich das Ganze auf den sich entwickelnden Organismus auswirkt.
Mein Aufenthalt dauert insgesamt:
… vier Monate. Ich habe meinen Aufenthalt größtenteils selbst organisiert und dabei Unterstützung von Dr. Kazuhiko Namikawa aus dem Zoologischen Institut der TU Braunschweig und Professor Satoru Yamagishi aus Japan erhalten. Da mein Aufenthalt länger als 90 Tage dauert, musste ich ein Visum beantragen. Das International Office der HUSM hat mir alle nötigen Unterlagen geschickt und sich auch um das Einladungsschreiben sowie die Kostenübernahme für das Visum gekümmert. Außerdem brauchte ich einen Nachweis, dass ich keine Tuberkulose habe, weil ich mich an einer medizinischen Universität immatrikulieren wollte. Dazu musste ich ein Röntgenbild von meinem Brustkorb machen lassen. Dass das für die Einschreibung Voraussetzung war, hat sich schon etwas seltsam angefühlt.
Im Großen und Ganzen war aber alles recht unkompliziert und ich wurde immer gut begleitet. Auch auf Rückfragen oder Unklarheiten habe ich immer schnell Antworten erhalten. Im Nachhinein war die selbstständige Organisation gar nicht so kompliziert, wie ich es mir am Anfang vorgestellt hatte.
Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:
Schon am Anfang meines Studiums wollte ich immer gerne ins Ausland. Mich hat der Gedanke, in einer anderen Umgebung zu forschen und zu leben, fasziniert. Nach einem Urlaub in Japan stand für mich fest, dass ich gerne nochmal zurückkommen möchte und so habe ich dann angefangen, meinen Aufenthalt zu planen.
Im Biologie-Master ist es recht einfach, einen kurzen Auslandsaufenthalt in das Studium zu integrieren. Es gibt das sogenannte Flexi-Modul, das sich für einen Auslandsaufenthalt gut eignet. Diese Möglichkeit habe ich genutzt, um mir meine Leistungen für mein Studium anzuerkennen lassen.
Leben vor Ort
So wohne ich in Hamamatsu:
Hamamatsu hat knapp 800.000 Einwohner*innen und ist damit vergleichbar mit Frankfurt am Main. Dennoch wirkt Hamamatsu deutlich ländlicher als Frankfurt. Nach zehn Minuten Fahrt vom Stadtkern aus sieht man vor allem freistehende Ein- oder Zweifamilienhäuser und es fühlt sich eher wie eine Kleinstadt an. Wie die meisten größeren japanischen Städte liegt auch Hamamatsu übrigens an der Küste. Wegen der Tsunami-Gefahr werden wichtige Gebäude wie Krankenhäuser weit weg von der Küste gebaut. Dadurch hatte ich leider einen langen Weg von der Universität ins Stadtzentrum. Die Strecke dauert etwa 45 Minuten mit dem Bus.
Während meines Aufenthalts habe ich im Wohnheim für internationale Studierende gewohnt. Mein Zimmer war klein, aber mit allem ausgestattet, was man zum Leben braucht. Die Klimaanlage ist hier ein echtes Muss – ohne Klimaanlage wäre der Sommer kaum zu überstehen gewesen. Das Wohnheim war praktisch, weil es nur knapp acht Minuten zu Fuß zum Labor waren. Aber bei 39 °C im Sommer können acht Minuten auch ganz schön lange dauern.
Was unterscheidet das Studieren bzw. Forschen in Japan von dem in Deutschland?
Die japanische Forschungslandschaft ist ähnlich wie die deutsche, aber das Studieren ist ganz anders. Die Studierenden müssen hier jede Veranstaltung besuchen. Außerdem habe ich gemerkt, dass zwischen Studierenden und Lehrenden ein sehr großer Respekt und Abstand besteht. Fragen in Vorlesungen werden eher als E-Mail geschrieben, als direkt zu fragen. Außerdem habe ich von Studierenden erfahren, dass es ein absolutes No-Go ist, Lehrende mit ihrem Vornamen anzusprechen. Selbst als mein Professor einigen japanischen Studierenden angeboten hat, ihn mit dem Vornamen anzusprechen, hat sich das keiner getraut. Im Vergleich zu Deutschland ist der Kontakt zu Lehrenden in Japan nicht so eng.
Die generelle Arbeitsatmosphäre in unserer Arbeitsgruppe ist sehr gut, alle Mitglieder sind überaus hilfsbereit und trotz meiner Sprachbarriere haben mir alle Kolleg*innen bei Fragen so gut wie möglich geholfen. Die Arbeitszeiten sind von Person zu Person unterschiedlich. Manche fangen früh am Morgen an und gehen dann nachmittags nach Hause und andere fangen erst am Mittag an und bleiben bis in die Nacht.
Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:
Wenn man in Japan ankommt, fällt sofort auf, wie ordentlich und sauber alles ist. Die Züge fahren hier alle pünktlich ab und die Menschen stellen sich in einer Reihe vor ihrem Zug an. Verspätungen gibt es eigentlich nur bei starkem Regen, Taifunen oder kleineren Erdbeben. Diese Phänomene erlebt man in Japan übrigens immer mal wieder. Während meines Aufenthalts wurde ich nachts häufiger von einem Notfallalarm geweckt, der auf meinem Smartphone angezeigt wurde. Wenn man für eine längere Zeit in Japan lebt, sollte man sich mit dem Risiko von Erdbeben und anderen Katastrophen auseinandersetzen. Gleich zu Beginn hat mir das International Office eine Karte mit Evakuierungsplätzen und To-Do-Listen gegeben, damit ich weiß, wie ich mich bei Notfällen zu verhalten habe. Während der Regenzeit gab es auch oft Warnungen vor Überflutungen und möglichen Erdrutschen. Das war eine ganz andere Erfahrung als in Deutschland.
Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:
Als ich am ersten Tag in Hamamatsu angekommen bin, habe ich ziemlich schnell gelernt, dass ein Regenschirm in Japan ein echtes Must-Have ist. Egal, ob bei Regen oder Sonnenschein – die Menschen hier haben immer einen dabei. Gleich am ersten Tag wurde ich auch darauf hingewiesen, dass der Sommer in Japan sehr heiß und schwül werden kann. Ich habe mir dabei nichts gedacht, weil wir in Deutschland teilweise auch sehr hohe Temperaturen haben. Aber Anfang Juni habe ich dann gemerkt, wie unterschiedlich die Temperaturen doch sind. Ich habe dann ziemlich schnell durch Gespräche mit Kolleg*innen verstanden, dass der Sommer in Japan in drei Phasen unterteilt ist: Regen, heiß und schwül, Taifun-Zeit. Ohne Klimaanlage geht also nichts.
Im Vergleich zu Deutschland sind die Öffnungszeiten hier sehr ungewöhnlich, da die meisten Geschäfte und Supermärkte täglich geöffnet haben und Convenience Stores sogar rund um die Uhr verfügbar sind. Hier kann man alles kaufen, was man zum Leben braucht, von warmen Mahlzeiten und Snacks bis zu Getränken. Auch Geld kann man in den Stores abheben oder sogar die Krankenversicherung bezahlen. Mir ist aber schnell klar geworden, dass Japan ein Land ist, in dem noch viel mit Bargeld gezahlt wird. In den Restaurants kann man meistens mit Kreditkarte zahlen. Viele Japaner*innen nutzen auch mobile Apps zum Zahlen. Aber meine Krankenversicherung und auch meine Miete musste ich immer passend in bar bezahlen. Auch Bustickets müssen bar gezahlt werden, da der Automat kein Geld wechselt. Für mich war es zunächst ungewohnt, immer Bargeld dabei zu haben.
Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes:
In Tokio sprechen sehr viele Menschen gut Englisch und verstehen es auch sehr gut. In Hamamatsu ist das aber anders. Es war teilweise sehr mühsam, Fragen zu klären. Aber die Menschen hier haben sich trotzdem immer Mühe gegeben, mir weiterzuhelfen, egal ob mit Händen oder Füßen. Ich kann nur empfehlen, sich ein paar japanische Wörter und Standardsätze anzueignen, bevor man nach Japan kommt.
Das nehme ich von hier mit nach Hause:
Professor Yamagishi hat selbst für sieben Jahre in Deutschland gelebt und geforscht. Dadurch kennt er die deutsche Kultur ziemlich gut. Drei Mal haben wir gemeinsam ein „Deutsches Café“ veranstaltet, an dem japanische Studierende teilnehmen konnten. Hier haben wir uns über den Alltag und die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Japan unterhalten. Viele Studierende waren sehr an der deutschen Sprache oder Kultur interessiert, weshalb ich viele neue Eindrücke und Bekanntschaften mit nach Hause nehme.
Gut zu wissen
Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:
Hamamatsu ist besonders für Aal und Gyoza (japanische Teigtaschen) bekannt. Diese zwei Speisen würde ich auf jeden Fall empfehlen. Am Ende meines Aufenthaltes habe ich noch einige Zeit in Fukuoka verbracht, was am anderen Ende Japans liegt. Die Gegend ist vor allem für Hot Pot (Brühfondue) und Ramen (Nudelsuppe) bekannt. Außerdem gibt es hier die besten Süßspeisen, zum Beispiel Hakata-Manju, kleine Küchlein, die mit weißer Bohnenpaste gefüllt sind. Wenn Ihr in dieser Gegend unterwegs seid, solltet Ihr diese Spezialitäten auf jeden Fall probieren.
Welches Fettnäpfchen sollte man in Japan vermeiden?
Generell gibt es viele gesellschaftliche Regeln und Normen in Japan: So sollte man beim Essen nicht mit den Stäbchen rumspielen oder sie irgendwo reinstecken. Zudem sollte man auf keinen Fall Essen von Stäbchen zu Stäbchen reichen, das gilt als sehr unhöflich. Als Ausländer*in wird man meistens mit etwas Nachsicht behandelt oder freundlich auf Fehler hingewiesen.
Bei Tempelbesuchen sollte man sich an die vorgeschriebenen Schilder und Hinweise halten, andere bei ihrem Gebet nicht stören und nicht dort fotografieren, wo es nicht erlaubt ist.
Diesen Tipp gebe ich anderen Studierenden, die ins Ausland gehen möchten:
Ich kann nur empfehlen, die Chance zu nutzen, im Ausland zu studieren oder zu forschen. In dieser Zeit verlässt man seinen gewohnten Alltag in Deutschland und erlebt so viele neue Dinge. Später im Berufsleben ist so eine Erfahrung viel schwieriger unterzubringen. Deshalb: Einfach machen und alles auf Dich zukommen lassen!