17. Juli 2025 | Magazin:

„Mit leichtem Gepäck“ – ein Bericht von unterwegs Ein Zwischenstand zum Transformationsprojekt

Wer schon einmal auf Expedition war – ob in der Wildnis oder durch die eigene Organisation – ahnt: Man weiß nie, was man genau alles entdeckt. Aber man weiß, wofür man losgeht. So auch im Projekt „Mit leichtem Gepäck“ unter der Leitung von Dietmar Smyrek, TU-Vizepräsident für Personal, Finanzen und Hochschulbau. Seit Mai dieses Jahres sind rund 50 Kolleg*innen aus Verwaltung, Wissenschaft und Wissenschaftsmanagement aufgebrochen, um herauszufinden, wie interne Prozesse an der TU Braunschweig erleichtert werden können.

„Verwaltung ist ja dann besonders unterstützend, wenn man sie trotz aller Regeln aus Sicht der Wissenschaft wenig wahrnimmt, dann ist die Zusammenarbeit reibungslos.“ 

Gestartet sind im Mai neun Teams mit jeweils einer Herausforderung, deren Lösung der Senat als besonders wichtig hervorgehoben hat. Ihr Ziel: Mit frischer Perspektive auf das Altbekannte schauen – und durch schnell umsetzbare Ideen Vereinfachung schaffen. Diese frische Perspektive werde nun spürbar, so Projektinitiator Dietmar Smyrek: „Verwaltung ist ja dann besonders unterstützend, wenn man sie trotz aller Regeln aus Sicht der Wissenschaft wenig wahrnimmt, dann ist die Zusammenarbeit reibungslos. Das Projekt dient dazu, diesem Ziel möglichst nahezukommen. Bereits jetzt, kurz nach den ersten Etappen, bekomme ich das Gefühl, dass in diesem neuen Rahmen Dinge offen angesprochen werden können, auch in den Bereich des jeweils anderen hinein. Dieser Spirit ist durch den gemeinsamen Aufbruch und die breite Beteiligung da.“

Machbarkeitsspaziergänge

Derzeit befinden sich die Teams in der Etappe „Verstehen & Einordnen“. In dieser Analysephase werden Prozesse aus der eigenen Sicht der Nutzenden betrachtet. Ziel ist es, Bedarfe sichtbar zu machen, Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und daraus konkrete Ansätze zu entwickeln.

„Für uns ist der Dialog die Basis für ein gutes Miteinander und zugleich der Schlüssel zur Verbesserung.“ 

Ein besonderer Fokus wird auf die Vielfalt der Perspektiven gelegt – sowohl innerhalb der Teams als auch durch externen Input. Die Teams haben die Gelegenheit, verschiedene interaktive Beteiligungsformate zu nutzen, die sich bewusst von gängigen Meetings unterscheiden. Unter anderem der ungewöhnliche „Machbarkeitsspaziergang“ – eine Art Walk & Talk, bei denen die Teams in den Dialog mit TU-Vizepräsident Dietmar Smyrek treten und ihre Ideen schärfen können. Während der Spaziergänge wird der Austausch angeregt, Ideen fließen und werden im direkten Gespräch konkretisiert.

Machbarkeitsspaziergang der Gruppe „Transparenz in den Prozessen/Zuständigkeiten“. Projektteam „Mit leichtem Gepäck“/TU Braunschweig

Neben den Machbarkeitsspaziergängen unterstützen die Prozessbegleiterinnen aus dem Projekthaus die Teams durch teaminterne Workshops und das Einholen von Feedback aus verschiedenen Quellen, darunter Kurzinterviews und eine universitätsweite Befragung.

„Für uns waren besonders die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teams eine tolle Erfahrung“, erklären die beiden Prozessbegleiterinnen Sarah Zerwas und Madita Olvermann. „Jedes Team hat einen anderen Zugang zu Informationen und braucht unterschiedliche Impulse. Daraus lernen wir nicht nur viel über die Teams selbst, sondern auch darüber, wie wir als Universität im Gesamten funktionieren. Für uns ist der Dialog die Basis für ein gutes Miteinander und zugleich der Schlüssel zur Verbesserung.“

Einblicke in die bisherige Reise einiger Teams:

Team „Kreative, digitale Zwischenlösungen“

„Vielleicht gibt es längst eine Lösung, die 80 Prozent des Problems löst – aber wir wissen nichts davon.“ 

Wie können gute, oft improvisierte IT-Lösungen aus dem Alltag sichtbar gemacht – und vielleicht sogar systematisch genutzt werden? Genau darum geht es diesem Team. Professorin Anne Paschke vom Institut für Rechtswissenschaften: „Besonders wichtig war für uns die Erkenntnis, dass viele pragmatische IT-Lösungen entstehen, wenn kurzfristig auf konkrete Bedarfe reagiert werden muss, beispielsweise durch Workarounds. Diese sind oft sehr wirksam, bleiben aber isoliert, weil sie nicht sichtbar gemacht oder langfristig integriert werden.“ Den Prozess erlebt sie als sehr anregend: „Vor allem, weil er Raum für Diskussionen und Perspektiven lässt, die in hochschulinternen IT-Strukturen sonst oft untergehen. Der Austausch im Team war offen, lösungsorientiert und hat uns gezeigt, wie viel Innovationskraft in vermeintlichen „Notlösungen“ steckt.“

Kai Brunzel, Leiter des Immatrikulationsamtes, ergänzt: „Immer wieder gibt es Bedarfe, die aus Einrichtungen und Instituten kommen. Aber wir haben an der TU auch einen riesigen Pool an Tools. Der Kern ist für uns, dass die Menschen zu dem Bedarf kommen, den Sie haben wollen. Damit ersparen wir uns viel Aufwand. Vielleicht gibt es längst eine Lösung, die 80 Prozent des Problems löst – aber wir wissen nichts davon. Dann wäre es sinnvoller, diese direkt verfügbar zu machen, statt auf die perfekte, langfristige Lösung zu warten.“

Das Team sammelt derzeit Fallbeispiele aus dem Universitätsalltag und entwickelt einen Prozessentwurf, wie der Weg vom Bedarf zur Zwischenlösung pragmatisch aussehen kann.

Team „New Work“ mit dem Schwerpunkt Arbeitsortgestaltung

„Räume sind für eine Universität nicht nur ein Arbeits- und Lernort, sondern auch zentral als Ort des Treffens und des zwischenmenschlichen Austauschs.“

Das Team „New Work“ stellt sich der Herausforderung, wie Räumlichkeiten an der Universität gestaltet werden können, um neue Formen des Arbeitens zu ermöglichen – und dies kollaborativ und mit der Integration verschiedener Ansprüche von heterogenen Nutzer*innen-Gruppen. Teammitglied Jun.-Professor Michael Heere vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Brennstoffzellen berichtet aus den vergangenen Wochen: „Wir haben uns die Frage gestellt, welche konkreten Herausforderungen es dafür gibt und welche Möglichkeiten wir haben – vom Möbel-Rahmenvertrag bis zum ‚Pinsel-selbst-in-die-Hand-nehmen‘. Um dieser Frage näherzukommen, wurden unterschiedliche Austauschformate im Team organisiert; darunter ein Machbarkeitsspaziergang (Walk & Talk) mit der Hochschulleitung über konkrete Fragen, was alles möglich ist, um den Lösungsraum abzustecken. Zudem fanden zwei Workshops statt, um mehr Klarheit über konkrete Anforderungen an Räume und deren Nutzung im Kontext zukünftiger Arbeit bzw. deren Nutzer*innen zu bekommen.

Das „New Work“ Team im Austausch. Bildnachweis: Projektteam „Mit leichtem Gepäck“/TU Braunschweig

Wichtig sei dem Team die Zentrierung auf die Nutzenden, so Jun.-Professor Heere: „Uns war es wichtig, das Thema aus Sicht der Nutzenden zu betrachten. Dafür haben wir mit verschiedenen Personas gearbeitet – und wollen diesen Ansatz nun auch in die Fachbereiche hineintragen.“ Diskutiert wird über das Potenzial gemeinschaftlich genutzter Flächen, alternative Raumkonzepte und darüber, wie wir uns als Universität vom Prinzip der „Erbhöfe“ lösen können: „Räume sind für eine Universität nicht nur ein Arbeits- und Lernort, sondern auch zentral als Ort des Treffens und des zwischenmenschlichen Austauschs. Voraussichtlich werden diese Räume aber nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, sondern Fläche eingespart werden. Trotzdem oder gerade deswegen ist es wichtig alle Aspekte des Arbeitens, Forschens und Lernens wahrzunehmen und zu begreifen, dass das von den Räumen beeinflusst wird – von der Aufenthaltsqualität bis zum Forschungsergebnis.“

Team „Unterstützung statt Kontrolle“

„Eigentlich sind wir ja ein großes ‚Wir‘ und nicht nur einzelne ‚Dus‘!“

Das Team „Unterstützung statt Kontrolle“ beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie an der TU Braunschweig verstärkt ein Gefühl von Unterstützung – jenseits von Kontrolle etabliert werden kann. Anike Altschwager vom Institut für Numerische Mathematik beschreibt, was dahintersteckt: „Im Austausch in unserem Team und mit anderen Kolleg*innen haben wir festgestellt, dass viele von uns sehr gute Teamerfahrungen in ihren Abteilungen machen. Da, wo es sich nicht so anfühlt, fehlen häufig Hintergrundinformationen und Wissen, um Verständnis füreinander oder die Sache zu entwickeln. Hier hatten wir z.B. die Idee, dass es vielleicht eine Sprechstunde für Anregungen/Änderungen/Problemstellungen etc. geben könnte. In jedem Fall suchen wir nach Möglichkeiten, um in einen echten Dialog darüber zu kommen, was die Probleme des anderen sind und wie wir uns gegenseitig mehr unterstützen könnten. Eigentlich sind wir ja ein großes ‚Wir‘ und nicht nur einzelne ‚Dus‘!“

Und wie geht es weiter nach der Sommerpause?

Die nächste Etappe auf der Reise für die Teams ist „Lernen und Entwerfen“. Dabei stehen sie vor der spannenden Aufgabe, die vielfältigen Ideen zusammenzutragen, zu bewerten und daraus erste Prototypen zu entwerfen. Diese werden beim Zwischenevent Mitte Oktober präsentiert und danach in der Etappe „Testen und Umsetzen“ für einen Zeitraum von sieben Wochen getestet.

Als ein zeitlich begrenztes, ergebnisorientiertes Projekt der TU Braunschweig endet „Mit leichtem Gepäck“ im Dezember 2025. Das Projekt wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen von „Spaces for the Bold“ und will eine Changemaker-Kultur von Eigeninitiative und Gestaltungsfreude fördern. Darin steckt auch der Anspruch für die Zukunft, an der TU Braunschweig, gemeinsam die Erkenntnisse aus dem Projekt zu nutzen, eine neue Haltung zur Prozessgestaltung zu entwickeln, Ballast abzuwerfen und vorhandene Ressourcen zu nutzen. Kurzum:  mit leichtem Gepäck zusammen in die Zukunft zu gehen.

Text: Madita Olvermann