Meeressedimente aus 8.000 Metern Tiefe Dr. Marta Pérez Rodríguez über die „Island Impact“-Expedition
Wieder festen Boden unter den Füßen: Nach sieben Wochen an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“ ist Dr. Marta Pérez Rodríguez zurück in Braunschweig. Als Teil der „Island Impact“-Expedition hat die Umweltwissenschaftlerin vom Institut für Geoökologie im Südatlantik Wasser- und Sedimentproben für ihre Forschung zum Quecksilberkreislauf gesammelt. Nach ihrer Rückkehr hat sie uns von ihrer Forschung unter stürmischen Bedingungen, Walen, Pinguinen und einem Raum voller Kartoffeln berichtet.
„Endlich sind wir auf dem Weg ins Südpolarmeer. Alle waren gespannt und gingen auf die verschiedenen Decks nach draußen, um zu sehen, wie die Polarstern den Hafen verlässt. Das war ein sehr schöner Moment. Als das Licht von Kapstadt aus kaum noch zu sehen war, tauchten die Sterne am Himmel auf. Sogar das Kreuz des Südens war zu erkennen. Wir bewegten uns Richtung Südwesten. Dann erhielten wir Zugang zu unseren Arbeitsplätzen und den Labors. In der Nacht konnten wir zum ersten Mal große Wellen spüren! Sie werden uns den größten Teil unserer Reise begleiten. Nach dem Frühstück holten wir mit Hilfe der Besatzung die Fracht aus den Containern. Und danach starteten wir mit der Vorbereitung der Labore.“
Für Marta Pérez Rodríguez, weitere 47 Wissenschaftler*innen und 50 Crew-Mitglieder begann damit eine stürmische Forschungsreise im größten Meeresstrom der Erde, dem Antarktischen Zirkumpolarstern. Rund um die Inselgruppe Südgeorgien im Südatlantik östlich der Ostküste Südamerikas treten einige der höchsten Konzentrationen von Phytoplankton (einzellige Pflanzen im Oberflächenwasser) auf. Eines der Ziele der Expedition war es, die Auswirkungen des Eiseneintrags auf die Produktivität im Südlichen Ozean sowie Quellen und Wege anderer Nährstoffe zu untersuchen. So wollte die Arbeitsgruppe Umweltgeochemie des Instituts für Geoökologie der TU Braunschweig mehr über den marinen Quecksilberkreislauf erfahren und erkunden, wo sich das Spurenmetall in den Tiefen des Meeres ablagert.
Forschung rund um die Uhr
Dafür hat Marta Pérez Rodríguez während der siebenwöchigen Expedition unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) verschiedene Proben genommen: beispielsweise in der Nähe der Südlichen Sandwichinseln Meeressedimente in einer Tiefe bis zu 8.000 Metern und Wasserproben in einer Tiefe von 7.000 Metern. „Das ist einzigartig!“ Die Wissenschaftlerin ist noch immer begeistert über die Möglichkeit, solche Proben für ihre Forschung zu erhalten. Auch wenn es für sie bedeutete, manchmal mitten in der Nacht aufzustehen. Geforscht wurde an Bord der „Polarstern“ rund um die Uhr. Wenn das Schiff den anvisierten Ort für die Probennahme erreichte, an dem die Forschenden zum Beispiel viel Phytoplankton erwarteten, hieß es, um drei Uhr nachts aufstehen.
Dem Wind des Südpolarmeers ausgesetzt
„Meist haben wir acht bis neun Stunden konzentriert gearbeitet“, erzählt Rodríguez. „Ich musste tatsächlich aufpassen, dass ich das Essen nicht vergesse.“ Und das sei besonders gut gewesen. Neben warmen Mahlzeiten wurden die Expeditionsteilnehmer*innen mit Salaten, Obst, frisch gebackenem Brot und Kuchen versorgt. „Man verbraucht bei einer solchen Forschungsreise mehr Kalorien als normalerweise.“ Darauf war das „Polarstern“-Küchenteam vorbereitet: Rund 10.000 Eier lagerten an Bord und in einem Raum wurden ganze Kartoffelberge gesichtet.
Nach dem Abendessen standen oft Brettspiele und Filme auf dem Programm oder ein Training im Sportraum. Und zwischen den Forschungsarbeiten konnten die Wissenschaftler*innen auch einfach mal nur den Blick über den tiefblauen Ozean schweifen lassen und Wale, Pinguine, Seehunde und Delphine beobachten. Die Tischtennisplatte dagegen musste ungenutzt stehen bleiben. Dafür bewegten die Wellen das Schiff oftmals zu stark. Im Antarktischen Zirkumpolarstrom befand sich die „Polarstern“ in einer der stürmischsten Regionen unserer Erde. Eine Herausforderung für die wissenschaftlichen Arbeiten. Starker Wind verhinderte immer wieder das Arbeiten mit den Geräten an Bord. „Meistens habe ich eine Stunde am Stück draußen gearbeitet und mich dann wieder aufgewärmt.“ An das Geschaukel des Schiffs hatte sich Marta Pérez Rodríguez schnell gewöhnt: „Nach zwei Wochen merkt man es nicht mehr.“
Proben aus dem „Moonpool“
Trotz stürmischer See und anfänglicher Probleme mit der Messausrüstung konnte Marta Pérez Rodríguez zahlreiche Proben nehmen. „Wir hatten wirklich Glück, dass wir genau die Stelle mit der höchsten Konzentration von Phytoplankton gefunden haben, nach der wir gesucht hatten.“
Zudem war das Triaxus im Einsatz, ein Messgerät, das bei langsamer Fahrt hinter der „Polarstern“ durchs Wasser geschleppt wird und unter anderem Temperatur und Salzgehalt misst. Weitere Proben zu Algenpigmenten, Nährstoffen oder Artenzusammensetzung des Phytoplanktons entnahmen die Wissenschaftler*innen im so genannten „Moonpool“. Diese etwa ein Meter große Öffnung im Schiffsrumpf bietet direkten Zugang zum Wasser. Diese zusätzlichen Daten sind auch für die Interpretation von Marta Pérez Rodríguez‘ eigenen Untersuchungen wichtig. Ihre Proben sind – perfekt gekühlt – weiterhin an Bord der „Polarstern“. Ende April 2023 kann sie diese in Bremerhaven abholen und dann analysieren.
Neue Projekte durch die Expedition
Für Marta Pérez Rodríguez war die „Island Impact“-Expedition eine der aufregendsten Erfahrungen als Wissenschaftlerin. Ihr Fazit nach sieben Wochen auf dem Schiff: „Ich habe viel gelernt, auch wie man mit dem Arbeiten außerhalb der ‚Komfortzone‘ umgeht, also in einer völlig anderen Umgebung, mit hohem Arbeitseinsatz und immer dem Bestreben, die besten Ergebnisse zu erzielen. Die Kooperation mit den anderen Wissenschaftler*innen an Bord war sehr gut. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und alle hatten die Möglichkeit, ihre Forschungsinstrumente ins Wasser zu bekommen und Proben zu nehmen. Durch unsere gemeinsame Arbeit werden sicherlich viele neue Projekte entstehen.“ Würde sie wieder an einer solchen Expedition teilnehmen? „Auf jeden Fall, vielleicht in zwei, drei Jahren. Schließlich hängt eine Menge Logistik und Organisation daran – für die gesamte Arbeitsgruppe.“ Wo soll es dann hingehen? „Am liebsten in die Nähe der Arktis.“