Materialien der Zukunft: „Biobasiert, leistungsfähig und nachhaltig“ Oliver Völkerink ist neuer Juniorprofessor am Institut für Mechanik und Adaptronik
Im Formula Student Team, einem Racing-Team von Studierenden an der Technischen Universität Braunschweig, wurde Oliver Völkerinks Faszination für den Leichtbau geweckt. Seit Mai 2023 ist er nun als Juniorprofessor am Institut für Mechanik und Adaptronik zurück an der TU Braunschweig. Mitgebracht hat er seine Vision von leichten und biobasierten Strukturbauteilen, die recyclebar sind und so einen Beitrag auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft leisten. Im Interview stellt er sich und seine Forschung vor.
Herr Prof. Völkerink, warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Ich habe an der TU Braunschweig studiert und die Universität aus der Perspektive des Studenten in guter Erinnerung, bin mit ihr aber auch während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR-Institut für Systemleichtbau in Braunschweig über Kooperationen verbunden geblieben. Mit Veröffentlichung der Ausschreibung der Tenure-Track-Professur, auf die ich nun berufen wurde, habe ich mich noch einmal intensiver mit der Ausrichtung der TU Braunschweig und insbesondere der Fakultät für Maschinenbau aus Sicht der Forschung beschäftigt.
Attraktiv war für mich die breite thematische Aufstellung der Forschung im Maschinenbau mit den diversen Forschungszentren. Stellvertretend sei hier die Open Hybrid LabFactory (OHLF) in Wolfsburg genannt. Die Themen, die wir am Institut für Mechanik und Adaptronik bearbeiten, sind für verschiedene Industrien relevant, von der Pharmaverfahrenstechnik über den Flugzeugbau bis hin zur Automobilindustrie. All diese Bereiche werden in der Fakultät abgedeckt. Hinzu kommt das dichte Netz an außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Region. Außerdem fühle ich mich als zugezogener Braunschweiger in der Stadt sehr wohl und freue mich umso mehr, auch in Zukunft hier leben zu dürfen.
Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Mein Arbeitsbereich ist die Funktionsintegration in der Produktionstechnik. Funktionsintegration beschreibt die Kombination mehrerer Funktionen im Lastpfad eines Bauteils, also dort, wo Kräfte übertragen werden. Um dies etwas plastischer zu machen, gebe ich ein Beispiel: Eine Hängelampe ist mit einer Kette an der Decke befestigt und mit einem zusätzlichen elektrischen Kabel mit dem Stromnetz des Hauses verbunden. Das Bauteil Kette übernimmt die Funktion Lastübertragung und das elektrische Kabel die Funktion Energieübertragung. Wäre das elektrische Zuleitungskabel so ausgeführt, dass keine zusätzliche Kette erforderlich ist und die Lampe direkt am Kabel hängt, wären die beiden Funktionen in einem Bauteil integriert. Auf diese Weise wird ein Bauteil, nämlich die Kette, eingespart, was wiederum eine Material- und Kosteneinsparung zur Folge hat. Die Übertragung dieses Prinzips auf verschiedene Fragestellungen, insbesondere auch die Integration von Sensorik, sind Kern meiner Arbeit. Immer begleitet von der Frage: Wie kann ich das funktionsintegrierte Bauteil fertigen, aber auch nach dem Betrieb wieder zerlegen und recyclen?
Mit welchen Forschungsschwerpunkten und Projekten werden Sie sich an der TU Braunschweig auseinandersetzen?
Im Mittelpunkt meiner Forschung stehen nachhaltige und wiederverwertbare Leichtbaustrukturen mit integrierten Funktionselementen. Beispiele für diese Funktionselemente sind Rissstoppelemente in multifunktionalen Verbindungen, aber auch Sensoren und Elektronik, die strukturell integriert sind, um Bauteile in der Fertigung und im Betrieb zu überwachen. Die Auswirkungen dieser Elemente auf das mechanische Verhalten der Struktur, aber auch die Funktionserfüllung selbst wird in physischen Experimenten und mit virtuellen Tests in Form von numerischen Simulationen untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Materialcharakterisierung und die Modellbildung, um die verschiedenen Materialien in den Funktionsstrukturen in Simulationen abbilden zu können.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Während meines Studiums war ich Teil des Formula Student-Teams der TU Braunschweig. Im Rahmen des Formula Student-Wettbewerbs bauen Studierende jedes Jahr einen neuen Rennwagen, mit dem sie gegen Teams anderer Universitäten und Hochschulen antreten. Dort wurde meine Faszination für den Leichtbau geweckt, da leichte Rennwagen natürlich schneller und energieeffizienter sind als schwere und so einen Wettbewerbsvorteil haben. Gleichzeitig ist dies durchaus herausfordernd, da ein grundlegendes Verständnis der Mechanik erforderlich ist, um Strukturen effizient zu konstruieren. Hinzugekommen ist während meiner bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit der Wunsch, an leichten und leistungsfähigen Strukturen zu forschen, die gleichzeitig nachhaltig sind. Meine Vision sind Strukturbauteile aus biobasierten Materialien, zum Beispiel naturfaserverstärkte Kunststoffe, die im Betrieb mit Sensoren überwacht werden, so möglichst lange betrieben und bei Bedarf zielgerichtet repariert werden können. Dies würde es ermöglichen, die Materialien und Bauteile in Zukunft möglichst lange im Stoffkreislauf zu halten, und auf diese Weise kann meine Forschung einen Beitrag für eine Transformation von der Linear- hin zu einer Kreislaufwirtschaft leisten.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aktuell aus?
Ich bin gerade vor allem damit beschäftigt, Ideen für Forschungsanträge zu generieren, diese mit Mitarbeitenden zu diskutieren und zu Papier zu bringen. Ich begleite auch bereits die ersten Studierenden bei ihren Abschlussarbeiten und versuche, kluge Köpfe für künftige Forschungsprojekte zu gewinnen. Außerdem steht die Vorbereitung der Lehre für das kommende Wintersemester an.
Vielen Dank für das Interview.