Klausuren im Home-Office Die Vizepräsidenten Professor Knut Baumann und Professor Manfred Krafczyk im Interview über Alternativen zur Präsenzprüfung
Zurzeit sind die Präsenzprüfungen für Studierende der Technischen Universität untersagt. Damit die Prüfungen nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen, wird mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet: Wie sieht die Prüfungssituation im Sommersemester aus? Gibt es die Möglichkeit von E-Prüfungen? Auf welche Situation sollten sich Lehrende und Studierende einstellen? Wir sprachen über den aktuellen Stand mit Professor Manfred Krafczyk, Vizepräsident Digitalisierung und des Technologietransfers, und Professor Knut Baumann, Vizepräsident für Studium und Lehre, beide seit dem 1. April im Amt. Sie erarbeiten mit einer Arbeitsgruppe bereits seit einigen Wochen Lösungen zur Digitalisierung der Lehre und der Prüfungen.
Wird es die Möglichkeit geben, im Sommersemester E-Prüfungen an der TU Braunschweig abzulegen?
Zurzeit erarbeitet eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung zentraler Einrichtungen und aller Fakultäten mit Hochdruck Lösungsansätze, um im kommenden Sommersemester E-Prüfungen durchführen zu können. Es handelt sich hierbei um ein sehr komplexes Thema, welches viele rechtliche, organisatorische und technische Fragen aufwirft. Darüber hinaus müssen wir eine außerplanmäßige Finanzierung realisieren. Wir gehen davon aus, dass es voraussichtlich keine einfachen, allumfassenden und für jedes Fach und jede Gruppengröße gleichermaßen geeigneten Lösungen geben wird. Wir gehen aber auch davon aus, dass wir für eine überwiegende Mehrheit der Prüfungsfächer für Studierende und Prüfende akzeptable und praktikable E-Prüfungslösungen für das kommende Sommersemester anbieten können.
Welche Bedingungen müssen dafür an der TU Braunschweig geschaffen werden?
Grundsätzlich muss man zwischen verschiedenen Varianten von E-Prüfungen unterscheiden. Wir suchen primär Lösungen, bei denen die Studierenden die Prüfung außerhalb der TU Braunschweig an ihrem Arbeitsplatz durchführen können. Hierbei muss natürlich sichergestellt werden, dass keine unzulässigen Hilfsmittel während der Prüfung zum Einsatz kommen. Dazu haben wir Lösungsansätze, die aber wie der ganze Vorgang an sich auch datenschutzrechtliche Randbedingungen erfüllen müssen. Die große Mehrheit der Studierenden hat einen Zugang zu einem geeigneten PC, Laptop oder Tablet und kann mit einer hinreichenden Bandbreite im Netz arbeiten. Dies trifft aus den unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht auf alle Studierenden zu. Für solche Fälle suchen wir nach Lösungen.
Wir prüfen gerade in der Arbeitsgruppe, welche Prüfungssoftware wir anschaffen. Sie sollte auch an unser Lehrmanagementsystem Stud.IP angebunden werden können. Dazu muss die Prüfungssoftware entsprechende Schnittstellen mit sich bringen. Auch müssen die Fächer ihre Klausuren substanziell überarbeiten, um die deutlich beschränkten Eingabemöglichkeiten über eine Tastatur bei den Aufgabenstellungen zu berücksichtigen. Obwohl es heute nicht nur Multiple-Choice-Prüfungsformen gibt, sind die Einschränkungen im Vergleich zu einer handschriftlichen Prüfungsbearbeitung auf Papier doch erheblich. Dies gilt insbesondere bei Fächern, in denen Lösungen nicht überwiegend textbasiert sind.
Sind bereits fertige E-Prüfungs-Systeme auf dem Markt?
Obwohl es grundsätzlich Anbieter kommerzieller Software für E-Prüfungen auf dem Markt gibt, unterscheiden sich diese in vielfältiger Weise in ihrer Funktionalität. Neben integrierten All-in-One Lösungen in einer eigenständigen App findet man Systeme, die nur einen Webbrowser benötigen, aber darüber hinaus mit Anwendungen anderer Anbieter kombiniert werden müssen, die dann zum Beispiel die automatische KI-basierte Analyse der Videoaufnahme der Prüfung bezüglich möglicher Auffälligkeiten übernehmen. Eine solche automatisierte Prüfung ist einerseits für große Prüfungsgruppen unerlässlich, andererseits aber datenschutzrechtlich unter Umständen bedenklich.
Darüber hinaus erfordern E-Prüfungen auch Anpassungen der Allgemeinen Prüfungsordnungen (APO). Hier wollen wir einfache und flexible – zeitlich befristete – Ergänzungen der APO erarbeiten. Darüber hinaus sprechen wir mit unseren Partnern in den niedersächsischen Hochschulen, um gegebenenfalls Synergieeffekte in der Konzeption und Beschaffung von Lösungen zu realisieren. Denn alle bisher angedachten Lösungen führen zu erheblichen zusätzlichen Kosten, deren Finanzierung kurzfristig zu klären sein wird.
Wie könnten die E-Prüfungen nach dem derzeitigen Stand aussehen?
Wir gehen davon aus, dass bei kleinen Prüfungsgruppen grundsätzlich mündliche Prüfungen unter Verwendung diverser Telekonferenz-Anwendungen möglich und mit geringem Aufwand durchführbar sind. Für die bisher schriftlichen Prüfungen mit bis zu 1.000 Studierenden diskutieren wir gerade Lösungen. Zum Beispiel müssten die Studierenden an ihrem heimischen Arbeitsplatz unter Benutzung einer entsprechenden App – die vorher von den zu Prüfenden installiert werden muss – oder einem Webbrowser unter Verwendung einer Webkamera als Kontrollinstanz die Prüfungsunterlagen in einem Editor innerhalb einer definierten Zeitspanne parallel bearbeiten. Danach bewerten die Prüfenden die digital erstellten „Klausuren“ mit mehr oder minder großer Softwareunterstützung. Hier ist der Automatisierungsgrad abhängig von der Struktur der erstellten Aufgaben.
Grundsätzlich hoffen wir, dass es im späteren Verlauf des Semesters die Möglichkeit geben wird, in reduziertem Umfang auch Präsenzprüfungen an unserer Carolo-Wilhelmina durchführen zu können. Diesbezügliche Planungen sind aber zurzeit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und natürlich steht hierbei die Gesundheit der Studierenden und Prüfenden an erster Stelle.