Jede Einsparung hilft! Vizepräsident Dietmar Smyrek über die Herausforderung, im Wintersemester Präsenzbetrieb und Energiesparmaßnahmen in Einklang zu bringen
Steigende Energiekosten treffen nicht nur Privathaushalte, auch die Technische Universität Braunschweig wird sich ihnen stellen müssen. In seinem Beitrag zu der Reihe „Energiesparen an der TU Braunschweig“ erklärt Dietmar Smyrek, Vizepräsident für Personal, Finanzen und Hochschulbau, mit welchen Maßnahmen die Universität dem drohenden Gasmangel begegnen möchte und warum dies eine Gemeinschaftsaufgabe ist.
Herr Smyrek, Sie sind als Vizepräsident Initiator der Kampagne „Energiesparen an der TU Braunschweig“. Was war der Auslöser für die Kampagne?
Die Energiepreise sind bereits 2021 stark gestiegen. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war klar, dass sich das Thema weiter zuspitzen wird. Das war letztendlich der Grund, warum wir im April die Kampagne zu den Energiespartipps durchgeführt haben. Wir wollten frühzeitig sensibilisieren und einen Austausch initiieren, mit welchen Maßnahmen bereits Energie an der TU Braunschweig eingespart wird. Es sind wertvolle Tipps eingegangen, die wir mit der Universität geteilt haben. Für diesen Austausch bin ich sehr dankbar.
Was wir gegenwärtig im Rahmen der Energiekrise zu tun haben, hätten wir uns Anfang des Jahres allerdings in dem jetzigen Umfang noch nicht vorstellen können. Wir werden es mit tiefgreifenden Veränderungen der Energieversorgung zu tun haben, die uns ganz akut vor die Notwendigkeit stellen, Energie einzusparen. Und das aus drei Gründen: Erstens wollen wir gemeinsam unseren Beitrag dazu leisten, dass wir mit den knappen Gasreserven über den Winter kommen. Die Bundesnetzagentur sieht in Modellrechnungen hierfür eine Einsparung von 20 Prozent im Gasverbrauch vor. Der zweite Grund ist, dass wir die Energiepreissteigerungen kompensieren müssen, die spätestens im nächsten Jahr ungebremst auf uns zukommen. Und drittens, sehen wir uns in der langfristigen Verantwortung nachhaltig zu agieren und durch die Einsparungen von Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch dem Klimawandel entgegenzutreten.
Wie sieht denn die Energieversorgungssituation an der TU Braunschweig aus?
Aktuell gestaltet sich die Situation sehr dynamisch. Wir können uns aber relativ sicher sein, dass es nicht zu einem derartigen Engpass kommen wird, dass bei uns gar keine Fernwärme mehr ankommen wird. Der Energieversorger in Braunschweig arbeitet daran, auf Kohle und Altholz umzustellen, sodass die Fernwärmeversorgung sicher ist. Und in Bezug auf Strom teilen wir die Risiken, die auch alle Bürger*innen betreffen, nämlich, dass es möglicherweise zu kurzfristigen Überlastungen und Schwankungen im Stromnetz kommt. Von längerfristigen Versorgungsengpässe gehen wir derzeit nicht aus.
Also sehen Sie keine direkten Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb?
Die Versorgung ist ja nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite werden wir natürlich aus den genannten Gründen massiv sparen müssen. Dies wird stark in den Betrieb und gewohnte Abläufe eingreifen wird. Wir waren uns im Beratungsgremium „Energieversorgung“ allerdings sofort einig, dass wir das kommende Wintersemester als Präsenzsemester durchführen werden. Wir wollen die gerade wiedergewonnene Präsenz gerade auch für unsere Studierenden im nächsten Semester fortführen. Mit Blick auf andere Universitäten ist diese Zusicherung nicht selbstverständlich. Auch wollen wir nicht unsere Beschäftigten zusätzlich belasten, indem wir hier den Präsenzbetrieb schließen und die Problematik in den privaten Bereich verlagern. Im universitären Alltag wird es allerdings sehr deutlich spürbare Einschnitte im Komfort geben.
In einigen Bundesländern wird ja zurzeit diskutiert, ob man zum Beispiel die Winterpause verlängert. Welche Sparmaßnahmen wären hier an der TU Braunschweig denkbar?
Die Verlängerung der Winterpause könnte eine Maßnahme sein, die wir noch diskutieren müssen, die aber im Kern keine Auswirkung auf den Präsenzbetrieb hätte. Wir werden sparen müssen, aber so, dass die Qualität der Lehre und der Forschung davon möglichst wenig beeinträchtigt wird. Das größte Potenzial steckt in einer Verringerung der Heizleistung.
Ansatzpunkte, die beispielsweise zur Diskussion stehen, sind die Reduktion von Temperaturen unseren Gebäuden, um Fernwärme zu sparen. Zusätzlich überlegen wir, die Heizleistung am Wochenende oder zu den Randzeiten noch deutlicher abzusenken. Unsere Ziele können wir nur dann erreichen, wenn auch jede*r Mitarbeiter*in seinen bzw. ihren Beitrag leistet und nachhaltig mit Energie umgeht. Ich spreche hier von der Beleuchtung, der Nutzung des Standby-Modus, von falscher Lüftung, vom Heizen an freien Tagen.
Die notwendigen Maßnahmen werden sicher auch wehtun. Abläufe müssen zum Teil neu geplant werden, so dass sie sich auf die Kernzeiten konzentrieren. Dies kann beispielsweise zu einer neuen Taktung von Praktika führen, aber auch Experimente betreffen, die zu späterer Stunde oder am Wochenende geplant waren. Flexibilität ist ein Luxus geworden, den wir nun überdenken müssen. Hier geht es der TU leider nicht anders als jeder Person im Privatbereich.
Wie könnte die Normalität in den Universitätsgebäuden den Winter über aussehen?
Das Verhalten, das wir zuhause im Moment an den Tag legen – also das Überprüfen des eigenen Energieverbrauchs – das müssen wir auch am Arbeitsplatz zeigen. Und es muss auch normal werden, dass man vielleicht im Pullover im Büro arbeitet. Wir werden natürlich keine betriebsnotwendigen Anlagen abschalten oder die Sicherheit gefährden, um Kosten zu sparen. Klar ist auch, dass wir keine infrastrukturellen oder gesundheitlichen Schäden riskieren werden. Aber wir müssen Flure, Treppenhäuser und leerstehende Büros nicht notwendigerweise voll heizen und beleuchten. Wir müssen auch überlegen, ob es energieverbrauchende Infrastruktur gibt, die in ihren Betriebszeiten beschränkt werden kann oder wie durch ein noch engeres Zusammenrücken die insgesamt beheizte Bürofläche vermindert werden kann. Wie viele Privatpersonen auch werden wir die Heizperiode später beginnen. An den ersten kälteren Tagen im September muss ja nicht zwangsläufig gleich das ganze Heizsystem hochgefahren werden. Es gilt kreativ zu sein: Die Leitungen unserer Einrichtungen habe ich kürzlich dazu aufgerufen, dass dies mit ihren Teams zu besprechen. Hierzu ist auch ein best practice-Austausch angedacht.
Wie sieht es mit der energieeffizienteren Gestaltung von Gebäuden und der Gebäudetechnik aus?
Das sind Maßnahmen, die langfristig angelegt sind und hier haben wir bereits viel erreicht. Wir haben Photovoltaik-Anlagen aufgebaut, die einem Stromverbrauch von ca. 220 Einfamilienhäusern entsprechen. Durch die Modernisierung von Lüftungsanlagen in Laboren haben wir weitere Effizienzgewinne erschlossen. Über die Energiekostenbudgetierung haben wir gegenüber 2013 bereits ca. 13 Prozent Strom und 20 Prozent Fernwärme eingespart. Gleichzeitig sehen wir alle aber energetische Mängel im Baubestand – zum Beispiel undichte Fenster oder ineffiziente Dämmungen. Die Haushaltslage sieht leider so aus, dass wir weder Manpower noch Finanzmittel haben, hier kurzfristig flächendeckend zu agieren. Viele Maßnahmen benötigen Zeit, so dass wir in diesem Winter darüber keine Einsparungen erzielen könnten. Baumaßnahmen amortisieren sich in der Regel erst über Jahre, oft sogar erst über Jahrzehnte – sinnvoll wäre dies natürlich dennoch. Wir machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass hier ein erheblicher Bedarf besteht. Beide Aspekte, also die bereits erzielten Einsparungen und der Sanierungsstau im Baubestand, machen deutlich, dass wir es mit keiner leichten Herausforderung zu tun haben. Daher: Jetzt die Heizung um ein Grad herunter zu regeln, bringt sechs Prozent Energieersparnis. Bei zwei Grad sind es schon zwölf Prozent. Um solch eine Energieersparnis über bauliche Maßnahmen zu erzielen, müsste man irrsinnig teure und langfristig laufende Sanierungsprogramme aufsetzen.
Wie viel Energie soll denn eingespart werden?
Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die 20 Prozent Energieersparnis zu erzielen, die die Bundesnetzagentur vorgegeben hat. Unser Ehrgeiz ist es, dies zusätzlich zu den bereits erzielten Einsparungen zu erbringen. Dabei ist klar, dass nicht alle Einrichtungen das schaffen können. Allein durch die heterogenen Infrastrukturen sind die Voraussetzungen nicht überall gleich: Eine geheizte Halle, in der auch körperlich gearbeitet wird, lässt sich weiter herunterkühlen als reine Bürogebäude, auch gilt es gesetzliche Mindeststandards einzuhalten. Natürlich gilt die Maßgabe: jeder auch noch so kleine Beitrag hilft und wird wertgeschätzt. Das 20-Prozent-Ziel erscheint sehr anspruchsvoll, wenn wir das schaffen, wäre das eine grandiose Leistung.
Wie definieren sich die Aufgaben des Beratungsgremiums „Energieversorgung“?
Dazu müssen wir uns erstmal die Zusammensetzung des Gremiums anschauen. Darin sitzen Vertreter*innen der Studierenden, des Senats, des Personalrats, der Strategiekommission, der Fakultäten, des Gebäudemanagements und auch vier Mitglieder des Präsidiums. Uns war es wichtig, schon durch die Zusammensetzung des Beratungsgremiums alle Perspektiven einzubinden. Das Gremium hat die Aufgabe, dem Präsidium universitätsweite Maßnahmen vorzuschlagen, die durch diesen Multistakeholder-Ansatz in der Universität auf eine hohe Akzeptanz bei den ganz unterschiedlichen Einrichtungen und Mitgliedern der Universität treffen. Das Gremium muss also klug abzuwägen, was für uns als Technische Universität machbar und zumutbar ist. Vieles wird allerdings auch gesetzlich vorgegeben werden: Das Gremium ist daher auch ein Scharnier, die Vorgaben und Maßnahmen müssen gut begründet und verständlich in die Hochschule hineinkommuniziert werden.
Stellen wir uns vor, wir sitzen im nächsten Mai wieder hier zusammen. Wie würden Sie sich wünschen, dass wir auf die kalten Monate zurückblicken?
Die Welt wird sich mit dieser Krise verändern, so viel steht fest. Wenn wir in einem guten halben Jahr zurückblicken, werden wir noch nicht die gesamte Strecke zurückgelegt haben. In diesem Winter wird es wird mit Sicherheit Betroffenheiten geben und punktuell werden die Nerven mal blank liegen. Ich wünsche mir aber, dass wir die drohende Krise als gemeinsame Anstrengung verstehen und sie auch gemeinsam bewältigen. Gerade jetzt müssen wir Verantwortung übernehmen und Solidarität zeigen – in der Hinterfragung unserer Gewohnheiten steckt ja auch eine Chance. Daher wünsche ich mir, dass wir alle mit Stolz und Überzeugung sagen können, dass wir als universitäre Gemeinschaft einen großen Beitrag für die Gesellschaft und auch in Punkto Nachhaltigkeit geleistet haben. Ein solches „Wir-Gefühl“ wäre eine gute und wichtige Grundlage, um den weiteren Weg, der dann noch vor uns liegt, erfolgreich zu meistern. Es geht nur gemeinsam!
Vielen Dank für das Interview.