25. März 2025 | Magazin:

Gesunde Stadtbäume trotz Hitze und Beton Forschende untersuchen, wie Bäume mit Bodenversiegelung und Wassermangel umgehen

Wer durch Braunschweig spaziert, dem sind sie bestimmt schon aufgefallen: Kleine graue Kästen an Bäumen, verbunden mit Messgeräten im Boden und am Stamm. Sie sind Teil des Forschungsprojekts „CliMax“, das sich mit der Gesundheit von Stadtbäumen unter verschiedenen Versiegelungsgraden beschäftigt. In Zeiten zunehmender Trockenheit und steigender Temperaturen untersucht ein interdisziplinäres Team aus Forschenden des Julius Kühn-Instituts (JKI) und der Technischen Universität Braunschweig, wie sich Klima, Bodenversiegelung und Wasserverfügbarkeit auf die Bäume auswirken – mit dem Ziel, Strategien für eine klimaresiliente Stadtbegrünung zu entwickeln. Damit kann „CliMax“ der Stadtplanung entscheidende Hinweise für eine nachhaltige Gestaltung urbaner Grünflächen liefern.

Seit 2022 erforschen die Wissenschaftler*innen unter der Leitung von Dr. Mona Quambusch und Vera Hörmann vom Julius Kühn-Instituts (JKI) die Gesundheit von Stadtbäumen an insgesamt neun Standorten in Braunschweig. Dabei wollen sie herausfinden, wie die drei Baumarten Baumhasel (Corylus colurna), Winterlinde (Tilia cordata) und Säuleneiche (Quercus robur ‚Fastigiata‘) mit den derzeitigen klimatischen und standortspezifischen Bedingungen zurechtkommen. Ziel ist es, die optimalen und limitierenden Bedingungen für eine maximale Baumgesundheit und damit auch die Kohlenstoffbindung unter zukünftigem Klima zu ermitteln, die Eignung der drei Baumarten zu bewerten und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln.

Säuleneichen am Max-Osterloh-Platz (teilversiegelt). Bildnachweis: CliMax

Linden im Prinzenpark (unversiegelt). Bildnachweis: CliMax

Säuleneichen auf der Rückseite der Schloss-Arkaden in Braunschweig (vollversiegelt). Bildnachweis: CliMax

Baumhaseln am Langen Kamp (vollversiegelt). Bildnachweis: CliMax

Konkret untersucht das Team folgende Fragen: Wie beeinflusst die Versiegelung des Bodens etwa durch Asphalt die Wasserverfügbarkeit und die Wasseraufnahme der Bäume? Aus welchen Bodentiefen und Wasserquellen versorgen sich die Pflanzen mit Wasser? Steigt der Stress bei Bäumen in Abhängigkeit vom Versieglungsgrad? Haben Bäume an versiegelten Standorten mehr Stress als in Parks? Wie viel Kohlenstoff binden die Bäume?

Ein Blick in den Untergrund: Geoelektrische Messungen

Um diese Fragen zu beantworten, setzen die Forschenden ein breites Portfolio an Methoden ein. So müssen sie beispielsweise einen Blick in den Untergrund werfen. Doch wie kann man die Wasserverhältnisse im Untergrund bewerten, ohne in der Einkaufsmeile zu bohren oder Gruben auszuheben? Mit geophysikalischen Messungen machen Professor Matthias Bücker von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (vorher am Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik, TU Braunschweig) und Doktorand Johannes Hoppenbrock (TU Braunschweig/JKI) um Veränderungen der Wasserverhältnisse im Boden sichtbar.

Wasseraufnahme der Bäume im Braunschweiger Prinzenpark im Vergleich. Bildnachweis: CliMax

Dafür nutzen sie vor allem geoelektrische Messungen. Wie das funktioniert? Über jeweils zwei in den Boden eingebrachte Nägel wird ein kleiner elektrischer Strom in den Untergrund eingespeist. Aus der Stromstärke und der an zwei weiteren Nägeln gemessenen Spannung lässt sich anschließend die elektrische Leitfähigkeit des Bodens bestimmen. Daraus lassen sich wiederum Informationen über den Untergrund, die geologischen Verhältnisse und vor allem Veränderungen des Wassergehalts im Boden ableiten. Beobachtet man durch wiederholtes Messen Veränderungen der elektrischen Leitfähigkeit bzw. deren Kehrwert, den spezifischen elektrischen Widerstand, so lassen sich direkt unter den Bäumen schlecht leitende Bereiche erkennen, die auf einen trockeneren Boden und somit auf die Wasseraufnahme der Bäume zurückzuführen sind.

Wasseraufnahme: Bodenfeuchte- und Saftfluss-Sensoren

Die Messgeräte an manchen Bäumen in Braunschweig sind sicherlich schon einigen Passant*innen aufgefallen. Bildnachweis: CliMax

Um die Wasserbewegung im Boden und die Wasseraufnahme durch die Pflanzen zu bestimmen, hat die Forschergruppe „Isodrones“ des Instituts für Geoökologie der TU Braunschweig Bodenfeuchtesensoren bis in zwei Meter Tiefe eingebracht. Diese messen kontinuierlich den Wassergehalt des Bodens und können so Auskunft darüber geben, wie viel Wasser an den Standorten versickert und wie viel durch Verdunstung und Wasseraufnahme aus dem Boden verschwindet.

Zusätzlich wurden an den Baumstämmen sogenannte Saftflusssensoren installiert, die den Wasserverbrauch der Pflanzen messen. Der Clou: Die aufgezeichneten Daten sind für alle frei zugänglich. So können sich interessierte Bürger*innen, aber auch Schulen und andere Wissenschaftler*innen jederzeit über die Bodenwasserverhältnisse und Wasseraufnahmemengen der untersuchten Bäume informieren.

Aus welchen Tiefen erhalten Stadtbäume ihr Wasser?

Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist es wichtig, dass Bäume nicht nur auf die oberen Bodenschichten angewiesen sind, die bei höheren Temperaturen schneller austrocknen und zudem durch Salz und Urin stark belastet sind. Doch aus welchen Tiefen beziehen Stadtbäume ihr Wasser? Um dies zu untersuchen, nutzen Dr. Matthias Beyer, Leiter der Forschungsgruppe „Isodrones“, und sein Team stabile Wasserisotope, die sich natürlicherweise im Wasser befinden. Da einige Wassermoleküle schwerer sind als andere, beeinflussen natürliche Prozesse deren Verteilung: Bei der Verdunstung entweichen „leichte“ Wassermoleküle bevorzugt in die Atmosphäre, „schwere“ reichern sich im Boden an. Bei Niederschlag wiederum fallen bevorzugt „schwere“ Wassermoleküle aus der Wolke. Über die Verteilung dieser schweren und leichten Wassermoleküle und deren Aufnahme in der Pflanze können die Wissenschaftler*innen die Wasseraufnahmetiefen abschätzen oder Grundwassernutzung beurteilen.

Über die Verteilung schwerer und leichter Wassermoleküle und deren Aufnahme in der Pflanze können die Wissenschaftler*innen die Wasseraufnahmetiefen abschätzen oder Grundwassernutzung beurteilen. Bildnachweis: CliMax

Der Wassergehalt im Blatt

Über der Erdoberfläche nimmt JKI-Doktorandin Vera Hörmann die Baumgesundheit in den Blick: Sie analysiert die Photosyntheseleistung direkt an den Blättern und sammelt Blattproben, um den Blattwassergehalt und das sogenannte Blattwasserpotenzial zu bestimmen. Ist ein Baum gestresst, sinkt der Blattwassergehalt und das Wasserpotenzial – die Saugspannung der Blätter – steigt. Außerdem verändert sich die Photosyntheseleistung, messbar am Anteil des Sonnenlichts, der ungenutzt wieder zurückgestrahlt wird. Aus den Blättern kann zudem die Wassernutzungseffizienz der Bäume abgeleitet werden, die Rückschlüsse darauf zulässt, wie optimal die Bäume das Wasser verwerten. Einfach ausgedrückt lässt sich dann zeigen, wieviel Kohlenstoff die Bäume pro Liter verbrauchtem Wasser binden können.

Die Photosyntheseleistung wird direkt an den Blättern analysiert. Bildnachweis: CliMax

3D-Modelle der Bäume zur Ermittlung der Biomasse

Der Kohlenstoff wird in der Biomasse der Bäume gespeichert. Zur Abschätzung der Biomasse von Stadtbäumen wurden im Projekt 3D-Modelle der Bäume mit Hilfe von terrestrischen Laserscans durch Dr. Michael Strohbach vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig erstellt..

Und auch der Lebenszyklus eines Baumes wird unter die Lupe genommen: Denn die Anzucht, Pflanzung und Pflege von Stadtbäumen verursacht Emissionen. Wann haben Bäume mehr CO2 in ihrer Biomasse gespeichert, als während der Anzucht und Pflege produziert wurden? Um diese Frage zu beantworten, wird eine Lebenszyklusanalyse durchgeführt. Dabei werden Interviews mit Expert*innen geführt, die gewonnenen Ergebnisse in einer CO2-Bilanz zusammengefasst und so Einsparpotenziale identifiziert.

Laserscan einer Winterlinde. Bildnachweis: CliMax

Laserscan einer Säuleneiche. Bildnachweis: CliMax

Laserscan einer Baumhasel. Bildnachweis: CliMax

Wenig Wasserstress in den vergangenen zwei Jahren

Doch was sind nun die Ergebnisse dieser zum Teil aufwändigen Untersuchungen? „Die Bedingungen für unsere Stadtbäume werden immer schwieriger. Allerdings waren die beiden von uns beobachteten Jahre außergewöhnlich feucht. Dementsprechend zeigten unsere Messungen in dieser Zeit nahezu keine Anzeichen für Wasserstress – selbst an den versiegelten Standorten“, sagt Dr. Matthias Beyer. Eigentlich eine gute Nachricht. Trotz der relativ feuchten Jahre konnten die Wissenschaftler*innen wertvolle Erkenntnisse sammeln. „An allen unversiegelten Standorten ist die Wasserverfügbarkeit im tiefen Untergrund, also in mehr als einem Meter Bodentiefe, erheblich höher als an den teil- und vollversiegelten Standorten. Dementsprechend zeigen unsere Daten auch in den Sommermonaten eine Nutzung tiefer Wasserressourcen bis in zwei Meter Tiefe an den unversiegelten Parkstandorten. Dagegen nutzten die Bäume an versiegelten Standorten in den vergangenen Sommern verhältnismäßig mehr oberflächennahes Wasser, was in trockeneren Jahren unweigerlich zum Problem für die Wasserversorgung der Bäume wird.“

Bei versiegelten Böden: Bäume passen sich an Wasserverfügbarkeit an

Von den drei untersuchten Baumarten verbraucht die Baumhasel mit Abstand am meisten Wasser. Mehr als 7.000 Liter benötigten die schnellwachsenden Bäume zwischen Juli und Oktober 2024. Deutlich sparsamer ist die Winterlinde mit rund 2.000 bis 3.000 Litern im gleichen Zeitraum. Der geringste Wasserverbrauch im Jahr 2024 wurde mit weniger als 1.000 Litern bei den beobachteten Säuleneichen gemessen. Doch nicht nur die Gesamtwassermenge ist entscheidend, sondern auch, wie effizient dieses Wasser für den Kohlenstoffeinbau genutzt wird. „Was die Wassernutzungseffizienz betrifft, so zeigen unsere Daten klar, dass diese an den versiegelten Standorten höher ist als an den unversiegelten. Das ist eine typische Anpassung von Bäumen an eine geringere Verfügbarkeit von Wasser. Sie nutzen das wenige Wasser effizienter.“

Die Wissenschaftler*innen haben an den Baumstämmen sogenannte Saftflusssensoren installiert, die den Wasserverbrauch der Pflanzen messen. Bildnachweis: CliMax

Betrachtet man die untersuchten Baumarten, so weist die Winterlinde die höchste Wassernutzungseffizienz auf, gefolgt von der Säuleneiche. Die Baumhasel benötigt am meisten Wasser und ist etwas „verschwenderischer“ als die anderen untersuchten Arten und hat daher die geringste Wassernutzungseffizienz. Dennoch bindet sie – absolut gesehen – insgesamt am meisten Kohlenstoff. Die Säuleneiche bindet aufgrund der geringen Gesamtwassernutzung am wenigsten Kohlenstoff. Die CO2-Bilanzen zeigen, dass Bäume die mit der Pflanzung und Pflege verbundenen Emissionen (Transport, Vorbereitung der Pflanzgrube, Gießwasser) nach etwa 14 Jahren durch den Aufbau von Biomasse ausgeglichen haben. Kurze Wege zur Baumschule und eine geringere Anzahl von Gießgängen wirken sich besonders positiv auf die Bilanz aus.

Welche Schlüsse lassen sich aus den Untersuchungen ziehen?

„Wir können in diesem Projekt unglaublich wertvolle Informationen für die Anpassung an zukünftige Klimabedingungen sammeln“, so Beyer. „Für 2025 wäre es aus wissenschaftlicher Sicht interessant zu sehen, wie sich die Stadtbäume in einem trockneren Jahr verhalten.“ Was die Wissenschaftler*innen definitiv sagen können, ist, dass die engen und in einer Tiefe von mehr als 50 Zentimetern sehr sandigen Pflanzgruben in der Zukunft ein massives Problem darstellen werden. Zwar haben Stadtbäume aufgrund der geringen Baumdichte einen geringeren Konkurrenzdruck um Wasser als beispielsweise Waldbäume. Dennoch muss die Wasserverfügbarkeit an versiegelten Standorten dringend erhöht werden, um widerstandsfähige Stadtbäume zu fördern.

Das „Isodrones“-Team markiert die Säuleneichen hinter den Schloss-Arkaden. Bildnachweis: CliMax

Für Jungbäume müsse die Möglichkeit geschaffen werden, tiefe Wurzeln ausbilden zu können, um Dürreperioden besser zu überstehen. Das fängt bereits in der Baumschule an. Nach dem Umsetzen in die Stadt werden die Bäume zunächst „von oben“ bewässert, was für Jungbäume wichtig ist. Doch dieses „Gewöhnen“ der Bäume an eine sichere Wasserversorgung von oben hat vermutlich zur Folge, dass sich keine oder nur wenige Tiefenwurzeln ausbilden. Wird die Bewässerung gestoppt (meist 5 Jahre nach dem Umsetzen aus der Baumschule), können sich diese Bäume oft nicht mehr schnell genug anpassen, um Trockenperioden zu überstehen. In Zukunft wird es daher immer wichtiger werden, bereits Jungbäume an leichten Wasserstress zu gewöhnen, um ein tieferes Wurzelwachstum auszulösen. Das spart teures Bewässerungswasser, muss allerdings auf den Wasserstress der Pflanzen abgestimmt werden. Hier können moderne Sensorsysteme helfen, an deren Entwicklung die Forschenden mitwirken werden.

Entscheidungshilfe für künftige Pflanzungen

Für die Forschenden des Verbundprojekts ist „CliMax“ erst der Anfang ihrer Untersuchungen: „Wir konnten in dem Projekt detailliert zeigen, wie sich Bäume bei verschiedenen Versiegelungsszenarien verhalten. Allein dieses Wissen kann als Entscheidungshilfe bei zukünftigen Pflanzungen helfen.“

Doch es gibt noch viele offene Fragen: „Wir würden das Projekt natürlich gerne weiterführen – im Sinne eines längerfristigen Monitorings, aber auch einer Erweiterung auf andere Baumarten und Standorte.“ Auch über die Anbindung der Bäume an das Grundwasser und die Kapillarzone wollen die Wissenschaftler*innen gerne genauer Bescheid wissen. Um noch mehr über die Gesundheit unserer Stadtbäume zu erfahren, hoffen die Forschenden auf weitere Fördermittel.