13. Juni 2024 | Magazin:

Für mehr Bildungsgerechtigkeit Studierendeninitiative unterstützt benachteiligte Schüler*innen

Ob Deutsch, Mathe oder Englisch: Viele Kinder und Jugendliche können Unterstützung bei den Schulaufgaben gut gebrauchen. Aber nicht jede Familie kann sich das leisten. Studierende der Technischen Universität Braunschweig bieten deshalb kostenlos Nachhilfe für Schüler*innen an. Ein Engagement, dass sich für beide Seiten auszahlt. Dennoch ist die Warteliste lang.

Hinten (v. links): Die drei Nachhilfelehrer Alexander Reeb, Maximilian Jede, Sören Meier. Vorne (v. links): Das Organisationsteam Julia Sugijanto, Norina Greuner, Johanna Bürger. 
Bildnachweis: Hannah Kreß/TU Braunschweig

Alles begann im Oktober 2020, als Johanna Bürger eine E-Mail vom Bundesvorstand der Initiative „StudyTutors“ (ehemals „Studenten bilden Schüler“) in ihrem Postfach vorfand. Darin war neben Informationen auch die Frage enthalten, ob sie nicht Lust hätte, einen neuen Standort in Braunschweig aufzubauen. Johanna Bürger, damals noch Masterstudentin der Physik an der TU, zögerte nicht lange: „Ich wollte mich schon immer ehrenamtlich im Bereich Bildungsgerechtigkeit engagieren und hatte durch Corona genügend Zeit. Das hat perfekt gepasst.“ Gemeinsam mit zwei weiteren Studierenden und mit Unterstützung des Bundesverbandes gründete sie kurzerhand den Standort Braunschweig.

Bildungserfolg unabhängig vom Elternhaus

Das Prinzip von StudyTutors: Kinder aus finanziell benachteiligten Verhältnissen, deren Familien sich klassische Nachhilfe nicht leisten können, erhalten Nachhilfe von ehrenamtlichen Studierenden. „Wir wollen damit mehr Bildungsgerechtigkeit für Kinder schaffen, damit der Bildungsweg eben nicht vom Gehalt oder dem sozialen Status der Eltern abhängt,“ erklärt Johanna Bürger.

Mitmachen kann praktisch jede*r Studierende, egal aus welchem Fachbereich, egal ob mit oder ohne Vorerfahrung. Einzige Voraussetzung: ein polizeiliches Führungszeugnis. „Das ist uns wichtig, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist ein sensibler Bereich, den wir schützen wollen.“

25 Schüler*innen auf der Warteliste

Um Schüler*innen und Eltern auf die Initiative aufmerksam zu machen, gibt es Kooperationen mit der Caritas, der Jugendhilfe, den AWO-Wohngruppen, Lehrer*innen und dem Refugium. Dadurch erhalten aktuell 25 Schüler*innen Nachhilfe, weitere 25 stehen auf der Warteliste. „Man merkt an den vielen Anfragen, wie notwendig unsere Arbeit ist“, sagt Norina Greuner, die wie Johanna Bürger zum mittlerweile fünfköpfigen Organisationsteam gehört. „Leider haben wir in letzter Zeit große Schwierigkeiten, genügend Tutor*innen zu finden.“ Um das zu ändern, wirbt das Organisationsteam mit einer groß angelegten Werbekampagne und über verschiedene Kommunikationskanäle wie Stud.IP und Social Media um mehr Tutor*innen.

Begeisterung wecken

Die beiden Studenten Maximilian Jede und Alexander Reeb sind durch die Werbung auf Stud.IP auf die Initiative aufmerksam geworden. „Die Möglichkeit, sich sozial zu engagieren, hat mich neugierig gemacht und ich hab kurzerhand das Anmeldungsformular ausgefüllt“, sagt Alexander Reeb, der seit zweieinhalb Jahren bei der Initiative mitmacht. Als Tutor will er nicht nur die schulischen Schwächen seiner Schützlinge überwinden, sondern auch Begeisterung und Neugier für die Naturwissenschaften wecken. Dabei setzt der Masterstudent der Biotechnologie auch auf praktische Lernmethoden. Als mein Nachhilfekind das Thema PCR in Biologie hatte, haben wir uns einen Kittel angezogen und sind ins Labor gegangen, um dort die entsprechende Experimente in der Praxis zu erleben. Dadurch habe ich nochmal einen ganz anderen Zugang für das Fach schaffen können“. Ein Aspekt, mit dem der 28-Jährige im Vorfeld nicht gerechnet hatte, ist, dass er durch sein Engagement als Tutor auch für sein eigenes Studium profitiert. „Ich hatte an der Uni Probleme mit den Grundlagen der Mathematik. Die Fragen des Kindes haben mir gezeigt wo die Probleme bei mir liegen und mich motiviert, mich mit diesen endlich auseinanderzusetzen. Anderen das dann zu erklären, hilft einem immer selbst beim Lernen“.

Maximilian Jede, der gerade seinen Master in Germanistik und Geschichte macht, ist seit zwei Jahren Teil der Initiative. Seine Motivation für sein Engagement sind die Lernerfolge seines Nachhilfeschülers: „Ich finde es einfach genial, live miterleben zu können, wenn ein Nachhilfeschüler, der am Anfang noch sehr gestruggelt hat, durch meine Unterstützung plötzlich ein Problem versteht und lösen kann. Das ist einfach ein unglaubliches Gefühl.“ Außerdem freut sich der Masterstudent, dass er durch die Initiative Menschen aus den unterschiedlichsten Fakultäten kennenlernen kann: Alle mit derselben Motivation im sozialen Bereich etwas zu bewegen.

Bestmögliche Unterstützung

Von Anfang an fühlten sich die beiden Tutoren vom Organisationsteam gut unterstützt. Nach einem ersten Kennenlernen wurde entsprechend der eigenen fachlichen Stärken ein passendes Nachhilfekind gesucht und die Möglichkeit geboten, sich im Rahmen von Workshops weiterzubilden. „Das hat mir geholfen, relativ schnell in einen guten Nachhilferhythmus zu kommen“, sagt Alexander Reeb. Die Workshops sowie Lernmaterialien und die IT-Infrastruktur werden vom bundesweiten Vereinsvorstand zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus organisiert das Organisationsteam Stammtische, bei denen sich die Ehrenamtlichen miteinander austauschen können. „Uns ist es wichtig, unsere Nachhilfelehrer*innen bestmöglich zu unterstützen und nicht alleine zu lassen, gleichzeitig wollen wir ihnen aber auch die Freiheit geben, ihre eigenen Ideen und ihren eigenen Stil umzusetzen“, sagt Johanna Bürger.

Nach dreieinhalb Jahren StudyTutors zieht sie eine positive Bilanz: „Wenn wir zurückblicken und sehen, dass wir in den letzten Jahren über 100 Kindern helfen konnten, dann macht das schon ein bisschen stolz und gibt Motivation, in den nächsten Jahren gemeinsam mit vielen engagierten Studierenden noch mehr zu erreichen.“