Exzellenzstrategie und mehr: Was steht in der Leistungsdimension Forschung in 2024 an? Ein Interview mit Präsidentin Angela Ittel und Vizepräsidenten für Forschung Peter Hecker
Zwei Transregios, eine Alexander von Humboldt Professur und zwei ERC Grants: In vergangenen Monaten konnten wir viele Erfolge im Bereich Forschung, insbesondere mit Bezug auf Drittmittelförderung feiern. Welche Ziele setzen wir uns für dieses Jahr und wo liegen die größten Herausforderungen? In einem Gespräch mit der Präsidentin Angela Ittel und dem Vizepräsidenten für Forschung Peter Hecker werfen wir einen Blick auf die erfolgreiche Bilanz des vergangenen Jahres und auf die Vorhaben für 2024.
In der ersten Runde der Exzellenzstrategie wurden Skizzen für mögliche zukünftige Cluster eingereicht. Die TU Braunschweig hatte große Hoffnungen, mit dem Clusterentwurf ConEct im Bereich nachhaltiges Bauen in der ersten Runde der Exzellenzstrategie erfolgreich zu sein. Leider ist der Entwurf in diesem Wettbewerb nicht weitergekommen. Was bedeutet das für die TU Braunschweig im Hinblick auf den Exzellenzwettbewerb?
Hecker: Es ist sehr schade, dass die ConEct-Skizze in der ersten Runde nicht aufgefordert wurde, einen Vollantrag für ein Cluster zu erarbeiten. Wir waren von diesem Vorhaben, das wir mit der TU München erarbeitet hatten, sehr überzeugt und sind es weiterhin. Wir glauben, dass unsere Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Kolleg*innen aus München einen großen Beitrag in die klimafreundliche Transformation des Bauens mit Blick auf den demographischen Wandel leisten können. Dazu gehören unter anderen die Ansätze der Digitalisierung der Baustelle sowie des 3D Drucks im Bauwesen. Deshalb werden wir uns nun sehr genau überlegen, wie wir das Team und seine erfolgreiche Arbeit unterstützen können, um diese Themen weiter zu entwickeln.
Ittel: Ich schließe mich Herrn Hecker an. Wir waren sehr enttäuscht von der Entscheidung, wenngleich man natürlich auch hervorheben muss, dass der Wettbewerb enorm hart war. Lediglich 29 Prozent der eingereichten Clusterskizzen wurden zum Vollantrag aufgefordert. Trotz dieser Enttäuschung befinden wir uns als Universität in einer sehr privilegierten Position, da wir bereits zwei Cluster im Bereich nachhaltiges Fliegen und Quantentechnologien seit 2019 erfolgreich betreiben. Dies bedeutet, dass wir weiterhin Chancen haben, im Rahmen der Exzellenzstrategie einen Antrag zur Erlangung des Status Exzellenzuniversität zu stellen. Die Fortsetzungsanträge für diese Cluster werden wir bis August stellen. Hier sind wir in intensiver Vorbereitung.
In welchem Format findet die Arbeit an den Fortsetzungsanträgen statt, und über welchen zeitlichen Rahmen sprechen wir?
Ittel: Wir befinden uns bereits in der aktiven Vorbereitungsphase, in der regelmäßige Schreibworkshops und Beratungstreffen auch mit internationalen externen Peers stattfinden. Jedes Cluster hat einen eigenen Arbeitsplan, der eng mit dem Präsidium und unseren Partner*innen abgestimmt ist. Im Vordergrund muss die Entwicklung neuer innovativer Inhalte stehen. Dabei erhalten die Cluster Unterstützung vom EX-Lab, einem beratenden Team aus unterschiedlichen Funktionseinheiten der TU Braunschweig, das vom Projekthaus organisiert wird. Zudem tauschen die Cluster sich regelmäßig mit Herrn Hecker und mir und auch dem gesamten Präsidium aus.
Neben den unmittelbaren Forschungsideen und -ansätzen spielen auch Themen wie die Unterstützung der Wissenschaftler*innen in Qualifizierungsphasen, die Internationalisierung der Forschung, der Wissenstransfer und die Gleichstellung eine bedeutende Rolle bei der Bewertung der Anträge durch die internationalen Gutachter*innen. Ich bin sehr stolz, dass beide Cluster durch die entsprechenden Einheiten unserer Verwaltung auf großartige Weise beraten und unterstützt werden. Die Arbeit an den Clusterthemen und den Anträgen hat nun auf breiter Ebene höchste Priorität.
Hecker: Neben den monatlichen Beratungsterminen mit den Clustersprechern sind Frau Ittel und ich selbstverständlich im regelmäßigen und persönlichen Austausch mit unseren Teams. Grundsätzlich müssen die Anträge bis August 2024 bei der DFG eingereicht werden. Anschließend beginnt die Begutachtungsphase, in deren Rahmen auch eine Anhörung vorgesehen ist. Diese wird im Zeitraum von Oktober 2024 bis Februar 2025 stattfinden. Die Ergebnisse werden schließlich im Mai veröffentlicht. Bei Erfolg mit beiden Clustern – worauf wir natürlich sehr hoffen – darf sich die TU Braunschweig dann erneut um den Status einer Exzellenzuniversität bewerben.
Welche Rolle spielt der Erfolg in der Exzellenzstrategie für die Zukunft unserer Universität? Gibt es eine Zukunft ohne Exzellenztitel?
Ittel: Ich kann mit großer Zuversicht sagen: Ja, es gibt eine Zukunft und sogar eine großartige Zukunft für die TU Braunschweig. Die Förderung im Rahmen der Exzellenzstrategie kann zwar einen wichtigen Beitrag für diese Zukunft leisten, ist jedoch nicht der einzige Weg oder die einzige Möglichkeit, uns als zukunftsträchtige Universität zu entwickeln. Daher ist es für mich entscheidend zu betonen: Wichtig ist, dass wir ein Konzept entwickeln, das uns in der Zukunft trägt, auch wenn wir im nächsten Wettbewerb um den Status Exzellenzuniversität nicht erfolgreich sind oder ihn gar nicht antreten können, weil wir lediglich ein oder kein Cluster in die Verlängerung bringen.
Ein zentraler Aspekt dieses Konzepts ist, dass wir Teil einer sehr starken Forschungsregion sind. Oft sprechen wir darüber, dass Braunschweig eine der forschungsintensivsten Regionen Europas ist. Hier stellt sich die Frage: Wie gut sind wir in unserer Region vernetzt? Wie gut kennen wir die Forschungseinrichtungen, industrielle und kulturelle Partner in unserer Region? Wie gut nutzen wir unsere gemeinsamen Potenziale? Nicht nur bilateral, sondern auch im Netzwerk. In den kommenden Jahren wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren regionalen Partnern vertiefen, neue Synergien identifizieren und bestehende ausbauen. Hier liegen viele bisher ungenutzte Möglichkeiten, von Forschungsvorhaben bis hin zu gemeinsamen Service-Angeboten und Governance-Strukturen.
Hecker: Bereits heute sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus unseren koordinierten Verbundvorhaben nicht mehr wegzudenken. Im Exzellenzcluster QuantumFrontiers spielt neben der Leibniz Universität Hannover die PTB eine zentrale Rolle. In den Luftfahrtvorhaben ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein starker Partner, der dazu beiträgt, die komplexen Forschungsfragen klimaverträglichen Fliegens in der nötigen Tiefe und Breite abzudecken. In diesem Sinne wollen wir auch in unseren weiteren Forschungsschwerpunkten Potenziale heben, die sich aus der Kooperation mit den vielfältigen Forschungseinrichtungen, zum Beispiel in den Lebenswissenschaften, aber auch anderen Wissenschaftsbereichen ergeben. Zusammen können wir kritische Massen schaffen, die uns im internationalen Wettbewerb noch sichtbarer machen.
In den vergangenen Monaten haben wir einige Erfolge in unserer Forschung gefeiert, darunter die erste Einwerbung einer Alexander von Humboldt Professur an der TU Braunschweig, die Transregios im Bereich Additive Fertigung im Bauen und zur Erforschung hochintegrierter Methoden der Flugzeugentwicklung sowie den ERC Grant im Bereich Küstenschutz. Wo sehen Sie die größten Potenziale für die Forschung an der TU Braunschweig? Und welche strategischen Schwerpunkte möchten Sie setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der TU Braunschweig zu stärken?
Ittel: Wir arbeiten daran, Leuchtturmvorhaben zu identifizieren, die unsere Forschungsschwerpunkte verknüpfen. Ziel ist, dass wir sogenannte Ökosysteme um diese Themenschwerpunkte aufbauen und die Integration von weiteren Stakeholdern unterstützen. Dafür werden wir im nächsten Schritt unseren Antrag für das Förderprogramm „Potenziale strategisch entfalten“ nutzen. Dieses Programm wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gemeinsam mit der VW Stiftung ausgeschrieben, um niedersächsischen Hochschulen einen Schub in ihrer Entwicklung zu ermöglichen. Wir sind eine der vier Universitäten, die einen Finanzierungsantrag von bis zu 25 Mio. stellen dürfen.
Hecker: Ein Schlüssel zum Erfolg werden die Unterstützungsmaßnahmen für die Forschenden sein. Der Forschungsservice bietet bereits jetzt hervorragende Beratungsangebote und informiert über Förderangebote und Best-Practice-Beispiele bei anderen nationalen und internationalen Forschungspartnern. Dazu beschaffen und adaptieren wir Tools zum Management der Forschungsprozesse und Metadaten. Hier ist besonders das Forschungsinformationssystem zu nennen, das bereits implementiert wird. Das System wird bei allen Beteiligten, von den Forschenden bis hin zur Verwaltung, einen Mehrwert durch die nahtlose Darstellung der Forschungsinformationen und die Unterstützung im Management von Projekten bieten. Weiterhin wird es uns helfen, unsere Forschungsstärken und Chancen, aber auch unsere noch nicht ausgeschöpften Potenziale zu identifizieren und damit eine transparente Grundlage für unsere strategischen Entscheidungen im Bereich Forschung zu schaffen. Dabei wird es natürlich ausschlaggebend sein, wie gut die Daten in das System eingepflegt sind. Hier werbe ich und hoffe auf die engagierte Mitarbeit unserer Forschenden. Wir gehen davon aus, dass das System Ende 2025 in vollem Umfang zur Verfügung steht.
Sie haben das Forschungsinformationssystem erwähnt. Welche anderen Tools und Maßnahmen werden derzeit an der Universität umgesetzt, um die Forschungsvorhaben der TU Braunschweig zu stärken?
Hecker: Insbesondere möchte ich unsere Teilnahme an der Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) hervorheben. Bis Anfang März 2024 sind bereits mehr als 600 Organisationen weltweit der Initiative beigetreten, die die Bewertung von Forschungsleistungen über die bekannten quantitativen Kennzahlen reformieren und diese damit auf eine qualitative Basis stellen werden. Mit unserem Beitritt zu der Koalition unterstützen wir die Bemühungen, dass ein Wissenschaftsraum geschaffen wird, in dem primär qualitative Bewertungen, zum Beispiel durch transparente Peer Reviews, durch quantitative Indikatoren verantwortungsvoll und nachvollziehbar ergänzt werden. Wir haben einen Aktionsplan erstellt, um die Anforderungen von CoARA zu erfüllen, und werden diesen in den kommenden Jahren Schritt für Schritt umsetzen.
Darüber hinaus erwarten uns 2024 viele weitere spannende Herausforderungen und Handlungsfelder. Dazu zählen insbesondere der Aufbau des Campus Wolfsburg mit unseren Partner*innen vor Ort sowie die Entwicklung neuer Kommunikationsformate und Veranstaltungsangebote zu Ethik in der Forschung.
Wenn Sie das Jahr 2024 in ein paar Worten beschreiben würden: Womit werden wir uns insbesondere mit Blick auf die Forschung beschäftigen?
Ittel: In diesem Jahr kommt sehr viel Arbeit auf uns zu, insbesondere in Bezug auf die Antragsstellung der Exzellenzcluster und die Implementierung von Maßnahmen für die interne Aufstellung der TU Braunschweig. Diese entwickeln wir derzeit im Rahmen des Antrags „Potenziale strategisch entfalten“. Dabei ist es – trotz aller Anstrengungen, die hinter uns und vor uns liegen – wichtig, dass wir uns auf einen Marathon einstellen. Auf diesem Weg wollen wir unsere klare Vision und eine positive Haltung wahren. Dabei müssen wir stets auf uns selbst und auf unsere Kolleg*innen Acht geben und uns gegenseitig unterstützen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir alle Voraussetzungen haben, um erfolgreich das zu bewältigen, was uns bevorsteht. Kraft schöpfen können wir durch die vielen Gelegenheiten zum Austausch, die wir schaffen, um Transparenz und Teilhabe zu ermöglichen. Es ist immer sehr inspirierend für mich, sich mit unseren Mitgliedern über Ideen und Konzepte auszutauschen, um die Potenziale unserer Universität zu entdecken und zu entfalten. Ich wünsche mir, dass die Neugier füreinander und für die Welt, die die TU Braunschweig ausmacht, uns alle weiterhin in den kommenden Monaten begleiten wird.
Das Gespräch hat Asmik Kostandian geführt.