19. Mai 2023 | Magazin:

Eine Chance für beide Seiten Zwei ukrainische Wissenschaftlerinnen bereichern den mathematischen Dialog

Bereits zum zweiten Mal sind die beiden ukrainischen Wissenschaftlerinnen über ein Stipendium der VolkswagenStiftung zu Besuch an der TU Braunschweig. Mit ihrer Expertise bereichern sie die Forschung des Instituts für Partielle Differentialgleichungen und der Universität. Für Dr. Mariia Savchenko verlängert sich ihr Aufenthalt um weitere 15 Monate. Sie erhielt eine Zusage für eines der 124 MSCA4Ukraine-Stipendien der EU.

Seit dem 1. April forschen die beiden Mathematikerinnen Dr. Olesia Zavarzina und Dr. Mariia Savchenko im Team von Prof. Dirk Langemann, dem Leiter des Instituts für Partielle Differentialgleichungen. Im Rahmen des von der VolkswagenStiftung seit 2016 geförderten Projekts „From Modeling and Analysis to Approximation” setzen sie ihre Forschungen an der TU Braunschweig fort, nutzen die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten und bringen sich in den wissenschaftlichen Diskurs ein. Das Projekt unter Beteiligung der Universität Lübeck und der Humboldt-Universität Berlin sollte ursprünglich ukrainischen, russischen und deutschen Kolleg*innen den Austausch in einer trilateralen Partnerschaft ermöglichen. Jetzt ist es eine ukrainisch-deutsche Zusammenarbeit.

Prof. Dirk Langemann, Leiter des Instituts für Partielle Differentialgleichungen, mit den beiden Stipendiatinnen Dr. Olesia Zavarzina (l.) und Dr. Mariia Savchenko (r.). Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Dr. Olesia Zavarzina forscht und lehrt an der V. N. Karazin Kharkiv National University, wo sie sowohl ihr Studium als auch ihre Promotion absolvierte. Auf die TU Braunschweig wurde sie durch eine Kollegin aufmerksam, die an einer Kooperation der beiden Universitäten teilnahm. „Sie schlug mir vor, an diesem Projekt mitzuarbeiten, was mich sehr freute“, so Zavarzina. Im Herbst vergangenen Jahres kam sie zum ersten Mal für zwei Monate an die TU Braunschweig.

Dr. Mariia Savchenko forscht am Institut für angewandte Mathematik und Mechanik an der Akademie der Wissenschaften der Ukraine. Auch sie ist das zweite Mal am Institut von Prof. Dirk Langemann.  „Letztes Jahr war ich schon einmal für drei Monate mit einem Stipendium der VolkswagenStiftung hier. Dort lernte ich auch Prof. Langemann kennen, und er wurde mein akademischer Mentor für das MSCA4Ukraine-Programm der Europäischen Union.“ Prof. Dirk Langemann unterstützte die Wissenschaftlerin während ihres ersten Aufenthaltes im Herbst 2022 bei der Bewerbung für das Stipendienprogramm MSCA4Ukraine der Europäische Union für geflüchtete Forschende aus der Ukraine. Kürzlich bekam sie die Zusage für ein 15-monatiges Vollstipendium und kann damit ihren Besuch an der TU Braunschweig verlängern. In ihrer Forschung beschreibt sie den Fluss durch poröse Medien mit nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen.

Stipendien als Türöffner für neue Sichtweisen

Prof. Dirk Langemann sieht es als großen Erfolg und als Chance, im Rahmen von Stipendien mit Wissenschaftler*innen aus internationalen Institutionen zusammenzuarbeiten. Aus dem Austausch ergeben sich neue Sichtweisen, und es sei eine große Ehre, diese Stipendien zu erhalten. „Mathematik findet im Dialog und in der Kommunikation statt. Sie ist keine Wissenschaft, die in einem eigenen Kämmerchen betrieben wird, sondern in einer wissenschaftlichen Gemeinschaft“, sagt er. Besonders die Zusage für das MSCA4Ukraine-Stipendium sei nicht nur Erfolg für Frau Savchenko, sondern auch für die TU Braunschweig.

Auch die beiden Wissenschaftlerinnen sehen ihre Stipendien als Chance. Dr. Olesia Zavarzina und Dr. Mariia Savchenko sind sich einig: Die Teilnahme an einem Stipendiat*innen-Programm ist eine große Unterstützung für ukrainische Wissenschaftler*innen. Sie berichten von finanziellen Kürzungen, Reduzierungen von Stunden in ihrer Heimat und wie viel für sie die Möglichkeit bedeutet, über ihre Stipendien neue Forschungsgebiete zu erschließen.

Dr. Olesia Zavarzina und Dr. Mariia Savchenko sehen ihre Stipendien als Chance. Die beiden Wissenschaftlerinnen sind sich einig, dass die Teilnahme an einem Stipendiat*innen-Programm eine große Unterstützung für ukrainische Wissenschaftler*innen ist. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Von Krieg und Sicherheit

Dr. Olesia Zavarzina erinnert sich an die massiven Bombardierungen und Explosionen im Kriegsgebiet, in denen auch die V. N. Karazin Kharkiv National University beschädigt wurde. „Wir hatten große Probleme mit der Stromversorgung und dem Heizungssystem, sodass wir auch zuhause nicht richtig arbeiten konnten. In einer Stadt zu leben, die regelmäßig bombardiert wird, ist sehr anstrengend. Hier in Braunschweig ist das ganz anders. Wir haben hier alles, was wir für ein normales Leben und für unsere wissenschaftliche Arbeit brauchen. Aber vor allem sind wir hier sicher“, erzählt sie. Dr. Mariia Savchenko sieht das ähnlich und freut sich über die guten Arbeits- und Lebensbedingungen. In der Ukraine hat sie nach mehreren Umzügen ihres Institutes nur noch im Homeoffice gearbeitet. Nach dem letzten Umzug gab es lediglich zwei Räumlichkeiten für das Institut. „Wir können hier zum Arbeiten an die Universität kommen, haben dort einen Arbeitsplatz und können uns direkt mit Kolleg*innen austauschen“, erklärt sie.

Braunschweig als Ort zum Wohlfühlen

In Braunschweig fühlen sich Dr. Olesia Zavarzina und Dr. Mariia Savchenko bereits heimisch, besonders das Stadtzentrum erinnert Savchenko an Lviv im Westen der Ukraine. Beide erleben Braunschweig als ruhige und gemütliche Stadt, in der es viele interessante Orte zu entdecken gibt. „Es gibt viele schöne Gebäude hier und es ist angenehm hier zu leben“, erzählt Zavarzina. Für Dr. Mariia Savchenko sind besonders die kurzen Wege ein weiterer Pluspunkt der Stadt.

Prof. Dirk Langemann, Dr. Mariia Savchenko und Dr. Olesia Zavarzina im Gespräch über ihren Besuch an der TU Braunschweig. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Dr. Mariia Savchenko freut sich schon auf die nächsten 15 Monate an der TU Braunschweig im Rahmen ihres MSCA4Ukraine-Stipendiums. Auch für Dr. Olesia Zavarzina soll dies nicht ihr letzter Aufenthalt gewesen sein. Sie freut sich über weitere Möglichkeiten, um auch in Zukunft an der TU Braunschweig zu forschen. Beide Wissenschaftlerinnen freuen sich aber insbesondere, wenn Sie wieder in die Ukraine zurückkehren können, um ihr Land beim Wiederaufbau zu unterstützen. Wir wünschen den beiden Wissenschaftlerinnen weiterhin viel Erfolg und freuen uns über weitere Besuche an unserer Universität!