Die Tropische Riesenseerose im Botanischen Garten der TU Braunschweig Publikumsmagnet: Victoria-Nächte am 12. und 13. August
Am 12. und 13. August wird der Botanische Garten der TU Braunschweig aus besonderem Anlass bis in die Nacht geöffnet sein: Grund ist die Blüte der Tropischen Riesenseerose (Victoria cruziana). Der Botanische Garten der TU Braunschweig gehört zu den schönsten botanischen Gärten Deutschlands. Er ist das „grüne Juwel“ der Universität und mit seinen über 4000 Pflanzenarten zugleich Forschungslabor, Bildungs-, Kultur- und Erholungsraum.

Die Riesenseerose blüht nur an zwei Abenden. Am ersten mit duftenden großen weißen Blüten und am zweiten zartrose. Danach taucht die Blüte unter Wasser. Bildnachweis: Michael Kraft/TU Braunschweig
Einer der größten Anziehungspunkte für die Öffentlichkeit ist zweifellos das Victoria-Gewächshaus, in dem die größte Attraktion unseres Botanischen Gartens – die Tropische Riesenseerose (Victoria cruziana) – kultiviert wird. Am 12. und 13. August wird der Botanische Garten an zwei aufeinanderfolgenden Abenden bis 22 Uhr geöffnet sein. Der Grund ist der nächtliche Blühzeitpunkt der wohl beeindruckendsten Pflanze des Gartens, der Tropischen Riesenseerose.
Botanisches Fabelwesen

Bis zum späten Abend drängten sich Besucherinnen und Besucher in vergangenen Jahren um das Wasserbecken im Victoria-Gewächshaus, um zu sehen, wie sich die Blüte der Riesen-Seerose entfaltet. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig
Die Victoria, benannt zu Ehren der jungen Königin von England, wurde 1801 von dem deutschen Botaniker Thaddaeus Haenke in den Lagunen eines Nebenflusses des Amazonas entdeckt. Man zweifelte lange an seinen Angaben über dieses riesige „botanische Fabelwesen“.
Erst Jahrzehnte später wurden sie von anderen Forscher*innen bestätigt. 1846 keimten die ersten Samen im Londoner Kew Garden. Drei Jahre später, im November 1849, öffnete sich die erste Blüte dieser Riesenseerose auf europäischem Boden.
Riesenblätter mit außerordentlicher Tragkraft
Im Botanischen Garten der TU Braunschweig wird diese an sich mehrjährige Pflanze aus Samen gezogen. Im tropischen Wasserpflanzenhaus erreicht sie in einer Vegetationsperiode von sieben Monaten riesige Dimensionen. Die Art Victoria cruziana ist im Flussgebiet des Paraná und in Paraguay beheimatet. Die Pflanze entwickelt in den Sommermonaten schildförmige, mit einem kuchenblechartig gewölbten Rand versehene Riesenblätter mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern. Die große Blattfläche ist auf der Unterseite mit einem plastisch hervortretenden, luftgefüllten Gerippe versehen, das mit Verstrebungen verglichen werden kann und die Tragkraft des Blattes ausmacht. Bei gleichmäßiger Belastung kann ein einzelnes Blatt ein Kind mit einem Körpergewicht von bis zu 35 Kilogramm tragen.
- Ein Blatt kann bis zu 35 Kilogramm tragen. Dass es funktioniert, zeigt der vierjährige Theo. Bildnachweis: Michael Kraft/TU Braunschweig
- Auf der Unterseite haben die Blätter der Victoria cruziana ein kräftiges Rippenmuster. Zusätzlichen Schutz gegen Tierfraß geben starke Stacheln. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig
Voll entwickelt öffnen sich dann an Juli- und Augustabenden die vielstrahligen, weißen, duftenden, großen Blüten, um sich am Morgen des nächsten Tages zu schließen. Am späten Nachmittag des zweiten Tages wiederholt sich der Vorgang. Jetzt öffnen sich die Blüten rosarot verfärbt. Erst danach tauchen sie final unter Wasser, wo die Samen reifen.
Insekten zur Bestäubung unter Wasser
Bestäubungsbiologisch ist dies ein höchst spannender Prozess. In der natürlichen Umgebung bringen Insekten von außen Blütenpollen mit und bestäuben die weiblichen Blütenteile. Dafür werden sie in den Blüten eingeschlossen – tauchen also für einen Tag mit der Blüte unter. In dieser Zeit reifen die Pollen und werden auf die eingeschlossenen Insekten übertragen. In der zweiten Nacht, mit dem Öffnen der nun farbigen Blüten, werden die Insekten freigelassen, die sich sehr schnell in die nächste – weiße – Blüte stürzen. Damit ist die Farbe der Blüte ein klares Signal für die Insekten.
Die erbsenähnlichen, dunkelbraunen Samen werden in der Heimat von der indigenen Bevölkerung als „Wassermais“ gesammelt und zu Mehl verarbeitet.
Im Botanischen Garten der TU Braunschweig ist die Victoria noch bis Mitte September zu sehen, da ab diesem Zeitpunkt die natürliche Tageslänge für das Wachstum des „botanischen Fabelwesens“ nicht mehr ausreicht.
Autor: Michael Kraft, Leiter des Botanischen Gartens